Angst vor Lohn-Preis-Spirale: Heizen Tariferhöhungen die Inflation an?

Gewerkschaften fordern im Moment ein sattes Lohnplus als Inflationsausgleich. Ökonomen warnen vor einer Lohn-Preis-Spirale. Heizen Tariferhöhungen tatsächlich die Inflation an?
Angst vor Lohn-Preis-Spirale: Heizen Tariferhöhungen die Inflation an?
Gewerkschaften fordern im Moment ein sattes Lohnplus als Inflationsausgleich.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 13. März 2023

Der ehemalige Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank, Ottmar Issing, warnt vor einem Inflationsschock, wenn die EZB die Inflation nicht endlich in den Griff bekommt. Er zeigt sich besorgt über die aktuellen Entwicklungen der Inflation im Euroraum. Issing sieht die Währungshüter um EZB-Präsidentin Christine Lagarde dafür verantwortlich, nicht rechtzeitig reagiert zu haben.

Seiner Meinung nach steckt hinter dem aktuellen Inflationsschock deutlich mehr als nur der Anstieg der Energiepreise infolge des Ukraine-Krieges. Er geht davon aus, dass der nächste Schub von einer Lohn-Preis-Spirale ausgehen könnte.

Im Interview mit der Wirtschaftsnachrichtenagentur „Bloomberg“ sagte der 86-jährige ehemalige Notenbanker: „Ich erwarte, dass es zu Lohnsteigerungen kommen wird, die neue Inflationsschocks auslösen werden.“ Frühzeitiges Handeln sei der beste Ansatz, sagt Issing weiter. „Das hat die EZB weit verfehlt.“

Hinter der Inflation steht mehr als der Ukraine-Krieg

Issing verweist weiter in seinem Interview darauf, dass hinter der Inflation mehr steht als nur der Krieg in der Ukraine. „Die Inflation war bereits im Gange, bevor sie durch den Krieg verschärft wurde“, sagt der ehemalige EZB-Notenbanker. „Ich habe nie verstanden, warum die EZB die anziehende Inflation so lange ignoriert hat“.

Die sogenannte „Lohn-Preis-Spirale“ steht im Zusammenhang mit der Inflation wie ein Gespenst im Raum. Die Gewerkschaften machen gerade Druck. Bei der Post bleiben Briefe und Pakete liegen. An Flughäfen wird gestreikt. In vielen Städten stehen Busse und Bahnen still. Mit weiteren Arbeitsniederlegungen – auch in anderen Bereichen – ist zu rechnen.

Mehr Geld als Inflationsausgleich

In den gerade laufenden Tarifverhandlungen geht es den Gewerkschaften um eines: Die Beschäftigten sollen mehr Geld in der Tasche haben. Begründet wird das mit der Inflation, die die Lebenshaltung für alle teurer gemacht hat. Wenn immer mehr Geld für Lebensmittel und für Energie ausgegeben werden muss, wenn Dienstleistungen deutlich teurer werden, dann bleibt für viele Menschen am Ende des Monats kaum noch etwas übrig, um anderweitig zu konsumieren.

Gerade erst hat eine Umfrage der Postbank ermittelt, dass sich in Deutschland jeder Sechste durch die Teuerung in einer existenziellen Notlage befindet. Sie können aufgrund der gestiegenen Preise kaum noch ihre Lebenshaltungskosten stemmen.

Lohnerhöhungen sollen daher das Mittel gegen diese Notlage sein. Bei der Post beispielsweise werden deshalb von den Gewerkschaften Tarifsteigerungen von 15 Prozent gefordert. Die Beschäftigten beim Bund und bei den Kommunen sollen nach dem Willen der Gewerkschaft eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent erhalten.

Bei der Post ist gerade am Wochenende eine Einigung erzielt worden. Die Deutsche Post und die Gewerkschaft Verdi haben sich auf einen neuen Tarifvertrag für die 160.000 Beschäftigten des Logistikkonzerns geeinigt. Dies teilten die Tarifparteien laut „Welt“ am Samstag mit.

Alle Beschäftigten erhalten demnach ab dem 1. April monatlich 340 Euro mehr im Monat. Dies bedeutet laut Post eine durchschnittliche Lohnerhöhung um 11,5 Prozent. Hinzu kommt eine Sonderzahlung von insgesamt 3.000 Euro über 15 Monate. Die Laufzeit des neuen Tarifvertrags beträgt insgesamt 24 Monate.

Lohnerhöhungen wie diese sollen zur Stabilisierung der Kaufkraft beitragen. Schon im November machte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi deutlich, warum Lohnerhöhungen aus Gewerkschaftssicht unumgänglich sind:

Kräftige Lohn- und Gehaltszuwächse sind das beste Mittel gegen steigende Lebenshaltungskosten. Wir brauchen daher eine Stabilisierung der Reallöhne.“

Sinken die Reallöhne, so sinkt auch die Kaufkraft. Produzierte Waren werden nicht im bisherigen Umfang gekauft. Das führt zu Umsatzeinbrüchen bei den Unternehmen. „Löhne zu stabilisieren, ist daher aus volkswirtschaftlicher Perspektive sehr sinnvoll – gerade jetzt, wo ein wirtschaftlicher Abschwung aufgrund einer einbrechenden Konsumnachfrage droht“, hieß es daher im November im DGB-Positionspapier.

Unternehmen geben Lohnerhöhungen an Kunden weiter

Allerdings ist diese Sicht nur eine Seite der Medaille. Ein Problem wird in der Sichtweise der Gewerkschaften übersehen: Wirtschaftsexperten verweisen immer wieder darauf, dass auch Unternehmen die Preiserhöhungen der letzten Wochen schultern müssen. Diese wurden schon jetzt an die Kunden weitergegeben.

Kommen nun noch exorbitante Lohnabschlüsse dazu, werden auch diese wieder an die Verbraucher weitergegeben. Diese werden für Produkte und Dienstleistungen abermals tiefer in die Tasche greifen müssen. Die Folge: Trotz Lohnerhöhung wird das Einkommen trotzdem wieder weniger wert.

Gewerkschaften werden dann bei den kommenden Tarifverhandlungen vermutlich abermals große Lohnerhöhungen fordern. Es entsteht ein Teufelskreis aus Lohnerhöhung und Preiserhöhung, der am Ende die Inflation immer mehr befeuert.

Produktionssteigerung statt Lohnerhöhungen

Schon im vergangenen Jahr warnte daher der Chefökonom der Deutschen Industriebank (IKB), Klaus Bauknecht, in der „Wirtschaftswoche“ vor diesem Phänomen. Nach seiner Ansicht müssten sich die Arbeitnehmer in Lohnzurückhaltung üben und so die Hauptlast der Preisstabilisierung tragen, sofern es in den nächsten Jahren nicht zu einem Anstieg der Produktivität kommt.

„Unterbrochen wird dieser Kreislauf (Lohn-Preis-Spirale – Anm. der Red.) nur durch eine sich abschwächende Nachfrage, die Margendruck und steigende Arbeitslosigkeit erzeugt und dadurch keinen Raum mehr für Preis- und Lohnerhöhungen lässt“. Diese Situation führe, so der IKB-Chefökonom, schließlich zu einer sinkenden Kaufkraft der Menschen.

Dem könne dann nur durch Produktivitätssteigerungen entgegengewirkt werden. Eine erhöhte Produktivität würde die höheren Löhne abfedern und so einen Anstieg der Lohnstückkosten verhindern. Dafür müssten die Unternehmen aber – was momentan nicht absehbar ist – mehr investieren. Daher tragen die Arbeitnehmer die „Hauptlast der Preisstabilisierung“ und somit die Kosten der Lohn-Preis-Spirale.

Spirale schwer zu stoppen

Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, warnte vor einem Jahr gegenüber „ZDFheute“ vor einer „Lohn-Preis-Spirale“. Je länger die Inflation anhalte, umso stärker seien die Gewerkschaften dann darauf bedacht, dass es für ihre Beschäftigten einen Lohnausgleich für die Inflation gäbe. Damit steige das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale.

Immer wieder, so auch Krämer, verweisen die Mahner auf die Entwicklungen Mitte der 1970er-Jahren. Genau dort gab es genau das befürchtete Phänomen. Krämer erläutert die damaligen Vorgänge so:

Wir hatten das Mitte der 1970er-Jahre. Da hatte der Öffentliche Dienst einen sehr, sehr hohen Lohnabschluss oberhalb der Inflationsrate, so dass die Löhne die Preise weiter nach oben getrieben haben. Damals sprach man von einer Lohn-Preis-Spirale.“

Ist so eine Spirale erst einmal in Gang geraten, dann wird es laut Krämer schwierig, diese wieder einzufangen. „Damals musste die Zentralbank die Leitzinsen phasenweise bis auf 20 Prozent steigen lassen“, so Krämer. Dazu dürfe es heute auf keinen Fall kommen.

Anfang Februar hat auch EZB-Vizepräsident Luis de Guindos gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ vor so einer Spirale gewarnt. Lohnsteigerungen könnten kein Mittel gegen die Inflation sein, sagte der Notenbanker damals. „Es darf keine Lohn-Preis-Spirale entstehen. Da müssen wir aufpassen“, so Luis de Guindos.

Keine Anzeichen, dass höhere Löhne stabilitätsgefährdend sind

Allerdings sehen nicht alle Ökonomen im Moment die Lohn-Preis-Spirale als ein realistisches Szenario an. „In Deutschland ist nicht zu erkennen, dass die Löhne so beschleunigen, dass das stabilitätsgefährdend wäre“, sagte Sebastian Dullien Mitte Februar gegenüber der „Deutschen Welle“. Dullien ist Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Es komme nicht auf die Lohnforderungen an, die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen stellen, sondern auf das Endergebnis.

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden legte gerade erst Anfang März seine Zahlen für die Lohnentwicklung im Jahr 2022 vor. So sind die Löhne im vergangenen Jahr im Durchschnitt zwar um 3,4 Prozent gestiegen. Allerdings hat die deutlich höhere Inflation die Anstiege mehr als aufgefressen. Unter dem Strich schlägt daher ein Reallohnverlust von über vier Prozent zu Buche. Das ist der dritte Reallohnverlust in Folge.

Daher gibt es auch Experten, die einen moderaten Lohnanstieg für vertretbar halten. So sieht der Chefvolkswirt der ING Deutschland, Carsten Brzeski, zwar eine „kleine Lohn-Preis-Spirale“ kommen. Allerdings stellt das aus seiner Sicht kein Problem dar.

Im Gegenteil, wie er gegenüber der „Deutschen Welle“ sagt: „Das ist gut so. Denn wir haben in Deutschland in den letzten drei Jahren hintereinander sinkende Reallöhne gehabt. Die Kaufkraft wird immer schwächer. Von daher ist jetzt auch ein Anstieg der Löhne gut, der weitergeht als die Inflationsrate.“

Arbeitnehmer in exzellenter Verhandlungsposition

Allerdings können das nur alles Momentaufnahmen sein und vieles wird davon abhängen, wie die Gewerkschaften in Zukunft reagieren werden.

„Die Lohnforderungen werden dafür sorgen, dass die Inflation wieder hochgeht“, prognostiziert Reint Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) im „Handelsblatt“. Weil Arbeitskräfte in vielen Bereichen knapp seien, befänden sich die Arbeitnehmer in einer exzellenten Verhandlungsposition.



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