Autobauer unter Druck: Weniger CO2, mehr Diesel-Fahrverbote

Die Autobauer sind über ihre Lobby eng mit der Politik vernetzt, in Brüssel wie Berlin. Schärfere Klimaschutzregeln und neue Unsicherheit beim Diesel bringen sie aus Sicht von Kritikern gleich von zwei Seiten in Zugzwang. Was bedeutet das für Verbraucher und Konzerne?
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Der Druck auf die Autoindustrie steigt: Sie sollen den CO2-Ausstoß ihrer Modelle senken und schmutzige Diesel nachrüsten.Foto: Paul Zinken/dpa
Epoch Times10. Oktober 2018

Die Autoindustrie gerät wegen verschärfter Klimaschutzvorgaben in Europa und weiterer Diesel-Fahrverbote in Deutschland immer stärker unter Druck.

Viele Hersteller sollen einem umstrittenen Kompromiss der EU-Umweltminister zufolge den Ausstoß des Treibhausgases CO2 aus ihren Fahrzeugen deutlich senken. Gleichzeitig drohen deutschen Dieselfahrern nach dem Berliner Gerichtsurteil zu Streckensperrungen in der Hauptstadt noch mehr Einschränkungen. Aus der Politik kommen Forderungen, den Konzern notfalls hohe Bußgelder aufzubrummen, sollten sie die Auto-Emissionen nicht weiter senken.

Nach langen Verhandlungen hatten sich die EU-Staaten am späten Dienstagabend darauf verständigt, dass Neuwagen im Jahr 2030 durchschnittlich 35 Prozent weniger CO2 ausstoßen sollen als 2020. Deutschland – vertreten durch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) – trug das Ziel mit, obwohl es über die ursprünglichen Wünsche der Bundesregierung hinausging. Diese wollte nur 30 Prozent Minderung, wobei Schulze aber die abgestimmte Linie der Koalition vertreten musste und eigentlich auch mehr Klimaschutz wollte.

Beim Kohlendioxid (CO2) hatte die EU-Kommission eine Senkung um 30 Prozent gegenüber 2020 vorgeschlagen – ein Wert, den die deutsche Autoindustrie als machbar erachtete. Viele andere Länder wollten jedoch eine Reduktion um 40 Prozent und mehr. Österreich, das derzeit den EU-Vorsitz führt, plädierte als Kompromiss für 35 Prozent Minderung und setzte dies letztlich durch. Als Zwischenziel sollen bis 2025 mindestens 15 Prozent erreicht sein.

Die neuen Vorgaben sollen helfen, die Klimaziele der EU insgesamt zu erreichen und die Emissionen aus dem Straßenverkehr zu drücken. Die Entscheidung ist für die Autoindustrie von großer Bedeutung. Bisher ist festgelegt, dass Neuwagen im Flottendurchschnitt 2020 nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen sollen. Die verschärften Regeln bedeuten, dass Hersteller neben Diesel und Benzinern auch viele Fahrzeuge ohne Emissionen verkaufen müssen, um ihren Schnitt insgesamt zu erreichen – zum Beispiel reine E-Autos.

Offen ist, ob durch einen raschen Wandel von Verbrennern zu alternativen Antrieben mehr Jobs verloren gehen als hinzukommen. Die deutsche Branche warnt vor zu ehrgeizigen Klimazielen, die am Ende Arbeitsplätze kosten könnten. Am Mittwoch wollten sich Daimler, VW und Opel zunächst nicht näher zu den EU-Zielen äußern. Aus dem Branchenverband VDA kam bereits Kritik: Der Kompromiss sorge nicht für eine „Balance zwischen Klimaschutz und Beschäftigung in Europa“, sagte dessen Präsident Bernhard Mattes, dem RBB-Inforadio. Der europäische Verband Acea sieht das Risiko „negativer Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, Autoarbeiter und Verbraucher“.

Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) sprach von einem „wichtigen Signal für die Energiewende im Verkehrsbereich“. Hauptgeschäftsführer Stefan Kapferer erklärte: „Bisher ergriffene Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor hatten wenig Erfolg.“

Neben der Klimaschutz-Frage bewegt die Branche auch die Aussicht auf weitere Fahrverbote für Diesel. Dabei gibt es ein Grundsatzproblem: Einerseits ist der CO2-Ausstoß vieler älterer Diesel im Vergleich zu Benzinern ähnlicher Motorleistung geringer, andererseits aber ist ihre Stickoxid-Belastung tendenziell höher – was Gesundheitsrisiken erhöht und die Debatte um gerissene Schadstoff-Grenzwerte anheizt.

Die deutschen Städte verlangen nach dem Berliner Urteil von der Bundesregierung mehr Druck auf die Autobauer. „Es droht ein Flickenteppich von Fahrverboten in deutschen Städten“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städtetages, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Die Hersteller müssten Hardware-Nachrüstungen vorantreiben und auch voll finanzieren – was diese bisher ablehnen. Dies und neue Anreize für den Umstieg auf sauberere Autos müssten mindestens für alle Städten gelten, wo Fahrverbote drohten.

Die SPD bringt Bußgelder ins Spiel. Die deutschen und ausländischen Hersteller müssten sich zu Nachrüstungen von Dieselautos bekennen und für Städte mit drohenden Verboten die Kosten übernehmen, fordert SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Wenn Spitzenmanager sich weiter weigerten, sollte Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für jedes manipulierte Fahrzeug mit Schummelsoftware ein Bußgeld von 5000 Euro verhängen: „Wer trickst, sollte dann dafür auch zahlen. Vielleicht kommen die Automanager dann endlich zur Vernunft.“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die auch das Fahrverbot in Berlin per Gericht durchgesetzt hat, pocht weiter auf eine „Blaue Plakette“ an sauberen Fahrzeugen. In der Hauptstadt sollen für mindestens elf Straßenabschnitte bis Mitte 2019 Diesel-Fahrverbote verhängt werden.

Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer meinte: „Das wird jetzt Stadt für Stadt so weiter gehen, dass die Gerichte Fahrverbote verhängen.“ Die Bundesregierung müsse ein neues Paket erarbeiten. „Das Ergebnis des letzten Dieselgipfels ist bei den Richtern durchgefallen.“

Unklar bleibt, ob die Berliner Variante mit streckenbezogenen Verboten wirksam ist, wenn nur kurze Abschnitte gesperrt werden. „Es ist anzunehmen, dass die Autofahrer andere Strecken nehmen, die nicht betroffen sind“, sagte der Verkehrswissenschaftlers Gernot Sieg. „An den Messstellen werden zwar die Grenzwerte erreicht, aber es wird einfach anders verteilt.“ FDP-Experte Oliver Luksic sagte: „Einzelne Sperrungen für wenige Meter in Berlin führen zu direkten Umgehungen und bringen nur Bürokratie, Wertverluste und Verunsicherung.“ (dpa)



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