Wohnen und Immobilien im Jahr 2023: Ein Pulverfass?

Faktisch handelt es sich bei der Grundsteuer um eine Vermögenssteuer, die nicht an die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers angelehnt ist. Egal ob Millionär oder arme Rentnerin, einkommensschwacher Student oder belastete Alleinerziehende: sie alle werden unabhängig von ihrem Geldbeutel die ihnen auferlegte Grundsteuer entrichten müssen. Eine Analyse.
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Wohnung gesucht.Foto: iStock
Von 12. Januar 2023

Das neue Jahr startet im Zeichen des Themas Wohnen und Immobilien. Wer sich als Eigentümer einer Immobilie bislang noch davor gedrückt hat, dem sitzt die Frist zur Abgabe der Grundsteuererklärung bis Ende Januar im Nacken. Denn hier soll reformiert werden.

In einem Land, das in den letzten sieben Jahren jährlich die Bevölkerungsstärke einer mittleren bis Großstadt aufgenommen hat, hat das Thema Wohnen eine völlig neue Bedeutung erlangt. Die, die als Mieter auf Wohnungssuche sind, finden keinen Wohnraum mehr und die, die Eigentümer sind, sehen ihre Möglichkeiten, angesichts explodierender Energiekosten, energetischem Sanierungszwang, Enteignungsdiskussionen, Mietpreisbremsen und einem Mietrecht, das sich fast ausschließlich an den Interessen von Mietern orientiert, schwinden.

Aber der Reihe nach. Welche Herausforderungen kommen im neuen Jahr das Thema ‚Wohnen‘ und ‚Immobilieneigentum‘ betreffend tatsächlich auf uns zu?

Die Grundsteuerreform: ein keineswegs ‚aufkommensneutrales‘ Bürokratiemonster

Ab dem 01.01.2025 müssen für rund 24 Millionen Wohn- und 12 Millionen Gewerbeimmobilien neue Grundsteuerbescheide erlassen werden. Um die reformierte Grundsteuer eintreiben zu können, müssen all diese bis zum 31.12.2024 neu bewertet worden sein.

Die Finanzämter, die ohnehin kaum mit den ihr obliegenden steuerrelevanten Tätigkeiten hinterherzukommen scheinen, sind restlos überfordert. Und trotz der Fristverlängerung zur Abgabe der Grundsteuererklärung bis Ende Januar, liegt ein Großteil dieser noch nicht vor. Und das trotz der angekündigten Bußgeldverhängung von bis zu 25.000 €, die jedem Immobilienbesitzer blüht, der seine Unterlagen nicht fristgerecht abzugeben gedenkt.

Dank der Öffnungsklausel bei der Grundsteuer liegen mittlerweile verschiedene Modelle zur Grundsteuerberechnung in den 16 Bundesländern vor. Und eines lässt sich klar erkennen: die unterschiedlichen Modelle wie das Flächenfaktormodell (z.B. Bayern), das Bundesmodell (z.B. Sachsen) und das Bodenwertmodell (Baden-Württemberg) sind erstaunlich unsolidarisch.

Faktisch handelt es sich bei der Grundsteuer um eine Vermögenssteuer, die allerdings nicht an die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers angelehnt ist. Egal ob man Millionär oder arme Rentnerin, einkommensschwacher Student oder belastete Alleinerziehende ist: sie alle werden unabhängig von ihren finanziellen Rahmenbedingungen die ihnen auferlegte Grundsteuer entrichten müssen.

Aus den ersten Bundesländern sickert jetzt schon durch, dass die Grundsteuerreform auf jeden Fall teurer werden wird. Für alle, die sich mühsam ein Häuschen oder eine Wohnung erspart haben und in Zeiten von explodierenden Energie- und Lebenshaltungskosten: eine bittere Pille. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Reform ja laut Bundesverfassungsgericht ‚aufkommensneutral‘ sein und zu einer ‚Entbürokratisierung‘ führen sollte.

Erben und verschenken: hier wird es richtig teuer

Mit der geplanten Verschärfung der Wertermittlung von Immobilien im Jahressteuergesetz für 2023 könnten es für viele zukünftige Immobilienbesitzer richtig teuer werden. Dementsprechend hatten Notare vor dem Jahreswechsel mit Übertragungen und Schenkungen viel zu tun. Denn wer möchte schon dabei zusehen, wenn sich die eigenen Kinder die Erbschaftssteuer für die zu erbende, aus versteuertem Einkommen bezahlte Immobilie, aufgrund der Neubewertung nicht mehr leisten können?

Nach einer Gesetzesänderung, die am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, muss der genaue Verkehrswert der Immobilie im Fall einer Erbschaft oder Schenkung neu berechnet werden. Besonders bei Immobilien in Top-Lagen dürfte das für viele Erben aufgrund der gestiegenen Immobilienwerte bei gleichgebliebenen Erbschaftsfreibeträgen zum finanziell kaum zu bewältigenden Problem werden.

Wer sich eine höhere Erbschaftssteuer nicht leisten kann, muss verkaufen. Und muss diese, wenn es sich um ein Mehrfamilienhaus handelt, womöglich an Spekulanten verkaufen – sowohl für Erben als auch Mieter eine unschöne und ungerechte Vorstellung. Die Erbschaftsteuerfreibeträge wurden seit 2009 nicht mehr erhöht. Zugleich haben sich die Immobilienpreise seitdem, insbesondere in Ballungsräumen, nahezu verdoppelt.

Für die Länder lohnt sich die Reform so oder so. Von der Erbschaft- und Schenkungsteuer fielen laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 11,1 Milliarden Euro an.

Die Baukonjunktur: Delle mit Ansage

Als Bundesbauministerin Geywitz im vergangenen Jahr das ‚Bündnis bezahlbarer Wohnraum‘ ins Leben rief, wurde die Zielsetzung ausgesprochen, jährlich 400.000 Wohnungen zu schaffen. Kostengünstiges Bauen, Eigenheimförderung, und die Förderung sozialen Wohnungsbaus standen im Mittelpunkt.

Eine gute, wie wichtige Initiative, da die Bundesregierung seit 2015 mit ihrer Migrationspolitik etwa 4 Millionen Menschen den Zuzug nach Deutschland ermöglicht hat, der unweigerlich für eine Verschärfung des Wohnungsmarkts gesorgt hat.

Die Realität allerdings steht der Umsetzung der Bündnisforderungen nach bezahlbarem Wohnraum faktisch diametral entgegen. Und das maßgeblich politisch bedingt. Nicht nur, dass die Fertigstellungen von Wohnungen im Jahr 2022 mit ca. 280.000 noch unter den Wert von 2019 gefallen sind: 2023 wird sich dieser Negativtrend aller Voraussicht nach deutlich nach unten fortsetzen. Die toxische Mischung aus Corona, Ukraine-Krieg und Inflation sorgt zum einen für steigende Preise, gestörte Lieferketten, Investitionsunsicherheit und Zinsanstieg.

Auf der anderen Seite sorgen die Parameter des ‚Green Deals‘ der EU und der Zielsetzung von Klimaneutralität als alles überzuordnendem Selbstverpflichtungsziel in Zeiten höchster wirtschaftlicher Anspannung zusätzlich als Preistreiber und Fertigstellungsverhinderer. Die angestrebten 43 Prozent, die im Gebäudesektor an CO2-Reduktion bis 2030 realisiert werden sollen, vertragen sich schlecht mit schnellem und günstigem Bauen.

Dazu kommen die Verringerung und Verzögerung bei der KfW-Neubauförderung, überforderte Bauämter und langwierige Genehmigungsverfahren, die das Chaos perfekt machen.

Wenn man dann die Worte von Kanzler Olaf Scholz hört, der einen zeitnahen Anstieg der Bevölkerungszahl auf 90 Millionen durch Migration für ‚plausibel‘ hält und dazu noch die Worte von Bundesbauministerin Geywitz auf sich wirken lässt, es sei „unsinnig“, wenn jede Generation ihre eigenen Häuser baue, sieht man, dass zwischen politischen Treibern für Wohnraumbedarf und angebotenen Lösungen ein immer größeres, teils ideologisch bedingtes Delta dabei ist, zu entstehen. Und das birgt gesellschaftlichen Sprengstoff.

Mieter als Pfand in einem unerbittlichen Markt

Die Verknappung und Verteuerung der Ressource Wohnraum wird sich auch 2023 noch maßgeblich weiter verschärfen. Mit der Einführung des neuen Bürgergelds mit Beginn dieses Jahres steht einem wachsenden Empfängerkreis (in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs ohne Prüfung auf Angemessenheit) die Übernahme von Wohn- inkl. Nebenkosten zu, die sich arbeitende Bürger oft gar nicht mehr selbst leisten können.

Alle, im Zuge der sich dramatisch verteuernden Energiekosten, politisch ausgesprochenen Appelle an die Bürger, Energie zu sparen, treffen bei denjenigen, deren Nebenkosten vom Amt übernommen werden, sehr wahrscheinlich auf taube Ohren, da sie diese gar nicht selbst begleichen müssen.

In Zeiten von explodierenden Heiz- und Stromkosten wird so eine Zweiklassengesellschaft gebildet, zwischen denen, die weiterhin aus eigener Kraft versuchen, ihre Lebenshaltungskosten zu bestreiten und denen, die sich bereits in die fürsorglich-versorgenden Hände des Staates begeben haben: Tendenz steigend.

Für die Bürger, deren Wohnkosten nicht vom Staat getragen werden, wird es in diesem Jahr noch schwerer, die Kosten für Wohnen zu bestreiten. Und vor allem: umzuziehen. Wer sich aufgrund des weiterhin ungebremsten Zuzugs nach Deutschland in Konkurrenz von Menschen gebracht sieht, die ihre Wohnkosten nicht persönlich tragen müssen, lebt im unfairen Wettbewerb.

Mieter vs. Vermieter

Politisch wird diese Situation oftmals genutzt, um noch mehr Polemik gegen Vermieter zu verbreiten. Wer Wohnraum vermietet, sieht sich mittlerweile in der Rolle des bösen Kapitalisten verortet, der dem ‚Menschenrecht auf Wohnen‘ im Weg steht.

Dass es sich aber um eklatantes, sozialpolitisches Versagen handelt, über Jahre den sozialen Wohnungsbau vernachlässigt zu haben, ungeregelte Migration in Millionenstärke ermöglicht und gleichzeitig Vermieter mit energiepolitischen Vorgaben und Mehrausgaben belastet zu haben, scheint wenigen aufzufallen. Da helfen auch Enteignungsfantasien, wie die des Berliner Volksentscheids zur ‚Vergesellschaftlichung großer Wohnungsbauunternehmen‘ nicht.

Jede Wohnung kann nur einmal vermietet werden – wo es zu wenige Wohnungen gibt, helfen auch Expertenkommissionen nicht, die in ihren Berichten zum Ergebnis kommen, dass es durch eine Verfassungsänderung sehr wohl möglich gemacht werden könnte, große Wohnungsbestände unter Verkehrswertzahlung enteignen zu können.

Das Thema Mieten und Vermieten verspricht daher auch in diesem Jahr ein gefundenes Fressen für Politikmanöver zu werden, um von den tatsächlichen Ursachen der deutschen Wohnungsnot abzulenken.

Die Leidtragenden werden beide Seiten sein: Mieter, wie Vermieter.

Der Sachwert Immobilie hat zunächst das Ende der Fahnenstange erreicht

Seit der Finanzkrise 2008 gab es einen nie dagewesenen Run auf die Immobilie als Investitionssachwert. Niedrige Zinsen, ein Nachholbedarf in der Preisentwicklung und positive, wirtschaftliche Kennzahlen ließen den Markt florieren.

Auch wenn die großen Immobilienverbände und Maklerhäuser dies noch sehr verhalten kommentieren wollen: the Party is – erst mal – over. Für alle Beteiligten.

Die Hypothekenzinsen haben sich innerhalb eines Jahres vervierfacht. Die Baukosten sind nicht nur gemäß dem Baupreisindex innerhalb der letzten zehn Jahre um ca. 29 Prozent gestiegen: laut Prognosen wie der der Wirtschaftsberatung PwC werden sie aufgrund der nach wie vor disruptiven Lieferkettensituation – in Verbindung mit dem Personal verteuernden Fachkräftemangel im Baugewerbe und der regulatorischen Rahmenbedingungen wie der EU-Taxonomie-Verordnung – innerhalb der nächsten zwei Jahre um weitere 20 Prozent steigen.

Gleichzeitig sind die psychologischen Auswirkungen einer eingetrübten Konjunktur jetzt ganz deutlich am Marktgeschehen der Immobilienverkäufe abzulesen. Verkäufer, die in den vergangenen Jahren noch bessere Preise abwarten wollten, werfen jetzt in Erwartung sinkender Preise ihre Objekte auf den Markt.

Käufer hingegen sind abgeschreckt von steigenden Zinsen und halten krisenbedingt ihr Geld fest. Die Auswirkungen sind nun an einem deutlichen Objektüberhang, steigender Vermarktungsdauer und sinkenden Verkaufspreisen abzulesen.

Gewerbeimmobilien und Hypothekenzinsen

Und dies gilt nicht nur für private Immobilientransaktionen. In den letzten drei Jahren seit Pandemiebeginn haben etwa 41.000 Geschäfte in Deutschland geschlossen. Zahlreiche Ladenlokale in Innenstadt- wie Randlagen bleiben leer stehen, da die Margen des Einzelhandels nun durch die steigenden Energiepreise existentiell bedroht werden. Das tangiert die Vermietbarkeit von Gewerbeimmobilien.

Bei Investitionsobjekten mit wohnwirtschaftlicher Nutzung ergeben verschiedene Faktoren eine rückläufige Entwicklung, die Investoren abschreckt und in die Warteposition mit Blick auf Neuinvestitionen bringt. Zum einen wird bislang wird unverändert zu Höchstpreisen mit nur geringen Abschlägen angeboten, zum anderen schüren steigende Energiepreise und renditebedrohenden Faktoren politischer Einflussnahme wie der Zwang zu energetischer Sanierungszwang aus dem Gebäudeenergiegesetz, die Neuberechnung und zukünftig fragliche Umlegbarkeit der Grundsteuer, ein wachsender Mieterschutz und staatliche Eingriffe in das Eigentumsrecht potenzielle Käufer ab. Die in den vergangenen 14 Jahren sich entfaltete Dynamik des Immobilienmarkts ist mit dem zweiten Halbjahr 2022 spürbar abgeebbt und wird sich 2023 voraussichtlich erst einmal so weiter fortsetzen.

Die in den vergangenen 14 Jahren sich entfaltete Dynamik des Immobilienmarkts ist mit dem zweiten Halbjahr 2022 spürbar abgeebbt und wird sich 2023 voraussichtlich erst einmal so weiter fortsetzen.

Denn: die Parameter eines Investitionsklimas sind eben eine Mischung aus politischen, wirtschaftlichen und persönlichen Rahmenbedingungen. Und eben diese vermitteln derzeit nur eingeschränkten Optimismus. Die weitere Entwicklung, insbesondere auch des Zinsniveaus, wird mit darüber entscheiden, wie viele Immobilienbesitzer sich in diesem Jahr mit Auslaufen ihrer Finanzierung eine Anschlussfinanzierung werden leisten können.

Bei insgesamt stark angestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Möglichkeiten vieler begrenzt, monatlich mehr für die Finanzierung ihrer Immobilie aufzuwenden. Nach einer Umfrage der Vermarktungsplattform ImmScout24 fürchten 48 Prozent der deutschen Immobilienbesitzer um ihre Anschlussfinanzierung und um die Frage, ob sie sich die eigene Immobilie noch leisten können. Bei gleichbleibend hohen Hypothekenzinsen könnte durch nicht realisierbare Anschlussfinanzierungen eine zusätzliche Objektschwemme an den Markt kommen, die wiederum die Preise weiter sinken lassen könnte.

Sprungbrett oder Rohrkrepierer?

Wie geht es weiter mit dem Thema Wohnen und Immobilien 2023? Die beste Empfehlung in unsicheren Zeiten lautet: Ruhe bewahren und aufmerksam bleiben. Das Thema Wohnen betrifft uns alle. Statt Kurzschlusshandlungen sollten mit Blick auf das eigene Eigentum die langfristigen Möglichkeiten in den Fokus rücken.

Der Zenith für lukrative Verkaufsoptionen ist zwar erst einmal überschritten, trotzdem stellt der sich jetzt abzeichnende Preisrückgang den ersten nennenswerten seit zwölf Jahren dar. Wer verkaufen muss, wird immer noch sehr ordentliche Preise erzielen, wer anzukaufen plant, kann auf attraktive Angebote hoffen.

Mieter und Vermieter sollten sich durch defizitäre, populistische Politikmanöver nicht auseinanderdividieren oder gegeneinander aufhetzen lassen. Vernünftige Lösungen sind im Dialog oft besser zu finden, als in der Anwendung des Mietrechts.

Die zusehends überbordende Regulation und Besteuerung in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen politisch eher für Ent- statt für Anspannung beim Thema Wohnen gesorgt werden sollte, dürfen uns beunruhigen. Und sind Auftrag, uns als Bürger demokratisch gegen das zu positionieren, was uns fehlerhaft erscheint.

Zum Autor

Silke Schröder war unter anderem als Personalleiterin für Deutschlands größtes Universalmaklerhaus tätig, bevor sie ihr eigenes Unternehmen Primobilia in Berlin gründete, das sich auf die Immobilienberatung von Privat- wie Geschäftskunden konzentriert. Darüber hinaus ist sie die Gastgeberin der Talkshow ‚Politicum‘ bei TV Berlin. Weitere Informationen: www.primobilia.de



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