Bezahlbares Wohnen, Mietenregulierung und immer teurerer Klimaschutz passen nicht zusammen

Das Klimathema lässt sich nur bis zu einem bestimmten Grad durch höhere Energiestandards für die Wohnungswirtschaft klären. Manches stößt an seine Grenzen. „Das Bauen in Deutschland ist zu kompliziert und teuer“, stellt der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft fest.
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Klimaschutz verteuert das Bauen – doch technologisch ist möglicherweise nicht alles sinnvoll.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times29. Juni 2021

„Für die Zukunft des bezahlbaren Wohnens sind dunkle Wolken aufgezogen“, erklärt der GdW, der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft auf seiner Jahrespressekonferenz.

Immer mehr Beschränkungen, Regulierungen und Verteuerungen verhageln die Zukunft des Bauens und Wohnens. Dazu kommt die Diskussion um den Mietendeckel, Baustoffmangel und Kapazitätsengpässe bei den Gewerken.

„Wir wollen bezahlbares Wohnen und mehr Mietenregulierung, aber gleichzeitig immer teurere Klimaschutz-Investitionen. Das geht so nicht zusammen. Auf EU-Ebene denkt man da viel weiter“, sagt Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft.

Eines der Probleme sind die neuen Anforderungen durch den Klimaschutz und die technologischen Möglichkeiten der Umsetzung. Ein anderes: Die Verbraucher verhalten sich schlicht und einfach nicht so, wie sich das die Politik denkt.

Der Verbraucher denkt anders als die Politik

„Zu glauben, dass wir das Klimathema durch immer höhere Energiestandards klären können, ist ein Fehler“, erläutert Gedaschko. Noch mehr Dämmung und noch mehr Technik würden in die falsche Richtung führen, und zwar in Richtung Unbezahlbarkeit.

Seit 2010 wurde viel in die energetische Modernisierung investiert, rund 385 Milliarden Euro. 2,4 Millionen Wohnungen wurden energetisch deutlich besser gebaut als der Durchschnitt und 260.000 Wohnungen mit schlechten Energiestandards abgerissen.

Alles zusammen hätte zu einer Energieeinsparung von etwa 12 Prozent führen müssen – doch tatsächlich sei der Energieverbrauch seitdem kaum gesunken. Allein über die Verbesserung der Effizienz werde man daher nichts erreichen.

Deutschland werde in Wahrheit mehr Energie benötigen als berechnet, „weil sich schlicht ergreifend die Verbraucher nicht so verhalten wie die Politik das denkt. Der Verbraucher macht Seins.“

Und das sähe anders aus, als geglaubt wird: Die Menschen würden mehr duschen oder auch beim Heizen die Fenster offen lassen. Daher bekäme man durch immer höhere Energiestandards das Problem nicht in den Griff.

Technische Grenzen bei Gebäuden

Technologisch gerate der Klimaschutz für Wohngebäude zudem in eine Sackgasse, so die Einschätzung der Wohnungswirtschaft. Zum einen werden die Ansprüche an Wärmedämmung, erneuerbare Energien und Steueranlagen stetig nach oben geschraubt.

Neu hinzugekommen ist beispielsweise der Anspruch, dass ab 2025 neue Gebäude nur noch 40 Prozent der Primärenergie eines Referenzgebäudes verbrauchen dürfen (der sogenannte 40er-Standard).

Andererseits sind bereits viele Gebäude teilweise saniert. Sollte nun die Energieeffizienz des Gebäudes weiter gesteigert werden, könne das nur gelingen, indem, vereinfacht gesagt, die bisherige Dämmung abgerissen würde und eine neue, noch dickere angebracht wird. Allerdings stehen Nutzen und Aufwand dafür nicht mehr in einem vernünftigen Verhältnis, wie die „Welt“ schreibt.

Die Kosten würden noch einmal um 7,3 Prozent steigen, die Herstellungskosten lägen dann bei 3.875 Euro pro Quadratmeter. Die betriebswirtschaftlich notwendige Kaltmiete würde von 12,93 Euro auf 13,43 Euro klettern. Sei dies noch bezahlbar?

„Ein Neubau kommt für viele Menschen mit den aktuellen Einkommen einfach nicht mehr in Betracht“, stellt Gedaschko fest.

Neben den steigenden Kosten der Dämmung werden zudem andere Heizungsanlagen gefordert, neue Ölheizungen sind ab 2026 verboten. Manche Ziele könnten nicht mit der Realität in Einklang gebracht werden, Gedaschko nennt als Beispiel die Solardachpflicht. Abgesehen vom enormen Material- und Kostenaufwand zeigte sich „dass wir überhaupt nicht die Kapazitäten haben“.

Bauen wird immer teurer

Die Bauwerkskosten verteuerten sich seit dem Jahr 2000 um rund 80 Prozent. „Für immer mehr Geld gibt es in Deutschland immer weniger neue Wohnungen. Mit dem Investitionsbetrag, mit dem man 2010 noch 100 Wohnungen bauen konnte, bringt man zehn Jahre später im Jahr 2020 nur noch 72 Wohnungen auf den Weg“, sagt Gedaschko.

Die Lebenshaltungskosten stiegen in dieser Zeitspanne jedoch nur um rund 35 Prozent. Die Differenz zeigt, dass sich immer weniger Menschen ein Eigenheim oder eine Wohnung leisten könnten.

Um die sehr ambitionierten Klimaziele beim Wohnen ohne enorme soziale Folgeschäden umsetzen zu können, brauche Deutschland einen echten Paradigmenwechsel. Den Effizienzstandard von 40 solle man daher noch einmal überlegen.

Man müsste weg von immer höheren sowie teureren Effizienzvorgaben, die nicht die erhoffte Wirkung bringen und hin zu einer optimierten Effizienz mit grüner Energieerzeugung vor Ort, technologieoffenen Innovationen unter Beachtung ganzer Quartiere. Gedaschko ergänzt:

Der Teufelskreis von immer weiteren Verschärfungen der Effizienzvorgaben und steigenden Wohnkosten muss ein für alle Mal beendet werden.“

Kosten steigen auch aus anderen Gründen

Neben den rein technischen Problemen kommt hinzu, dass die Baustoffe immer teurer werden. Als Baubremse würden auch die anhaltenden Kapazitätsengpässe im Baugewerbe wirken. Ergänzend sei bemerkt, dass auch die neuen Regeln der Bauschutt-Entsorgung und die steigenden Boden- und Grundstückspreise die Kosten erhöhen.

Die Unternehmen des Verbandes bauten 2020 rund 32.000 Wohnungen und rund 4 Prozent mehr als im Vorjahr. Geplant hatten sie mit 10 Prozent mehr Wohnungen. Warum wurden sie nicht gebaut? Gedaschko sagt:

Das Bauen in Deutschland ist zu kompliziert und teuer.“

Bundesweit wurden 2020 von den jährlich benötigten 320.000 neuen Wohnungen 306.000 und damit 96 Prozent des eigentlichen Bedarfs fertiggestellt. Insgesamt haben die Wohnungsunternehmen, die bundesweit rund 30 Prozent aller Mietwohnungen bewirtschaften, 33 Prozent aller neuen Mietwohnungen gebaut.

Der Verband schlägt als Lösung ein „Klima-Plus-Konzept“ vor, um energetische Sanierungen für den Mieter annähernd warmmietenneutral durchführen zu können. Annähernd warmmietenneutral bedeutet eine Mietsteigerung von maximal 50 Ct/m2.

Darin enthalten sein sollte die Möglichkeit, künftig dezentral die Energie im Quartier ebenso leicht zu erzeugen wie mit einer alten Ölheizung.

Und der Mietendeckel?

Insgesamt zahlen rund 11,5 Mio. und damit 60 Prozent aller Mieterhaushalte in Deutschland aktuell eine Nettokaltmiete von unter 7 Euro pro Quadratmeter, so der Verband. Damit liegen die Mieten von annähernd zwei Drittel der deutschen Mieterhaushalte in etwa auf dem Niveau neu gebauter Sozialwohnungen.

Bei den GdW-Unternehmen wohnen besonders viele Mieter günstig. Hier haben bundesweit 82 Prozent der Mieter eine Nettokaltmiete von unter 7 Euro pro Quadratmeter. Bei 63 Prozent der Mieter liegt die Nettokaltmiete sogar unter 6 Euro pro Quadratmeter.

„Angesichts anhaltender Diskussionen um einen angeblichen ‚Mietenwahn‘ zeigen diese Zahlen es schwarz auf weiß: In Deutschland wohnen die allermeisten Menschen günstig zur Miete. Die angespannten Wohnungsmärkte in den Hotspots gilt es, durch mehr bezahlbares Bauland, weniger teure Auflagen und mehr Anreize für bezahlbaren Wohnungsneubau zu entspannen. Außerdem brauchen wir mehr Sozialwohnungen. Das sind die richtigen Instrumente. Die Diskussionen rund ums Wohnen in Deutschland müssen dringend versachlicht werden“, sagt Gedaschko. (ks)

Die Präsentation der Jahresstatistik im Video:



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