„Beschleunigter Abwärtstrend“: Die Krisenstimmung erreicht nun auch den Mittelstand

Im August hat sich die deutsche Exportwirtschaft gegenüber dem Monat zuvor wieder erholen können. Dies weckt mancherorts Hoffnung, die befürchtete Rezession in Deutschland könnte vorerst ausbleiben. Das KfW-ifo-Mittelstandsbarometer hält diesen Optimismus jedoch für voreilig.
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Im Hafen in Hamburg.Foto: iStock
Von 10. September 2019

Kommt die Rezession oder ist sie längst da? Der Publizist Gabor Steingart meint in den jüngsten Exportdaten der deutschen Wirtschaft Hoffnungsschimmer zu erblicken. In seinem „Morning Briefing“ vom Dienstag (10.9.) weist der frühere „Handelsblatt“-Chefredakteur darauf hin, dass die Exporte im Juli gegenüber dem Vormonat wieder um 0,7 Prozent auf 115,2 Milliarden Euro gestiegen seien – gemessen am Vergleichszeitraum des Vorjahres sogar um 3,8 Prozent.

Insbesondere das Exportplus von knapp zehn Prozent in Nicht-EU-Staaten widerspreche der Einschätzung, es gäbe Anlass für eine Krisenstimmung. Zwar glaubten einer jüngsten Nielsen-Umfrage bereits 41 Prozent der Deutschen, das Land befinde sich jetzt schon in einer Rezession, doch die alltägliche Lebensrealität zeige das Gegenteil:

Wer ein Telefon besitzt, sollte versuchen, noch für diese Woche einen Handwerker zu bestellen. Und wer eine zweite Straßenspur in den Städten findet, die nicht von einem Paket-Service in Beschlag genommen wird, hat gewonnen. Die Rezession wird kommen, aber noch befindet sie sich außer Landes.“

Dem Optimismus Steingarts widerspricht das jüngst veröffentlichte KfW-ifo-Mittelstandsbarometer. Dieses sieht, nachdem sich bereits in der Bauwirtschaft und in den Großunternehmen eine schlechte Stimmung breitgemacht hatte, nun auch den Mittelstand in Katerstimmung versinken. Erstmals seit viereinhalb Jahren sei das mittelständische Geschäftsbarometer unter die Nulllinie gesunken – mit einem Minus von gleich 4,2 Saldenpunkten im August.

„Abwärtstrend in beschleunigtem Tempo“

Üblicherweise bewegten sich Veränderungen im Geschäftsklima bei den Klein- und Mittelbetrieben in der Größenordnung von bis zu 1,5 Punkten. Der Absturz im Vormonat sei das erste unterdurchschnittliche Ergebnis seit Februar 2015. Das wenig verheißungsvolle Fazit:

Damit setzt sich der Abwärtstrend seit dem Rekordhoch vor elf Monaten in beschleunigtem Tempo fort.“

Die Erwartungen der befragten Akteure befänden sich, so heißt es in dem Dokument, auf langjährigen Tiefständen. Die Erwartungen im Mittelstand seien mittlerweile „beinahe so pessimistisch wie in den Großunternehmen“, die technische Rezession in Deutschland sei „wohl nicht mehr zu vermeiden“.

Ähnlich tief wie zurzeit waren die Erwartungsindikatoren mit einem Horizont von sechs Monaten zuletzt im Jahr 2012, als die Schuldenkrise in der Eurozone phasenweise sogar deren Fortbestand gefährdet hatte.

Deutlich negativer als jetzt waren die Erwartungen nur zu Zeiten der Großen Rezession im Winterhalbjahr 2008/2009.“

Nur bei den Urteilen zur aktuellen Lage sei die Sorge bei den Großunternehmen noch deutlich größer, weil diese direkt von der globalen handelspolitischen Großwetterlage betroffen seien.

Binnenwirtschaft könnte in Mitleidenschaft gezogen werden

Als letzte Verteidigungslinie musste bis dato die Binnennachfrage herhalten, die sich zuletzt noch als wenig empfindlich gegenüber der außenwirtschaftlichen Lage gezeigt hatte. Allerdings mehren sich – nicht zuletzt mit Blick auf den angekündigten Stellenabbau in mehreren großen Unternehmen des Landes – auch die Anzeichen dafür, dass die „Binnenwirtschaft sich inzwischen ebenfalls an der außenwirtschaftlichen Schwäche angesteckt hat“.

Im Fachjargon der ifo-Autoren liest sich das wie folgt: „Die von zunehmendem Pessimismus getriebene Konvergenz der Erwartungsindikatoren beider Größenklassen signalisiert allerdings, dass die Binnenwirtschaft sich inzwischen ebenfalls an der außenwirtschaftlichen Schwäche angesteckt hat.“

Eine Gegenbewegung sei nicht absehbar, sofern sich nicht auch die außenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen änderten. Die auf zyklische Investitionsgüter spezialisierte deutsche Industrie habe es auch deshalb schwer, weil „viele Unternehmen in Deutschland und weltweit Investitionsentscheidungen zurzeit aufschieben dürften, bis sich der Nebel der politischen Unsicherheit zumindest wieder etwas lichtet“.

Immerhin sorgt der Einzelhandel zurzeit noch für positive Impulse. Dort hat sich das mittelständische Einzelhandelsklima um 1,7 Zähler auf 13,8 Saldenpunkte verbessert, bei den großen Einzelhändlern um 7,1 Zähler auf 6,3 Saldenpunkte – nachdem es in diesem Bereich im Monat zuvor noch ein deutliches Minus gegeben hatte.

Ifo rechnet nicht mit dauerhafter Abwärtsbewegung

Insgesamt aber werde das Dritte Quartal wohl eine technische Rezession bringen: „Nicht mehr nur in den großen, sondern auch in den mittleren und kleinen Unternehmen ist die wirtschaftliche Stimmung nunmehr unterkühlt. Damit fügt sich ein weiteres wichtiges Puzzleteil in das Konjunkturbild für das zweite Halbjahr 2019 ein. Mit zunehmender Deutlichkeit zeichnet sich darin eine technische Rezession ab, also mindestens zwei negative Quartalswachstumsraten in Folge.“

Das ifo geht nicht von einer dauerhaften Abwärtsbewegung aus. Immerhin sollten sich auch im Falle eines No-Deal-Brexits die Auswirkungen in Grenzen halten lassen und US-Präsident Donald Trump werde voraussichtlich zumindest vorübergehend Zugeständnisse im Handelsstreit machen – um im Wahlkampf gute Konjunkturzahlen und Aktienkurse präsentieren zu können.

Eine jüngst veröffentlichte Umfrage des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft unter 2400 Unternehmern widerspricht jedoch der Einschätzung, die ungünstige Wirtschaftsentwicklung habe vor allem externe Ursachen. Tatsächlich seien es politische Gängelung und fehlende Antworten auf Zukunftsfragen wie den Fachkräftemangel, die deutsche Unternehmen belasten.



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