Tatort Lacomaer Teiche – ein Fall nicht nur für Vattenfall-Kunden

Hat Braunkohleabbau einen höheren Stellenwert als die europäische Naturschutzpriorität?
Titelbild
Hammergraben bei den Lacomaer Teichen – gefährdet durch Vattenfalls Braunkohletagewerk. Im Jahre 2003 wurde dieses Paradies als europäisches Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen. (Foto: Tina Dannheim)
Von 15. Januar 2007

Das Naturschutzgebiet Lacomaer Teiche und der angrenzende Hammergraben in Brandenburg sollen einem Braunkohletagewerk von Vattenfall Europe Mining & Generation weichen. Im Jahre 2003 wurde dieses Paradies als europäisches Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen. Dort lebt der Wiedehopf, ein seltener Vogel mit langem Schnabel und hellorangefarbener Federhaube, dessen Ruf fast wie eine Kinderhupe klingt, nur viel sanfter, und andere unzählige bedrohte Tiere und Pflanzen, die zum Teil den höchsten europäischen Schutzstatus genießen.

Hammergraben bei den Lacomaer Teichen – gefährdet durch Vattenfalls Braunkohletagewerk. Im Jahre 2003 wurde dieses Paradies als europäisches Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen. (Hammergraben bei den Lacomaer Teichen – gefährdet durch Vattenfalls Braunkohletagewerk. Im Jahre 2003 wurde dieses Paradies als europäisches Natura 2000-Schutzgebiet ausgewiesen. (Foto: Tina Dannheim)

Tatort Lacomaer Teiche

„Das deutsche Rechtssystem beschert uns den kuriosen Fakt, dass der Tagebau bergrechtlich schon genehmigt werden konnte, bevor wasserrechtlich überhaupt über die Beseitigung der Teiche geredet wurde“ erfährt man von der „Grünen Liga“.

Solch ein Flora-Fauna-Habitat-Gebiet innerhalb der EU darf jedoch nur dann beeinträchtigt werden, wenn Gründe des übergeordneten Interesses vorliegen und Alternativen fehlen; dafür ist eine Stellungnahme der Europäischen Kommission erforderlich. Diese wurde eingeholt.

Mitarbeiter des Bundesumweltministeriums teilten mit, aufgrund des Schreibens aus Brüssel könne die Zerstörung der 22 Teiche und über 14 Kilometer Gräben genehmigt werden. „Nach Auffassung der Planfeststellungsbehörde ist das Vorhaben aus zwingenden öffentlichen Interessen geboten. Die Fortführung des Tagebaus Cottbus-Nord und die insoweit notwendige Gewässerbeseitigung dienen dem langfristigen Erhalt von 802 direkten Arbeits- und 58 Ausbildungsplätzen“, steht im Planfeststellungsbeschluss vom 18.Dezember 2006. Schon am nächsten Tag fraßen sich Kettensägen durch Lacomaer Baumstämme.

Klage wegen falscher Interpretation

Die Umweltverbände klagten gegen den Planfeststellungsbeschluss. Gemäß BUND, „Grüne Liga“, NABU und „Robin Wood“ wurde das Schreiben der Kommission falsch interpretiert, im Gegenteil verbiete die EU darin das Abbaggern des Biotops.

Obwohl derzeit niemand Arbeiten ausführen darf, die das Gebiet nachhaltig schädigen, wurden am 4. Januar auf weiter Fläche Bäume gefällt; protestierende Bürger wurden von einer Sicherheitsfirma abgehalten. Nachmittags stoppte das Verwaltungsgericht Vattenfalls Fällarbeiten per Sofortbeschluss. Umweltschützer sind vor Ort und lassen das Gebiet nicht mehr aus den Augen.

Sobald in der EU eine Liste mit allen Flora-Fauna-Habitat-Gebieten vorliegt, werden Ausnahmeregelungen jedoch möglich sein, so dass tatsächlich streng geschützte Gebiete für wirtschaftliche Interessen in riesige Wüstenkrater verwandelt werden können. Dann hängt das Bestehen der Lacomaer Teiche nur noch daran, wie das „Allgemeinwohl“ dargestellt und interpretiert wird. Die EU-Kommission beurteilt die Lage „unter den Vorbehalt, dass ihr durch die deutschen Behörden korrekte Informationen zugeleitet“ werden. Bezüglich der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt trifft das nach Ansicht der Naturschutzverbände nicht zu.

Ein übergeordnetes Interesse?

„Wenn die Lacomaer Teiche bleiben, muss kein Kraftwerksblock stillgelegt und kein Kraftwerker entlassen werden“, sagt Rene Schuster von der „Grünen Liga“. „Das Kraftwerk Jänschwalde kann auch mit 20-21 Millionen Tonnen Kohle pro Jahr wirtschaftlich arbeiten. Die maximale Auslastung von 26 Millionen Tonnen fordert Vattenfall nur, um den Profit zu maximieren.“

Ein übergeordnetes öffentliches Interesse wäre eher, „wenn wir sonst keinen anderen Strom mehr produziert kriegen und die Lichter ausgehen“, erklärt Tina Dannheim, Energiereferentin von „RobinWood“, „wenn sonst Leben und Gesundheit des Menschen gefährdet wären“ – heißt es auf den Lacoma-Info-Seiten im Internet. „Wirtschaftliche und arbeitsmarkpolitische Gründe (wie zum Beispiel Tagebaue) sind dabei ausdrücklich ausgeschlossen.“ Von der Bürgerinitiative Lacoma erfährt man: „Da diese Kohlemenge lediglich drei Prozent der Gesamtkapazität aller Tagebaue von Vattenfall entspricht, ist die Energieversorgung in Deutschland nicht auf die Inanspruchnahme der Lacomaer Teiche angewiesen!“

Etwa ein Drittel des in Brandenburg erzeugten Stroms wird exportiert. Das Vattenfall-Kraftwerk Jänschwalde, in dem auch die Kohle aus Lacoma verstromt werden soll, gehört laut „Robin Wood“ zu den fünf größten Klimasündern Europas und hat einen niedrigen technischen Wirkungsgrad von maximal 36 Prozent. „Die Abbaggerung der Teichlandschaft ist für das Allgemeinwohl nicht erforderlich“ sagt auch Burkhard Voß, Landesvorsitzender des BUND Brandenburg. „Im Gegenteil: die Klimaschutzinteressen aller Bürger erfordern eine geringere Auslastung des Kraftwerkes Jänschwalde sogar.“

Braunkohletagebau Cottbus Nord. So soll es später auch am Hammergraben und im Gebiet der Teiche aussehen. (Braunkohletagebau Cottbus Nord. So soll es später auch am Hammergraben und im Gebiet der Teiche aussehen. (Foto: Tina Dannheim)

Einfluss der Politiker?

Bundeskanzlerin Merkel erwählte Lars Göran Josefsson, Präsident des schwedischen Energiekonzerns Vattenfall AB und Aufsichtsratsvorsitzender der Vattenfall Europe AG als einen der zwei Klimaschutz-Berater während der deutschen Präsidentschaft von EU und G8. Bisher ist nicht erkennbar, wer auf wen Einfluss nehmen wird. Mehr als zwei Drittel des von Vattenfall erzeugten Stroms stammt aus Braunkohle. Die Stromerzeugung durch Kohle ist die klimaschädlichste Art überhaupt. Und Vattenfall sucht weiter nach Vorräten und Standorten für neue Braunkohlekraftwerke.

Keine Mitsprache bei der Vattenfall Europe AG

Der staatseigene schwedische Energiekonzern Vattenfall AB hatte erst am 1.März 2006 ein „squeeze out“ durchgesetzt, das heißt, er zwang mit seinem 95 Prozent Aktienanteil die übrigen Aktionäre ihre Anteile zu verkaufen. Laut Daniel Häfner, dem Sprecher der ‚Freunde von Lacoma’ wurde mit dem squeeze out „den Kleinaktionären das Mitspracherecht entzogen“ und gleichzeitig wurden „die Gewinne aus dem Raubbau vollständig exportiert.“ Am 31. Oktober 2006 gab Vattenfall gestiegene Umsatzerlöse der Vattenfall-Gruppe um 14,2 Prozent auf 11,3 Milliarden EURO bekannt. Wesentlich für die Ergebnissteigerung im dritten Quartal 2006 waren vor allem Zuwächse bei der deutschen Business Unit Mining & Generation.

Unbeeindruckt von Protestaktionen und Unterschriftlisten

Es gab Protestaktionen und Unterschriftlisten gegen das Abbaggern des Naturschutzgebietes Lacomaer Teiche. Der stellvertretende Pressesprecher von Vattenfall Europe Mining & Generation, Fromm, sagte dazu:„Jeder kann seine Meinung kund tun und wir müssen das zur Kenntnis nehmen, wenn wir sie nicht mit unseren Argumenten überzeugen können.“

Betroffene haben mit bitterem Humor sogar einen Satirewettbewerb im Internet zum Thema „Lacoma-bleibt“ ins Leben gerufen. http://www.lacoma-bleibt.de/satire/einsendungen.html

Auch Stromkunden bestimmen die Zukunft

Naturschutzverbände rufen Vattenfalls Kunden zum Wechsel zu Ökostrom-Anbietern auf. Sie sagen, wenn durch einen Anbieterwechsel der Braunkohleverstromung der Geldhahn abdreht wird, das spräche die deutlichste Sprache. Das ist in 10 Minuten getan und trägt nachhaltig zur Rettung von Klima und Natur bei. Auch die Millionen Stromkunden bestimmten maßgeblich die Zukunft, denn es gehe nicht nur um die bedrohten Arten bei Cottbus, sondern auch um etliche Lebewesen allerorts, von denen man heute noch nicht weiß, dass sie bedroht sind, deren Bestand sich aber durch einen Klimawandel dezimiert. Und da Wetterextreme keine guten Ernten hervorbringen, gehe es auch um die Menschen.



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