Was dem alten Sack das Wasser abgräbt

Moderne Systeme, die Hab und Gut und Leib und Leben vor Hochwasser schützen
Titelbild
(Kreis Lüchow-Dannenberg, Niedersachsen)
Von 28. November 2009

Das nächste Hochwasser kommt bestimmt. Schaut man sich die spektakulären Bilder der Hilfsaktionen der letzten deutschen Hochwasser an, scheint der Sandsack das ultimative Mittel gegen das Vordringen von Wasser zu sein. Doch wie man Mitte November auf der Messe Acqua alta in Hamburg sehen konnte: In Sachen Hochwasserschutz weht ein frischer Wind. Ein paar Beispiele:

„So ein Sandsack will befüllt werden, dafür benötige ich viele Menschen“, weiß Thomas Tjaden der Firma EU-Flood-Control. Er war selbst beim Technischen Hilfswerk (THW) beim Hochwasser in Dresden im Einsatz. Seine Firma bietet als Alternative ein Schlauchsystem. „Ein Schlauch ersetzt 500 Sandsäcke – den trage ich auf der Schulter.“

Die Deichschläuche werden direkt mit dem Schmutzwasser oder aus dem Hydranten befüllt und sind dann 15 Meter lang. „In einer halben Stunde können zwei Mann mit Übung 100 Meter aufbauen.“ Zudem sind die Schläuche gegen Chemikalien resistent. Tjaden sagt: „Wir haben es 2002 an der Elbe gesehen. Die Sandsäcke, die mit Wasser in Berührung kamen mussten aufwändig entsorgt werden: Die Säcke wurden verbrannt. Der Sand wird als Sondermüll gelagert.“ Außerdem: „In der Aufbauphase bekommt man eine ganze Menge Hilfe – THW, Bundeswehr. Wenn der Einsatz vorbei ist, gehen diese Leute auch nach Hause. Und wer baut dann die ganzen Sandsäcke ab?“ Das Schlauchsystem wird nach dem Einsatz durchgespült, aufgerollt, fertig. Und die Kosten? Bei einem einmaligen Einsatz wäre das Schlauchsystem genauso teuer wie Sandsäcke. Doch entfällt die Entsorgung und beim nächsten Hochwasser können sie wieder verwendet werden.

Im Küstenbereich sei es jedoch auch mit diesen Schläuchen schwierig, gibt Tjaden zu, da man dort mit großen, dynamischen Kräften zu kämpfen habe. Doch diese seien ja auch mit Sandsäcken kaum zu halten, weiß er aus seiner Ernstfall-Praxis: „Da gibt es wirklich nur technischen Hochwasserschutz wie Deiche. Wir können aber schnell im Hinterland zusätzlich schützen, wenn es dann doch übern Deich geht: einzelne Gehöfte, kritische Infrastrukturen wie die Energie- und Trinkwasserversorgung.“

Dringt an einem Deich Wasser hindurch, nimmt man jedoch den Sandsack, weiß Tjaden. Auch um modernen Systemen zusätzlich Stabilität zu geben wird er gebraucht. Überflüssig ist der Sandsack also nicht. Der Ingenieur Wolfgang Lindner aus Österreich hat ihn darum optimiert. Sein BarrierChamp-Sandsack aus reißfestem und rutschhemmendem Polypropylen kommt schlank auf einer Rolle à 500 Säcke und benötigt so acht- bis 15mal weniger Platz als die herkömmliche Kunststoff- oder Juteversion. Er kann auch mit Split befüllt werden und – das ist der Clou – er schließt durch ein Ventilsystem automatisch. „Wenn ich Säcke zubinden muss, sind nach 70 bis 120 Bindungen die Finger offen: Die Person fällt aus“, weiß Lindner aus Erfahrung; er ist seit 1976 aktiver Feuerwehrmann.

Bei ThyssenKrupp GfT Bautechnik setzt man – wie sollte es anders sein – auf Stahl und Aluminium. Zum Angebot gehören unter anderem mobile Systeme, in denen Aluminiumbalken schnell aufeinander montiert werden – ebenfalls als stets wieder verwendbarer Sandsackersatz. Mit dem Dammbalken-System könne auch der Privatmann seine vier Wände trocken halten. Rund 600 Euro Kosten pro Quadratmeter erscheinen aber nicht gerade billig. Der Diplom Ingenieur Torsten Semmling von Thyssen Krupp sieht den Preis relativ dazu, dass die Investition einmalig sei und Versicherungen in gefährdeten Gebieten ohne nachgewiesene Schutzsysteme nicht zahlen. Auch solle man sich für einen Schutz entscheiden, den man auch in 20 Jahren, wenn man nicht mehr ganz jung ist, aufbauen kann. „Der Schaden kommt“, mahnt Semmling, „Wenn Sie bei so einem Hochwasser noch einen Öltank im Keller haben und Öl auftreibt, ist das nicht nur aus Umweltschutzgründen eine Katastrophe, sondern Sie haben diesen Ölfilm in den Kellerwänden. Man müsste im ganzen Gebäude den Putz abhacken, das riecht immer wieder nach Heizöl.“

Dem Fluss Raum geben

Reinhard Vogt leitet die Hochwasserschutzzentrale in Köln und bringt mit dem von ihm gegründeten Hochwasser Kompetenz Centrum e.V. das Wissen von Wissenschaft und Praxis zusammen. Er koordiniert und informiert, hat für seine Arbeit Preise bekommen und kann einen mit Wissen, Projekten und Ideen förmlich überfluten. Etwa sagt er: „Zur Vorsorge gehört auch, dass man dem Fluss Raum gibt.“ Dafür wurden in Köln zwei Auenlandschaften als Retentionsräume angelegt, in die sich der Rhein in die Weite ausdehnen kann, so dass er nicht so sehr in die Höhe steigt. Vogt sagt: „Am Ober­rhein zum Beispiel ist es uns so gelungen, den Pegel um 40 Zentimeter zu senken.“

Erschienen in The Epoch TImes Deutschland Nr. 45/09

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