Faktencheck: Das bringt der digitale Euro wirklich!

Über die Einführung eines digitalen Euros wird kontrovers diskutiert. Während Befürworter von einem wichtigen „europäischen Projekt“ sprechen, befürchten Kritiker einen Verlust der Privatsphäre mit der Einführung des Digitalgeldes. Welche Vor- und welche Nachteile hätte ein digitaler Euro tatsächlich für Verbraucher und Unternehmen?
Eine Zwei-Euro-Münze liegt auf der Tastatur eines Laptops neben einem Eurozeichen.
Wie gefährlich ist der Digitale Euro tatsächlich für die Privatsphäre. Die Meinungen dazu gehen auseinander.Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von 3. Oktober 2023

Ende Juni hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag zum digitalen Euro vorgelegt. So soll das Digitalgeld in Zukunft eine Alternative zu Kreditkarten und Bargeld sein.

Liest man den EU-Vorschlag, dann fällt vor allem eines auf: Auffällig oft betonen sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die EU-Kommission, dass Europas Bürgerinnen und Bürger auch künftig mit Münzen und Scheinen bezahlen können. Der digitale Euro sei nur eine Ergänzung und soll ausdrücklich nicht das Bargeld ersetzen.

Es geht nicht gegen das Vertrauen der Menschen

„Der Eintritt des Euro in das digitale Zeitalter ist ein wichtiges europäisches Projekt“, betonte Kommissarin Mairead McGuinness, zuständig für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion, bei der Vorstellung der EU-Pläne im Juni. „Ich bin mir sicher, dass ein digitaler Euro als Ergänzung zu Bargeld für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen in der gesamten EU von Vorteil sein wird“, so die Kommissarin weiter.

McGuinness betonte weiter, dass das alles nicht ohne das „Vertrauen der Menschen“ geht. Man stehe erst am Anfang eines „langen demokratischen Prozesses“, der in enger Abstimmung mit dem Europäischen Parlament, dem Rat und der EZB ablaufen soll. „Die Zentralbank wird entscheiden, ob und wann der digitale Euro eingeführt wird“, machte Mairead McGuinness deutlich.

Tatsächlich wird in diesem Monat von der EZB final entschieden, ob es einen digitalen Euro geben wird oder nicht. Sollte sich die Zentralbank für eine digitale Währung entscheiden, dann gibt es diese frühstens 2026. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass erst im Jahr 2028 mit der Einführung gerechnet werden kann.
Dass sich die EZB im Oktober für die Einführung eines digitalen Euros aussprechen wird, daran zweifelt im Moment kaum ein Experte. Schon seit 2021 wird in Europa am digitalen Euro gearbeitet. Damit reagiert die EU auf die Entwicklungen in Staaten wie China, Großbritannien, der Schweiz und Japan. Alle diese Staaten arbeiten im Moment ebenfalls an eigenen digitalen Zentralbankwährungen.

Die EZB begründet ihren Vorstoß damit, dass die Benutzung von Bargeld in den letzten Jahren immer weiter zurückgehe. Die fortschreitende Digitalisierung verändere auch das Zahlungsverhalten. Wie die Zentralbank auf ihrer Website schreibt, wäre der digitale Euro „eine elektronische Form von Bargeld für die digitalisierte Welt“. Mit ihm hätten Verbraucher die Möglichkeit, neben Banknoten und Münzen auch eine digitale Form von Zentralbankgeld zu nutzen.

Widerstandsfähig gegenüber Cyberangriffen

Das Digitalgeld würde nach Ansicht der EZB das Leben erleichtern. Als ein im gesamten Euroraum allgemein akzeptiertes digitales Zahlungsmittel, könnte der digitale Euro in Geschäften, online oder von Person zu Person verwendet werden. „Genau wie Bargeld wäre er risikofrei, weithin verfügbar und nutzerfreundlich, und die grundlegende Nutzung wäre kostenlos“, schreibt die EZB weiter.

Darüber hinaus würde ein digitaler Euro die strategische Autonomie und Währungshoheit Europas stärken, indem er die Effizienz des europäischen Zahlungsverkehrssystems insgesamt steigert, Innovationen fördert und die Widerstandsfähigkeit des Systems gegenüber Cyberangriffen oder technischen Störungen wie beispielsweise Stromausfällen erhöht.

Auf dem Blog der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG schreibt Nils A. Bothe, Partner und Finanzexperte bei KPMG, zu den gesellschaftlichen Vorteilen einer digitalen Währung:

„Die Einführung von digitalem Zentralbankgeld könnte eine entscheidende Veränderung in unserem täglichen Leben herbeiführen und den Weg zu einer bargeldlosen Gesellschaft öffnen. Diese Veränderung würde besonders stark in Sektoren wie dem Gastgewerbe und dem Einzelhandel zu spüren sein, da sich hier die tägliche Handhabung von Geld signifikant verändern könnte.“

Laut dem Finanzexperten ist vor allen der „einfach und kostengünstig gestaltete Zugang“ zu Konten positiv zu bewerten. So hätten auch sozial benachteiligte Gruppen, denen bisher der Zugang zu Konten verwehrt wird, eine Möglichkeit, auf Finanzdienstleistungen zuzugreifen. „Dies würde für ein inklusiveres Finanzsystem sprechen und eine breite Akzeptanz in der Gesellschaft fördern“, so Bothe.

Für Unternehmen könnten sich Verbesserungen ergeben

Auch sieht der Finanzexperte tiefgreifende Veränderungen für Unternehmen durch die Einführung eines digitalen Euros. Eine digitale Währung könnte die „Geschwindigkeit und Effizienz von Auslandsgeschäften in Fremdwährungen verbessern“. Wenn beide Unternehmen bei der Zahlungsabwicklung Digitalgeld verwenden, dann könnte der Zahlungsvorgang in Echtzeit abgewickelt werden und das Geld wäre sofort dem Konto des entsprechenden Unternehmens gutgeschrieben. „Eine Umrechnung in Fremdwährungen würde dann durch direkt geführte Konten bei den verschiedenen Zentralbanken entfallen“, betont Bothe. Darüber hinaus könnte eine digitale Währung zu erheblichen Kosteneinsparungen führen, indem Banken als Vermittler entfallen und direkte Zahlungen ermöglicht werden. Dieser Vorteil wäre laut dem Finanzexperten insbesondere bei grenzüberschreitenden Transaktionen von Bedeutung, bei denen die Einführung von Digitalgeld zu „deutlichen Verbesserungen hinsichtlich Transaktionsdauer und -kosten“ führen könnte.

Aber auch für Verbraucher sehen Befürworter große Vorteile durch die Einführung eines digitalen Euros. Heute sind es vor allem ausländische Zahlungsanbieter wie ApplePay, GooglePay und PayPal, die ein mobiles Payment anbieten. Mit dem digitalen Euro würde ein allgemein akzeptiertes Zahlungsmittel entstehen, das Verbraucher in Geschäften, aber auch bei Zahlungen untereinander kostenfrei benutzen könnten. „Die Menschen hätten dann die Möglichkeit, auch für digitale Zahlungen ein öffentliches Zahlungsmittel zu verwenden“, schreibt die EZB auf ihrer Website.

Auch der Handel würde laut EZB von einem digitalen Euro profitieren. Das Digitalgeld wäre eine „einfachere und kostengünstigere Alternative zur derzeitigen fragmentierten Zahlungslandschaft“. „Der digitale Euro würde die Verhandlungsposition des Handels gegenüber den Anbietern von Zahlungslösungen stärken und ihn dadurch finanziell entlasten“, schreibt die EZB. Das heißt: Während für den Handel heute beispielsweise Gebühren zwischen ein und drei Prozent anfallen, wenn der Kunde mit einer Kreditkarte bezahlt, würden mit dem Digitalgeld diese Gebühren entfallen. Diese Kostensenkungen, so hofft die Europäische Zentralbank, könnten dann an die Kunden weitergegeben werden. Dieser kann so auf Preissenkungen hoffen. Ob diese allerdings am Ende wirklich eintreten, das müsste man hinterfragen.

Ein Beispiel dafür, dass Kostensenkungen nicht unbedingt an den Verbraucher weitergegeben werden, ist die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen von 19 auf sieben Prozent im Jahr 2011. Es war damals die FDP in der schwarz-gelben Koalition, die diese Steuersenkung durchgesetzt hatte. Für den Gast änderte sich aber damals bei den Zimmerpreisen nichts. Auch wurden die Mehreinnahmen des Hoteliers durch eine Steuerabsenkung nicht, wie ursprünglich von den Befürwortern der Steuersenkung gehofft, in die Modernisierung der Häuser investiert. Es blieb am Ende ein Steuergeschenk an die Hoteliers. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass auch die Kostensenkung durch einen digitalen Euro nicht unbedingt beim Kunden ankommt.

Geldströme und Zahlungen wären nachvollziehbar

Kritiker sehen die Einführung eines digitalen Euros aber aus anderen Gründen sehr skeptisch. Denn wenn es nach der Kommission geht, sind Zahlungen mit dem digitalen Euro im Nachhinein nachvollziehbar. Er bietet damit keinen ausreichenden Schutz der Privatsphäre, warnen Experten.

Wie der Vorschlag der EU-Kommission aus dem Juni vorsieht, soll es eine Obergrenze dafür geben, wie viele digitale Euros eine einzelne Person besitzen darf. Im Gespräch ist eine Grenze, die bei 3.000 Euro liegen soll. Damit will die EU verhindern, dass das Zahlungsmittel als Geldanlage oder für groß angelegte Schwarzgeschäfte verwendet wird. Im Gegensatz zu Kryptowährungen sollen Zahlungen nicht dezentral, sondern zentral über ein System der EZB abgewickelt werden. Die EZB soll aber keinen Zugriff auf Transaktionsdaten erhalten.

Der digitale Euro erfordert aber ein Konto bei einem Zahlungsdienst. Die EU plant dafür die Einführung einer sogenannten digitalen Brieftasche. Eine anonyme Verwendung eines Kontos soll es nicht geben. Genau das sehen Datenschützer kritisch. Wenn man über die Konten die Nutzer identifizieren kann, dann kann man möglicherweise auch die Zahlungen und Geldströme nachverfolgen. Auch wenn die Kommission in ihrem Vorschlag den Zugriff auf die Transaktionsdaten ausschließt, könnte dieser rein technisch zu einem späteren Zeitpunkt doch erfolgen.

Experten und Datenschützer sprachen sich deshalb für einen digitalen Euro auf Basis von Tokens aus. Bei diesen erfolgt der Nachweis der Inhaberschaft des Geldes über einen privaten Schlüssel. Dieses System könne die Anonymität der Zahlung sicherstellen.

Dass der digitale Euro nicht so anonym ist wie Bargeld, das wird selbst von Notenbankern zugegeben. Der digitale Euro werde ein „möglichst großes Maß an Privatsphäre garantieren“, hatte im April EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panettain in einem Interview versichert. Aber das bedeute nicht, dass das Zahlungsmittel „gleich privat sein werde wie Bargeld“.

Erheblicher Nachholbedarf beim Thema Privatsphäre

Anna Martin vom europäischen Verbraucherverband BEUC sagt gegenüber der Onlineplattform „Table Europe“, es gäbe noch „erheblichen Nachholbedarf“ beim Thema Privatsphäre. Was online mit dem digitalen Euro bezahlt werde, erscheint im eigenen Konto und wäre damit grundsätzlich nachverfolgbar. Damit bestehe kein Unterschied zu anderen digitalen Zahlungsformen. Zumindest für niedrige Beträge sollte „Privatsphäre für Zahlungen mit dem digitalen Euro für Verbraucher auch online möglich sein“, fordert Martin.

Das sieht auch der europäische Datenausschuss so. In einer gemeinsamen Stellungnahme forderte er schon im vergangenen Jahr, dass Zahlungen zumindest unter einem gewissen Schwellenwert komplett anonym sein sollen.

Die Zahlung mit dem digitalen Euro soll nicht nur online, sondern auch offline möglich sein. Dabei soll dann von Gerät zu Gerät bezahlt werden können. Dadurch sollen Zahlungen zwischen Privatpersonen ermöglicht werden. Diese Funktion ähnelt der Zahlung mit Bargeld. Nicht ausgeschlossen, dass die Offlinezahlung mit dem digitalen Euro das Bargeld langfristig verdrängen könnte.

Diese Transaktionen könnten aber womöglich auch nachvollziehbar sein. Zumindest äußert diese Befürchtung der unabhängige Forscher Lukasz Olejnik auf seinem Blog. „Es gibt nur wenige Kryptowährungen, die so etwas wie nicht zurückverfolgbare Transaktionen auf der Grundlage des kryptografischen Prinzips des Zero-Knowledge-Proofs bieten. In dem Entwurf wird nichts in diese Richtung vorgeschlagen.“

Der Forscher warnt daher davor, dass der vorgelegte Kommissionsvorschlag die Speicherung von Details zu Offlinezahlungen lokal auf dem Gerät ermögliche. „Diese Information kann dann von Behörden angefordert werden“. Damit sei das digitale Zahlungsmittel nicht so privat wie Bargeld.

EU-Kommission wiegelt ab

Die EU-Kommission schließt allerdings den Zugriff auf die Daten aus. „Der Zugriff auf Ihre personenbezogenen Daten und deren Verarbeitung erfolgt hauptsächlich durch die Bank oder den Zahlungsdienstleister, bei dem Sie ein digitales Euro-Konto führen“, erläutert die Kommission in einer Frage-Antwort-Liste zu dem Verordnungsvorschlag. „Wie bereits heute bei privaten Zahlungskonten benötigt Ihre Bank Zugriff auf Ihre persönlichen Daten, um Ihr Zahlungskonto zu verwalten, Zahlungen durchzuführen und Betrug und Geldwäsche vorzubeugen.“

Bei der Offlinenutzung des digitalen Euro soll die eigene Bank nur „den gleichen Datenumfang sehen wie bei der Verwendung von Bargeld“. Sie wüsste also, wenn jemand digitale Euros auf ein zugehöriges Konto einzahlt oder abhebt beziehungsweise sie in ein lokales Speichergerät nebst digitaler Geldbörse lädt oder etwas davon abzweigt. Dieses „hohe Maß an Privatsphäre ist dasselbe wie beim Abheben von Banknoten an Geldautomaten“, erklärt die Kommission. Was Nutzer konkret kaufen, wohin Zahlungen gehen sowie andere Details zu Transaktionen blieben der Bank verborgen.

Ob die Kritiker am Ende recht behalten, hängt vor allem von der endgültigen Verordnung für den digitalen Euro und den entsprechenden Begleitgesetzen ab. Erst mal existiert nur ein Vorschlag der EU-Kommission. EU-Parlament und der Rat der EU-Staaten müssen nun eigene Positionen zum Vorschlag beschließen. Anschließend muss über den anschließenden Text verhandelt werden. Wie viel Privatsphäre der digitale Euro tatsächlich haben wird, das entscheidet sich dann. Vermutlich aber nicht mehr vor der Europawahl 2024.



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