Chemiegipfel mit Scholz: Industrie und Gewerkschaft befürchten Schließungen

Am Mittwoch lud Kanzler Scholz Vertreter von Industrie und Gewerkschaft zum Chemiegipfel. Dabei zeigte die Bundesregierung zwar „Problembewusstsein“ bezüglich der hohen Energiepreise, einer Lösung kam man jedoch nicht näher.
Der Verband der Chemischen Industrie warnt: Wenn es bezüglich eines Industriestrompreises keine kurzfristigen Lösungen gebe, müsse man sich über zukünftige Themen keine Gedanken mehr machen.
Der Verband der Chemischen Industrie warnt: Wenn es bezüglich eines Industriestrompreises keine kurzfristigen Lösungen gebe, müsse man sich über zukünftige Themen keine Gedanken mehr machen.Foto: Jan Woitas/dpa
Von 28. September 2023

Zu einem Chemiegipfel lud Bundeskanzler Olaf Scholz Vertreter der chemischen Industrie und der Gewerkschaft IGBCE am gestrigen Mittwoch, 27. September, ins Kanzleramt. Der Anlass war die dramatische Situation in der Branche. Neben der Stahlindustrie und weiteren energieintensiven Bereichen leidet auch die Chemie unter nicht mehr konkurrenzfähigen Energiepreisen.

Bereits im Juli hatte der Verband der Chemischen Industrie (VCI) seine Prognose für das laufende Jahr deutlich gesenkt. Die Rede war von einem Rückgang der Produktion in der Chemie- und Pharmabranche um acht Prozent gemessen am Vorjahr. Immer mehr Unternehmen hätten den „Glauben an den Standort Deutschland verloren“, hieß es damals.

Forderung nach „Brückenstrompreis“ kommt auch von Ministerpräsidenten

Nun ist der Chemiegipfel zu Ende – konkrete Ergebnisse brachte er kaum. Entsprechend enttäuscht ziehen die Vertreter der Arbeitgeber und der Beschäftigten innerhalb der Branche Bilanz. Auch aus den Bundesländern kommt Kritik, wie die „Zeit“ berichtet.

Die konkreten Hoffnungen, die Scholz‘ Gesprächspartner mit dem Treffen verbunden hatten, ruhten vor allem auf einem „Brückenstrompreis“. Neben Vertretern von Verbänden und der IGBCE hatten unter anderem die Ministerpräsidenten von NRW und Niedersachsen, Hendrik Wüst (CDU) und Stephan Weil (SPD), einen solchen befürwortet.

Auch in der Koalition selbst hatte die Frage eines Industriestrompreises hohe Wellen geschlagen. Neben Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte auch die SPD-Fraktion einen solchen gefordert.

Chemiestandort wegen hoher Energiepreise nicht mehr konkurrenzfähig

Der Gedanke dahinter: Da der Strompreis in Europa den Standort gegenüber beispielsweise den USA und China immer unattraktiver erscheinen lässt, soll ein temporär begrenzter und staatlich subventionierter Preis die Industrie stützen. Andernfalls, so Vertreter von Wirtschaft und Gewerkschaft, müsse man sich auf Betriebsschließungen und Verlagerungen einstellen.

Dem IGBCE-Vorsitzenden Michael Vassiliadis zufolge gibt es jedenfalls „erste Signale dafür“. Bereits im zweiten Quartal habe die Chemieindustrie aus Kostengründen ihre Produktion gedrosselt. Auch NRW-Ministerpräsident Wüst warnt, es sei „5 vor 12 in Deutschland“. Er könne die Enttäuschung von Industrie und Gewerkschaften nachvollziehen. Zwar sei aufseiten der Bundesregierung „Problembewusstsein“ vorhanden gewesen.

Aber es ist eben nicht zu der Konkretisierung der Problemlösung gekommen, die der Lage angemessen gewesen wäre.“

Wüsts niedersächsischer Amtskollege Weil sprach ebenfalls davon, dass „noch nicht der sicherlich von manchen erhoffte Durchbruch“ am Ende des Chemiegipfels stand. Die Frage, wie es bei den Energiepreisen weitergehe, bleibe weiterhin offen.

Breite Skepsis bezüglich der weiteren Subventionierung von Energiepreisen

Neben Kanzler Scholz selbst und der FDP sind jedoch auch Ökonomen skeptisch bezüglich der Sinnhaftigkeit eines Industriestrompreises. Selbst wenn diese Subvention nur temporär gelten solle, was auch die Option einer Verlängerung beinhalte, würde diese Kosten in Milliardenhöhe verursachen.

Es wäre unsicher, ob eine solche Maßnahme mit geltendem EU-Recht vereinbar wäre. Vor allem aber löse der Industriestrompreis nicht das Grundproblem eines viel zu hohen und nicht mehr konkurrenzfähigen Energiepreisniveaus. Der Ökonom Daniel Stelter warnte bereits im Juli vor einem Verstecken struktureller Probleme hinter Subventionen.

In Deutschland blieben Industriebetriebe aufgrund von Subventionen nur dann, wenn sie darauf angewiesen seien. Nur wer wirtschaftlich um sein Überleben kämpfe, lasse sich das erforderliche Geld zum wirtschaftlichen Arbeiten vom deutschen Staat erstatten. Wer auch ohne die Subventionen auf dem Markt überlebensfähig sei, gehe dorthin, wo die Energiepreise von sich aus günstig seien.

Steilemann mit dramatischem Appell für einen Industriestrompreis

VCI-Präsident Markus Steilemann äußerte in einer Erklärung zum Chemiegipfel, dass „gute Ansätze diskutiert“ worden seien. So begrüße er „zum Beispiel das klare Bekenntnis der Bundesregierung für eine risikobasierte Stoffpolitik und gegen pauschale Stoffverbote“. Auch das Bekenntnis zum chemischen Recycling sei ein wichtiger Punkt.

Bezüglich der hohen Energiepreise müsse die Bundesregierung jedoch „noch im Oktober zu einer Einigung über ein kurzfristiges Energiepaket kommen“. Steilemann forderte einen Erhalt des Spitzenausgleichs, eine Senkung der Stromsteuer und den temporär begrenzten Brückenstrompreis. Wenn es zu Letzterem keine kurzfristigen Lösungen gebe, müsse man sich „über zukünftige Themen keine Gedanken mehr machen“.

Bezüglich der Senkung der Stromsteuer kann der Verbandspräsident auf die Unterstützung vonseiten der FDP hoffen.

BASF betont künftige Bedeutung Chinas bei der Nachfrage nach Chemieprodukten

Vonseiten des BASF-Konzerns äußerte Vorstandsmitglied Melanie Maas-Brunner, das Gespräch in Berlin sei „zwar äußerst wichtig“ gewesen, dennoch könne es nur einen ersten Schritt zu einem „Chemiepakt zwischen Industrie, Gewerkschaften und Politik“ darstellen.

Laut „Wallstreet online“ signalisierte BASF Bereitschaft, an einem solchen Pakt mitzuwirken. Ziel müsse dabei die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie in Deutschland sein.

Der Konzern betonte, dass bis 2030 mindestens die Hälfte aller produzierten Chemieprodukte im Großraum China und Asien nachgefragt würden. Von einer möglichen Standortverlagerung war jedoch noch nicht die Rede.



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