SERIE: 15 Irrtümer über Atomkraft – Teil 12

12: EU-Atomfördervertrag EURATOM macht Atomkraft nicht sicher
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Eine französische Delegation, darunter der zuständige EU-Kommissar Janez Potonik (zweiter von rechts), begutachten ein Modell des ITER, der im südfranzösischen Cadarache gebaut werden soll. ( BORIS HORVAT/AFP/Getty Images)

Es ist ein Irrtum zu glauben, dass der EU Atomfördervertrag EURATOM in der EU die Nutzung der Atomkraft sicher macht. Es ist ebenso ein Irrtum, dass mit der Milliarden-Förderung der Kernfusion durch EURATOM-Gelder in Kürze die Sorgen um endliche Ressourcen für die Energiegewinnung der Vergangenheit angehören werden. Vielmehr tut sich hier ein Milliardengrab für Steuergelder auf – mit sehr ungewissen Erfolgsaussichten.

Was hinter EURATOM wirklich steht

Der EURATOM-Vertrag begründete 1957 die Europäische Atomgemeinschaft, die die Entwicklung der Atomenergie fördern sollte. Zu dieser Zeit begann die kommerzielle Nutzung und Kernenergie wurde als „unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft“ bezeichnet.

EURATOM finanzierte die Erforschung der Atomenergie und gewährte Milliarden von Euro als Kredite für die Errichtung oder Modernisierung von Atomkraftwerken. Als Resultat ist die EU heute der weltweit führende Erzeuger von Atomenergie. Die erweiterte EU-25 hat derzeit 155 Reaktoren in Betrieb. Im Unterschied zu den anderen Gründungsverträgen der EU wurde der EURATOM-Vertrag nie wesentlich verändert.

Was macht EURATOM?

Die Förderung der Europäischen Nuklearindustrie besteht vor allem in der Schaffung einer eigenen Wirtschaftszone für die Nuklearindustrie, was dem EG-Vertrag widerspricht. Dies betrifft zum Beispiel staatliche Subventionen, die den Binnenmarktregeln widersprechen, nicht aber dem EURATOM-Vertrag. EURATOM ist hauptsächlich in zwei Bereichen aktiv: Darlehen für Atomprojekte und Nuklearforschung. Durch beide Instrumente wird die Nuklearindustrie einseitig gefördert. Der EURATOM-Vertrag steht damit de facto im Widerspruch zu anderen Regelungen der EU, insbesondere zum Energiebinnenmarkt und der Umweltgesetzgebung. Seit 1977 kann EURATOM Kreditgarantien für Nuklearanlagen innerhalb der EU vergeben. Der Gesamtrahmen lag ursprünglich bei 500 Millionen Euro und wurde sukzessive auf derzeit 4 Milliarden Euro erhöht.

Durch diese Kredite werden Nuklearprojekte ermöglicht, die sich sonst gar nicht finanzieren ließen. Seit 1994 können EURATOM-Kredite auch für Anlagen außerhalb der EU verwendet werden. Ziel war es, dadurch insbesondere bestehende AKWs in Osteuropa sicherer zu machen. EURATOM-Darlehen für Bulgarien und die Ukraine im Jahre 2000 waren die Folge. Dadurch hat EURATOM insgesamt Kredite in der Höhe von 3.776 Millionen Euro vergeben, das Gesamtvolumen ist bisher mit 4 Milliarden Euro gedeckelt.

Cernavoda-2 (Rumänien) ist ein gutes Beispiel für die problematische Vergabe von EURATOM-Krediten: die EU gewährte im Jahre 2004 einen EURATOM-Kredit über 223,5 Mio. Euro für die Errichtung des Blocks 2 in Cernavoda. Hier ging es aber um den kompletten Neubau eines kanadischen und sicherheitstechisch nicht unproblematischen Reaktortyps und nicht um Sicherheitsverbesserungen. Ohnehin ist dieser Ausbau sinnlos, weil die Stromkapazitäten in Rumänien bereits jetzt mehrfach über dem wirklichen Bedarf liegen.

EU-Atomforschung

2006 fiel die Entscheidung über die EU-Atomforschung für die Budgetperiode. Dabei ging es um eine massive Aufstockung um mehr als das Doppelte des Budgets gegenüber dem vorangegangenen Programm. Im Mai 2006 war es beim Wettbewerbsrat zwar zu keiner Entscheidung über die Atomforschungsmittel unter dem EURATOM-Vertrag gekommen, da Österreich gefordert hatte, dass Forschungsmittel für die Kernspaltung ausschließlich zur Sicherheitsverbesserung eingesetzt werden dürfen. Mit dieser Forderung setzte sich Österreich am Ende auch durch. Zu einer Reduzierung der Milliardenspritze für die Atomlobby kam es aber nicht: Der am 24. Juli 2006 verabschiedete Vorschlag für das 7. EURATOM-Forschungsprogramm stellt die größte Milliardenspritze für die Atomforschung dar, die es bisher unter EURATOM gab.

Und daran hat sich durch die österreichische Verhandlungsführung nichts geändert. Das ist umso bedauerlicher, da bei allen Entscheidungen zu EURATOM das Einstimmigkeitsprinzip herrscht und Österreich daher auch mehr durchsetzen hätte können. Das Budget umfasst für den Zeitraum 2007 bis 2013 einen Betrag von etwas mehr als 4 Milliarden Euro für die Atomforschung. Davon fließt mit 2,9 Milliarden Euro der Löwenanteil in die Kernfusionsforschung. An dem Fusions-Forschungsreaktor ‚International Thermonuclear Experimental Reactor‘ (ITER), der in Cadarache entstehen soll, sind die Europäische Union, Japan, Russland, die USA, China und Südkorea beteiligt. Im Sommer 2005 fiel nach langwierigen Beratungen die Entscheidung über den Standort für ITER zu Gunsten des südfranzösischen Cadarache. Die EU wird damit zum Sitzland des ITER und wird 50 Prozent der Kosten übernehmen. Die Baukosten von ITER werden 4,5 -5 Milliarden Euro betragen, die Betriebskosten werden weitere 5 Milliarden Euro verschlingen. Erst nach erfolgreichen Forschungarbeiten kann dann daran gedacht werden, einen Demonstrationsreaktor zu bauen, von einem tatsächlichen wirtschaftlichen Betrieb ist die Kernfusion dann aber noch immer viele (Steuer-)Milliarden entfernt.

GLOBAL 2000 fordert: EURATOM abschaffen!

Die Gründung von EURATOM entsprach dem Zeitgeist der 50er-Jahre, als man noch dachte, die Atomkraft sei eine zukunftsfähige Technologie, die gefördert werden müsste. Rund ein halbes Jahrhundert später ist es offensichtlich, dass die Atomkraft die damaligen Erwartungen nicht erfüllt hat, obwohl sie massiv subventioniert und gefördert wurde und wird. Atomkraft deckt maximal sechs Prozent des globalen Energiebedarfs. Der EURATOM-Vertrag ist nicht mehr zeitgemäß und fördert einseitig die Nuklearindustrie. Er ist darüber hinaus undemokratisch, denn die gewählte Vertretung der EU-BürgerInnen, das EU-Parlament, darf in EURATOM-Belangen nicht mitentscheiden.

EURATOM abschaffen: der mögliche Fahrplan

GLOBAL 2000 fordert mit der Unterschriftenaktion „1 Millionen EuropäerInnen gegen Atomkraft“ die EU-Kommission, das Europäische Parlament und die EU-Staaten dazu auf, den EURATOM-Vertrag abzuschaffen. Für die Abschaffung von Euratom schlagen Friends of the Earth Europe und GLOBAL 2000 vor: Wie der Kohle-Stahl Vertrag EGKS, der nach 2002 auslief, könnte auch EURATOM auf eine 55-jährige Gültigkeit limitiert werden. Dies würde zu einem Ende des EURATOM-Vertrags im Jahre 2011 führen. Nötige Bestimmungen, zum Beispiel betreffend Gesundheit, Sicherheit oder Nichtverbreitung von Nuklearmaterial, könnten dann in ein neu geschaffenes EUEnergiekapitel übernommen werden.

Wir rufen die EU-Mitgliedsstaaten auf, dieses Ziel mit einer EURATOM-Vertragsstaaten-Konferenz zu erreichen. Als ersten Schritt fordern wir die Beendigung des EURATOM-Forschungsbudgets für Kernenergie und der EURATOM-Kreditvergabe für Kernkraftwerke, zum Beispiel in der Form eines politischen Moratoriums, bei dem sich die Mitgliedsstaaten darauf einigen, auf diese Instrumente zur Förderung der Kernenergie zu verzichten (dafür ist keine Vertragsstaatenkonferenz notwendig).

Weitere Informationen:

Silva Herrmann, Energiereferentin GLOBAL 2000

Informationen im WWW unter http://www.global2000.at/

Serien-Überblick

ROHSTOFF URAN Teil 1: Begrenzte Uranressourcen – die Lüge von der unendlichen Atomkraft Teil 2: Uranabbau – Rohstoff mit Umweltfolgen Teil 3: Uran – Waffenfähiges Material in Zeiten des Terrors

DIE TECHNOLOGIE Teil 4: Europas gefährlichste Reaktoren Teil 5. AKW Temelin: Traurige Geschichte von 100 Unfällen Teil 6: Milliarden Euro Steuergelder – Atomenergie kostet Teil 7: Atomforschung kassiert – Erneuerbare bleiben auf der Strecke Teil 8. Atomenergie kann das Weltklima nicht retten Teil 9: Weltweite radioaktive Verseuchung Teil 10: Atomstromimporte in atomfreie Staaten

ATOMMÜLL Teil 11: Atomare Verseuchung in Österreich: Damals und heute! Teil 12: Atommüllager rund um Österreich und weltweit Teil 13: Atommülltransporte und Wiederaufbereitung Teil 14: Die größten Atomunfälle: Von Hiroshima bis Tschernobyl Teil 15: Tschernobyl-Tag: Die Opfer der Tschernobylkatastrophe heute



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