Bargeld oder Karte? Kontaktlos zu zahlen bedeutet weniger Sicherheit

Fehlt das Kleingeld im Laden? Das könnte Absicht sein. Denn das Fehlen von Wechselgeld sei eine „perfekte Tarnwaffe im Krieg gegen das Bargeld“, schreibt der Verband der Bargeldbranche.
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Der Alte Euro-Turm auf dem Willy-Brandt-Platz in Frankfurt am Main.Foto: iStock
Epoch Times23. Juni 2021

Die Europäische Zentralbank hat eine Arbeitsgruppe zur Erhaltung des Bargeldes geschaffen. Die Gruppe ist beim ERPB angesiedelt, dem European Retail Payments Board (ERPB; Europäischer Rat für Massenzahlungen). Ziel der Gruppe ist, einen Bericht über die Sicherung des Zugangs zu Bargeld und zur Akzeptanz von Bargeld zu erstellen.

Der Verband der Bargeldbranche wirft dem Gremium Heuchelei vor. Denn laut eigener Definition des Zahlungsverkehrs schließe das ERPG Bargeld an sich aus, berichtet Finanzexperte Norbert Häring.

Acht Wochen versuchte der Verband der Bargeldbranche (ESTA), gemeinsam mit anderen Organisationen eine Debatte in Gang zu bringen, welche die „Bargeldannahmehindernisse“ analysieren sollte. Das Vorhaben scheiterte am starken Widerstand einiger Zahlungsdienstleister in den Reihen der Arbeitsgruppe. Die Bargeldbranche zog sich daraufhin unter Protest aus dem Gremium zurück.

Der Bargeldverband erklärt: „Um weitere Fortschritte bei der Reduzierung des Bargeldumlaufs zu vermeiden, sollten die Verantwortlichen für den Bargeldausstieg sofort aufhören, dagegen vorzugehen. Ihre eigenen kommerziellen Interessen werden nicht sehr darunter leiden.“

Häring weist darauf hin, dass die EZB eine Strategie für den Massenzahlungsverkehr (Retail Payments Strategy) entwickelt, um eine europäische Konkurrenz zu den US-Kartensystemen und den dominierenden Fintechs zu schaffen. Bargeld werde in dieser Strategie nicht als Teil des Massenzahlungsverkehrssystems behandelt. Es sei daher eine Strategie der Digitalisierung zu Lasten des Bargelds.

Banken haben nur wenig Interesse an Bargeld

Am 10. Juni legten die Vertreter der Bargeldbranche einen Bericht für die EZB vor, in dem drei Kritikpunkte an der Arbeitsgruppe geäußert werden.

Erstens: Für die Bargeldbranche ist der Rückgang von Bargeld kein Zufall. Dieser scheint durch Interessenskonflikte der primär verantwortlichen Akteure provoziert worden zu sein.

Banken hätten nur sehr wenig Interesse an Bargeld, da sie ihren Kunden ihre eigenen Zahlungsinstrumente anbieten wollen, so die Autoren. Zwar entscheide sich keine Bank dafür, komplett bargeldlos zu arbeiten, was zum Abwandern vieler Kunden führen würde. Allerdings würden sie in einer konzertierten Aktion ihre Bargelddienstleistungen für die Öffentlichkeit reduzieren und manchmal auch Einzelhändler fördern, um bargeldlos zu werden.

Die Kosten für derartige Maßnahmen sind höher als die für Bargeld. Die Banken wollen diese mit Gebührenerhöhungen ausgleichen, sobald Bargeld aus dem Rennen sei. Insbesondere die Rolle der Zentralbanken von Schweden, Finnland und Norwegen sei zu untersuchen, die eine Bargeld-Abschaffung vorantreiben.

Wissen Kartenzahler über ihr höheres Risiko bei Zahlungen Bescheid?

Zweitens: Im Rahmen der Lockdowns beschleunigte sich die Akzeptanz von Kartenzahlungen und die Nichtakzeptanz von Bargeld. Das Versprechen, dass „kontaktlos die sicherste Zahlungsmethode“ ist, trug zwar nicht zur Eindämmung der Pandemie bei, führte jedoch zu neuen Marktanteilen vor allem im Bereich der Mikrozahlungen und bei Kartenbetreibern.

Der Bargeldverband hinterfragt in seinem Bericht, ob Verbraucher und Karteninhaber richtig informiert werden. Fraglich sei, ob sie sich über ihrer erhöhten Haftung aufgrund der Erhöhung des Zahlungslimits bewusst seien. Das kontaktlose Bezahlen führte dazu, dass ein Teil der Betrugshaftung von Banken und Zahlungsdienstleistern auf die Karteninhaber abgewälzt wurde. Der Verband erklärt:

Kontaktlos bedeutet weniger Sicherheit. Karteninhaber haften voll für betrügerische Zahlungen mit der NFC-Funktion ihrer Karten. Sie wissen es nur nicht.“

Drittens: Gesetzliche Zahlungsmittel beinhalten die „obligatorische“ Annahme von Bargeld. Der EU-Gesetzgeber wird aufgefordert, zu bestätigen, dass weiterhin eine sehr hohe Verpflichtung zur Annahme von Bargeld existiert (Urteile des Gerichtshofs zu C-422/19 und C-423/19 des Europäischen Gerichtshofs).

Das „Recht auf Barzahlung“ einrichten

Für die Zukunft des Bargeldes sei es entscheidend, spezifische Maßnahmen für den Handel zu ergreifen. Das Fehlen von Wechselgeld sei beispielsweise eine „perfekte Tarnwaffe im Krieg gegen das Bargeld“.

Notwendig sei, ein „Recht auf Barzahlung“ einzurichten. Bargeldnutzer müssen die Sicherheit haben, dass Bargeld – was ja ein gesetzliches Zahlungsmittel ist – auch als Zahlungsmittel akzeptiert wird.

Die größte Bedrohung für das Bargeld könnte demnach durch drei Szenarien entstehen: Wenn Banken ihre Versorgungsunternehmen für die Bargeldverarbeitung anders organisieren, einen erheblichen Teil des Marktes schließen und/oder die Preise für eine Reihe von Cash-Management-Unternehmen auf ein nicht mehr tragbares Niveau drücken. (ks)

 



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