„Wir leben in einer trügerischen Ruhe“

Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse, das ist die zentrale Botschaft des „Living Planet Reports“. Verteilt man die natürlichen Schätze gerecht, stünden bei der aktuellen Weltbevölkerung jedem Erdenbürger maximal 1,8 Hektar zu. Doch die Realität sieht anders aus: In den reichen Staaten ist der ökologische Fußabdruck der Menschen rund fünf Mal so groß wie in den ärmeren Ländern.
Titelbild
Der Sumatra-Tiger ist gefährdet, weil er nach und nach seinen Lebensraum verliert. Eine versteckte Kamera des WWF hat Rodungen aufgenommen im Gebiet Bukit Batabuh, ein Schutzgebiet in Indonesien, in dem normalerweise keine flächendeckenden Rodungen durchgeführt werden dürfen.Foto: AP Photo/WWF Indonesia-PHKA
Epoch Times14. Oktober 2010

„Um die Nachfrage nach Nahrung, Energieträgern und anderen natürlichen Rohstoffen zu decken, bräuchte man schon jetzt einen zweiten Planeten“, lautet das Fazit von Eberhard Brandes. Er ist Vorstand des WWF Deutschland und stellte den „Living Planet Report 2010“ am Mittwoch in einem Berliner Kaufhaus vor.

Besagter Report ist eine Langzeitstudie zur Entwicklung der biologischen Vielfalt in den vergangenen 40 Jahren. Er wird alle zwei Jahre vom WWF herausgegeben. Die Studie analysiert den sogenannten „ökologischen Fußabdruck“ der Menschen in den verschiedenen Regionen der Welt. Dabei wird geschaut, wieviel Fläche jeweils nötig ist, um nachhaltig produzieren zu können. Reicht die Fläche aus, um das zu erzeugen, was die Menschheit verbraucht, an Nahrung, an Energie, an Rohstoffen.

Aus dem Gleichgewicht

Die Menschheit lebt über ihre Verhältnisse, das ist denn auch die zentrale Botschaft des „Living Planet Reports“. Der Bestand von 2.500 ausgewählten Tierarten, die charakteristisch für die unterschiedlichen Land-, Meeres- und Süßwasserökosysteme der Erde sind, ist seit den 70er Jahren im Schnitt um rund 30 Prozent zurückgegangen. In den Tropen ist der natürliche Reichtum sogar noch stärker eingebrochen. Hier gingen die Populationsgrößen um fast 60 Prozent zurück. Der scheinbare Wohlstand in den Ländern mit hohem Einkommen werde mit dem biologischen Reichtum unter anderem der Tropen erkauft, sagt  Eberhard Brandes.  Auch Deutschland gehöre zu den ökologischen Schuldnerländern.

1,8 Hektar für jeden Erdenbürger

Verteilt man die natürlichen Schätze gerecht, stünden bei der aktuellen Weltbevölkerung jedem Erdenbürger maximal 1,8 Hektar zu. Doch die Realität sieht anders aus:  In den reichen Staaten ist der ökologische Fußabdruck der Menschen rund fünf Mal so groß wie in den ärmeren Ländern. Deutschland steht mit rund fünf  Hektar pro Kopf im Mittelfeld. Besonders verschwenderisch leben die Menschen u.a. in den Vereinigten Arabischen Emiraten und den USA mit einem Pro-Kopf Verbrauch von nahezu zehn Hektar.

„Wir leben in einer trügerischen Ruhe“, warnt Eberhard Brandes. „Der  Living Planet Report zeigt deutlich, dass es höchste Zeit ist, Lösungen zu entwickeln, wie die wachsenden Bedürfnisse der Weltbevölkerung mit den vorhandenen Rohstoffen gedeckt werden können.“

Forderung zur Trendwende

Der WWF stellt sechs Forderungen auf, wie eine Trendwende geschafft werden kann:

Erstens: Eine neue Definition von Wohlstand ist überfällig. Die Konzentration auf die Steigerung des Bruttosozialprodukts führt in die Irre. In einer Welt mit begrenztem Ressourcenangebot kann es kein unbegrenztes Wachstum geben.

Zweitens: Die Menschheit muss mehr in ihre natürlichen Schätze investieren. Dazu gehört die Einrichtung und Finanzierung von Schutzgebieten. Der WWF empfiehlt, 15  Prozent der Erdoberfläche zum Schutzgebiet zu erklären. Insbesondere bei den Küsten und Hochseeschutzgebieten besteht großer Nachholbedarf.

Drittens: Eine nachhaltige Energieversorgung ist die fundamentale Herausforderung. Investitionen in die Energieeffizienz und die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger sind vonnöten. Die Treibhausgasemissionen müssen bis 2050 um 95 Prozent reduziert werden. Gleichzeitig müssen die Ernährungsgewohnheiten der Menschen, insbesondere der Fleischkonsum auf den Prüfstand.

Viertens: Die zur Verfügung stehenden Flächen sollten intelligenter genutzt werden. Ein Kompromiss zwischen Flächennutzung zur Nahrungsmittelproduktion, Produktion von Biokraftstoffen und Flächenschutz muss erarbeitet werden.

Fünftens: Die Naturschätze der Erde müssen gerechter nachhaltig genutzt werden. Dazu braucht es eine gerechtere Verteilung, zum Beispiel etwa durch nationale Budgets (von Kohlenstoff, etc.) und die Abschaffung von pervertierten umweltzerstörenden Subventionen.

Sechstens: Die internationalen Bemühungen zum Schutz der Biodiversität müssen verstärkt werden. Dies beinhaltet die Einrichtung globaler Finanzierungsmechanismen. (jel)

Hier finden Sie den vollständigen Living Planet Report 2010 des WWF.



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