Keine bessere Luft dank Corona: Stickoxide halbiert, Schwefeloxide verdoppelt

Eine Studie über die Luftverschmutzung in Großbritannien zeigt, dass die Corona-Pandemie nicht den erhofften Effekt hat. Angesichts sinkender Werte von Stickoxiden – aber umso stärker steigenden Schwefeloxid-Emissionen während der Ausgangssperre – sei Klimaschutz vielleicht doch „nicht so einfach, wie es scheint“.
Von 24. September 2020

Umweltforscher der Universität Liverpool analysierten die Luftqualität vor und während der Corona-Pandemie. Im Vergleich mit den Werten für Schwefel- und Stickoxide, Feinstaub (PM2,5) und Ozon der letzten sieben Jahre wollten sie herausfinden, welche Auswirkung die Ausgangssperre und der wirtschaftliche Stillstand bei COVID-19 auf das Klima hatten.

Die Studie zeigte für den Zeitraum vom 23. März bis 13. Juni 2020 um bis zu 44 Prozent sinkende Werte für Stickstoffdioxid (NO2). Dies hänge, so die Forscher, mit der Verringerung der Fahrzeugemissionen zusammen. Auf der anderen Seite überraschte die Forscher der Anstieg der Werte von Schwefeldioxid (SO2). Diese stammen typischerweise von der britischen Industrie und hätten ebenso stark rückläufig sein müssen. Stattdessen steigen sie auf mehr als das Doppelte der Vorjahreswerte.

Im Norden stärkere Änderungen

Die vollständige Abriegelung in Großbritannien trat am 23. März 2020 in Kraft, als Premierminister Boris Johnson sagte, dass die Menschen zu Hause bleiben „müssen“ und bestimmte Unternehmen schließen müssten.

Die Maßnahmen führten dazu, dass die Nutzung von Kraftfahrzeugen deutlich zurückging. Am ersten Tag der Ausgangssperre verzeichnete Großbritannien einen Rückgang auf 69 Prozent der normalen Fahrzeugnutzung. Den tiefsten Wert erreichte Großbritannien am 13. April. An jenem Montag bewegte sich weniger als ein Viertel (23 Prozent) des üblichen Verkehrs. Anschließend stieg das Verkehrsaufkommen wieder auf 77 Prozent. Die ersten 100 Tage der Abriegelung fielen auch mit höheren Temperaturen und weniger Feuchtigkeit zusammen.

Die Forscher untersuchten zudem die lokalen Auswirkungen der Corona-Maßnahmen auf die Luftqualität in sieben großen britischen Städten: London, Glasgow, Belfast, Birmingham, Manchester, Newcastle und Liverpool.

Dabei stellte sich heraus, dass der NO2-Gehalt in allen Städten im Durchschnitt zwischen 37 und 41 Prozent zurückging. Am stärksten zeigte sich der Rückgang in Glasgow mit 44 Prozent. In den nördlichen Städten wurde jedoch auch ein stärkerer Anstieg der Schwefeldioxidwerte festgestellt.

Klima(-schutz) ist abhängig von der Jahreszeit – und komplexer als gedacht

Studienleiter Dr. Jonny Higham sagte: „Die Ergebnisse unserer Analyse sind überraschend. Es ist offensichtlich, dass die Verringerung der Kraftfahrzeuge und der menschlichen Aktivitäten einen wesentlichen Einfluss auf die Luftqualität hatte.“ Das zeige die Verringerung der Stickoxide – in Deutschland zeigten Messergebnisse unter anderem am Stuttgarter Neckartor gleichbleibende Stickoxide während des Lockdowns. Obwohl ein Schadstoff reduziert wurde, gab es bei einem anderen Schadstoff eine starke Zunahme.

„Wir glauben, dass diese Veränderungen durch ein Ungleichgewicht in der komplexen Luftchemie in der Nähe der Oberfläche verursacht werden könnten“, sagte Higham. Diese Ungleichgewicht könne „durch die meteorologischen Bedingungen bei besonders niedriger Luftfeuchtigkeit und Veränderungen der Schadstoffkonzentrationen“ noch verstärkt werden. Mit anderen Worten: Klimaschutzmaßnahmen wirken im Sommer anders als im Winter.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die komplexe und relativ stabile Luftzusammensetzung […] in kurzer Zeit durch die signifikante Verringerung der Primäremissionen […] gestört werden kann“, so Higham weiter.

Zumindest im Falle Großbritanniens sei es daher „vielleicht nicht so einfach, durch eine große NO2-Reduktion saubere Luft zu erhalten, wie es scheint“.

(Mit Material der Universität Liverpool)



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