Bundesregierung will in die Kieler U-Boot-Werft einsteigen – Auftakt zur Kriegswirtschaft?
Der Industriekonzern thyssenkrupp will aus dem Schiffbau aussteigen und seine U-Boot-Sparte thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) verkaufen. Das berichtete das „Handelsblatt“ unter Berufung auf vertrauliche Quellen. TKMS ist mit 6.500 Mitarbeitern einer der weltweit führenden Anbieter von konventionellen U-Booten.
Die Bundesregierung erwägt einen Einstieg in das Kieler Marineunternehmen, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag am Rande eines Besuchs in Kiel bestätigte. Aktuell benötige TKMS wegen der vollen Auftragsbücher „frisches Kapital“, sagte Geschäftsführer Oliver Burkhard am Dienstag gegenüber dem NDR. Die Mehrheitsanteile soll jedoch ein Finanzinvestor kaufen und die Bundesregierung etwas mehr als 20 Prozent.
Der Verkauf ist schon lange im Gespräch, doch scheiterte er bislang daran, einen Investor zu finden. Gespräche laufen unter anderem mit den amerikanischen Private-Equity-Fonds Carlyle, KKR, Advent oder Triton. Für die U-Boot-Aufträge muss derzeit thyssenkrupp teure Garantien abgeben, was dem Konzern finanziell zu schaffen macht. Da die Werft gut ausgelastet sei, summierten sich diese Garantien auf mehr als zehn Milliarden Euro, wie „Handelsblatt“ aus Konzernkreisen erfuhr. Ein Fakt, der bislang auch Investoren abschreckte.
In diese Lücke will nun der Staat springen: Er will mit einer Minderheitsbeteiligung die notwendigen Garantien abgeben und dem Investor den Rücken decken. Aktuell hat TKMS zwei Aufträge im Werte von 5,5 Milliarden Dollar, sie stammen aus Berlin und Oslo. Deutschland hat zwei U-Boote bestellt und Norwegen vier. Darüber hinaus hat Deutschland eine Kaufoption für vier weitere U-Boote. Zurzeit stammen alle Aufträge, die TKMS liegen hat, noch aus der Zeit vor dem Ukraine-Krieg.
Ein Auftakt zur Kriegswirtschaft?
Seit März dieses Jahres wirbt EU-Kommissar Thierry Breton für die Steigerung der Produktion und Auslieferungen von Waffen und Munition an die Ukraine. Bei seinen Appellen an die EU-Länder nutzte er immer wieder auf den Begriff der Kriegswirtschaft. Dennoch halten Experten diese Aussicht für zu verfrüht. Besonders in Deutschland ist dieses Wort seit dem Zweiten Weltkrieg negativ belastet.
Der Eintritt in die Kriegswirtschaft würde bedeuten, dass die Wirtschaft der EU-Länder zu Kriegszwecken umstrukturiert wird, wobei der Produktion von kriegswichtigen Gütern Vorrang gegeben wird. Die Folge wären Fabrikübernahmen durch die Staaten, Preiskontrollen und im schlimmsten Fall leere Regale in Supermärkten sowie eine Rationierung von Lebensmitteln.
Edward Lucas vom Center for European Policy Analysis (CEPA) hält die Verwendung Begriffs für unpassend. „In jedem Land bedeutet der Begriff etwas völlig anderes“, erklärte er gegenüber der „Deutschen Welle“.
„In einer wirklichen ‚Kriegswirtschaft‘ kommen Männer mit Gewehren, übernehmen deinen Betrieb und sorgen dafür, dass mehr Waffen hergestellt werden. Ich denke nicht, dass in Europa irgendjemand das tatsächlich vorschlägt“. Allerdings habe Russland bereits Schritte in diese Richtung unternommen, meinte er.
Ben Tallis von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) sieht das ähnlich. Ihm zufolge seien die europäischen Regierungen noch nicht bereit, ein solches Signal zu senden. „Eine hochgradige Kontrolle sowie eine staatliche Lenkung der Wirtschaft. Es würde vermutlich Rationierungen in verschiedenen Bereichen bedeuten und das würde ein interessantes Signal an die Bevölkerung Europas senden.“
Der Militärhistoriker und Leiter des polnischen Instituts für internationale Angelegenheiten (PISM), Slawomir Debski, hält aktuell ein Umschalten in den Modus „Kriegswirtschaft“ für nicht erforderlich. Er glaubt vielmehr, dass die Politiker selbst nicht wüssten, wovon sie redeten. „1942 waren die USA in der Lage, große Schiffe innerhalb von 14 Tagen zu produzieren“ anstelle von zwei Jahren. Aktuell gebe es für ein solches System keine Notwendigkeit.
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