Europäisches Patent auf Terminator-Technologie

Zunehmende Patentierung von Naturressourcen - Europas Felder bleiben auch dieses Jahr wieder weitgehend gentechnikfrei
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Einfallsreich — die vielen Proteste von Greenpeace waren nicht umsonst. Österreichs große Molkereien produzieren gentechnikfrei.Foto: MICHAEL KAPPELER/AFP/GETTY IMAGES
Von 6. April 2006

Die Zeiten, in denen Konzerne wie koloniale Götter einmarschieren und den „armen und unwissenden“ Bauern ihr Saatgut samt Düngemittel und Pestizid andrehen konnten, scheinen zu Ende zu gehen. Doch zuvor musste Indien noch einmal als Versuchskaninchen herhalten. Missernten durch Anbau gentechnisch veränderten Saatgutes trieben dort Zehntausende von Bauern in den Ruin. Ebenso ein trauriges Kapitel war im letzten Jahr der Verlust eines gesamten Viehbestandes des ersten deutschen „Gen-Bauern“, nachdem er seine Tiere über mehrere Jahre hinweg mit Gen-Mais gefüttert hatte.  Umso schneller scheint sich jetzt eine Gegenbewegung zu etablieren, bestehend aus Umweltorganisationen, Bauern, Konsumenten und Politikern.

Patentanmeldungen im Bereich Gentechnik nehmen zu. Obwohl nach Europäischem Patentrecht Patente auf Tiere und Pflanzen verboten sind, wurde im Oktober letzten Jahres auch in München einem Patentantrag des US-Saatgutkonzerns Delta & Pine gemeinsam mit dem US-Landwirtschaftsministerium stattgegeben. Dieses Patent auf die Terminator-Technologie, einer Technik zur Sterilisation von Saatgut, wurde in ähnlicher Form bereits in den USA und jüngst auch in Kanada erteilt, angemeldet ist es in weiteren Ländern. Weil die Patentierung von Pflanzensorten, Pflanzeneigenschaften und Genen um sich greift, stellt sich immer dringlicher die Frage: Wem gehört die Natur? Dürfen Lebensformen über Patente der weltgemeinschaftlichen Nutzung geraubt werden?

Boden ist schützenswertes Kapital

Der Widerstand gegen Gentechnik ist vielfältig und auch nicht auf einzelne Länder beschränkt. Allein in Europa sind mittlerweile 160 Regionen, Bezirke, Kantone und polnische Woiwodschaften zu gentechnikfreien Regionen erklärt, darunter rund 23.000 Landwirte mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von mehr als 805.000 Hektar — und es werden mehr. Diese freiwilligen Erklärungen sind im Moment eine sehr effiziente Möglichkeit zur Erhaltung der bäuerlichen Unabhängigkeit, denn nur mit der Einhaltung von bestimmten Feldabständen zu einem Gen-Feld ist es nicht getan. Die häufig gemeinsame Maschinennutzung bei Aussaat, Ernte und Transport wäre eine zusätzlich einzukalkulierende Quelle der Verunreinigung durch gentechnisch verändertes Saatgut.

Italien zeigt Einigkeit —Gentechnik muss draußen bleiben

Kompromissloser sind die Italiener. 15 der 20 Regionen und über 2.300 lokale Kommunen lehnen die Gentechnik ab. Es gibt ein breites politisches Bündnis, weit über Umwelt-, Konsumenten- und Bioverbände hinaus, einschließlich Italiens größter Supermarktkette, der Coop Italia, Europas größter Bauerngewerkschaft Coldiretti, dem italienischen Bauernverband und allen (!) politischen Parteien. Man setzt auf lokale Identität und eine unverwechselbare Vielfalt handwerklicher Produktion. Lichtblicke gab es auch in Österreich, als die zwei größten dort ansässigen Molkereien komplett gentechnikfrei wurden.

Anbaufläche von Gen-Mais stagniert bei 0,1 Prozent

In Deutschland scheint man noch nicht ganz so weit zu sein. Obwohl sich der Anbau von Gen-Mais auch in diesem Jahr nicht durchsetzen konnte und bei einer Anbaufläche von gerade mal 0,1 Prozent verschwindend gering bleibt, schließen nach einer Umfrage von Greenpeace neun der zehn größten Molkereien, darunter Landliebe und Müller-Milch, die Verfütterung von Gen-Mais an Milchkühe ihrer Vertragslandwirte nicht aus. Für den Gentechnik-Experten von Greenpeace, Alexander Hissting, ist es völlig unverständlich, dass die großen Molkereien „nicht mal diesen kleinen Schritt tun wollen.“ Besser sieht es in Bayern aus: Berchtesgadener Land, Andechser Molkerei und die Upländer Bauernmolkerei etwa verzichten vollständig auf Genpflanzen im Futtertrog.

Stichwort: „Terminator“-Technologie

Bei der Terminator-Technologie wird durch Chemikalien oder große Hitze der Keimling im Samen einer Pflanze zerstört und so der natürliche Kreislauf der Saatgutgewinnung  unterbrochen. Einmal geerntete und wieder ausgesäte Samen sind also nicht mehr keimfähig und verfaulen einfach im Boden. Man kann diese Technologie auf alle wichtigen Kulturpflanzen wie Soja, Weizen, Raps oder Baumwolle anwenden und die Landwirte wären gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen. Vor allem Bauern in weniger entwickelten Ländern könnten hier schnell in Abhängigkeit geraten, da sie nicht die nötige Kaufkraft haben.

Multis wie Monsanto, BASF oder Syngenta drängen schon lange auf die Zulassung solcher Verfahren, die sie zusammen mit der US-Regierung bereits vor zehn Jahren entwickelt haben. Sie argumentieren, dass Terminator-Saaten die unkontrollierte Ausbreitung von Gen-Pflanzen verhindern könnten. Laut einer Studie des Umweltbundesamtes (UBA) ist aber nahezu das Gegenteil der Fall. Die gentechnisch veränderten Pollen können nach wie vor in benachbarte Areale gelangen. Finden sie  Kreuzungspartner vor, können sie möglicherweise auch bei anderen Pflanzensorten keimungsunfähige Samen stimulieren. Die Artenvielfalt einer ganzen Region wäre dann gefährdet.

Aufgrund internationaler Proteste empfahl die UNO-Konvention über biologische Vielfalt (CBD) im Jahr 2000, dass die Regierungen keine Freilandtestung oder Vermarktung von Technologien zur genetischen Saatgut-Sterilisation zulassen sollen. Die Schweiz, Kanada, Australien und Neuseeland hatten sich für eine Aufweichung des Terminatorverbots eingesetzt und eine „Betrachtung von Fall zu Fall“ vorgeschlagen.

Auf der 8. UN-Artenschutzkonferenz in Curitiba vom 13.—31. März konnten Umwelt- und Kleinbauernorganisationen wieder einmal aufatmen: Das Moratorium vom Jahre 2000 bleibt vorerst bestehen – Terminator muss draußen bleiben. Dazu der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva: Die Länder des Südens hätten am meisten unter den Verwüstungen zu leiden, die durch eine „unhaltbare Produktions- und Konsumweise“ verursacht würden. Die Gewinne aus der Nutzung natürlicher Ressourcen müssten „gleichmäßig“ verteilt werden.



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