Der Staat als Selbstbedienungsladen – vom Scheitern der Sozialen Marktwirtschaft
Es ist „die“ deutsche Erfindung oder gar Errungenschaft im Sinne einer humanen und sozial gerechten Gesellschaft – die Soziale Marktwirtschaft. So oder ähnlich wurde mir seinerzeit im staatlichen Bildungssystem (Schule, Berufsschule und Studium) sinngemäß diese Mischung aus Plan- und Marktwirtschaft angepriesen.
Das Scheitern der Sozialen Marktwirtschaft beziehungsweise des Wohlfahrtstaates wird aktuell recht eindrucksvoll im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung dokumentiert. Die Kosten für die Gesundheitsversorgung steigen dynamisch an, und so forderte der Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen jüngst eine gestaffelte Selbstbeteiligung von bis zu 2.000 Euro pro Jahr.
Wie bei allen umlagefinanzierten staatlichen Systemen wird das anstehende Renteneintrittsalter der geburtenstarken „Babyboomer“ und die damit verbundene demografische Entwicklung die Situation deutlich verschärfen.
Interpretation der Sozialen Marktwirtschaft
Müsste ich die Soziale Marktwirtschaft auf Basis meiner heutigen Erkenntnisse kurz mit ein bisschen Humor zusammenfassen, sähe das wie folgt aus:
Die Soziale Marktwirtschaft als idealistisches Konzept ist von der Wirkung her vergleichbar mit einem Hirnimplantat. Es schüttet Botenstoffe aus, sodass der Implantierte nahezu widerstandslos und ohne intellektuell tiefgründiges Hinterfragen staatliche Interventionen befürwortet und diese sogar aktiv einfordert. Die Menschen werden zu Staatsgläubigen.
Sie sehen den Staat als den Problemlöser schlechthin an. Reflexartig wird bei sämtlichen Herausforderungen nach staatlichem Eingriff und nach staatlicher Regelung gerufen. Die Eingriffe verfehlen jedoch ihre Wirkung und auf jede Intervention folgt eine neue Intervention. So verschwinden schrittweise die verbliebenen Bruchteile der Marktwirtschaft.
Parallel nehmen die persönliche wie auch die unternehmerische Freiheit drastisch ab. Der Gang in die staatliche Befehls- und Lenkungswirtschaft ist nur eine Frage der Zeit. Und da sich dieser Vorgang schleichend über viele Jahre bis Jahrzehnte vollzieht, bemerken die von der Idee der Sozialen Marktwirtschaft beseelten Menschen den Gang in den Totalitarismus nicht einmal.
Wo beginnen staatliche Eingriffe und wo hören sie auf?
Meine Beurteilung der Sozialen Marktwirtschaft mag hart klingen – gerade für Menschen, die dem Ideal der Sozialen Marktwirtschaft nach wie vor zur Gänze verfallen sein mögen. Aus meiner Sicht ist die Soziale Marktwirtschaft kein Ideal, sondern eine Illusion.
Wann immer der Staat in das freie menschliche Handeln eingreift, stirbt ein Stück Freiheit und ein Stück Individualität. Staatliche Interventionen werden so gut wie nie zurückgenommen. Wo beginnt die staatliche Intervention und wo hört sie auf? Wie dämmt man den staatlichen Anteil an der Jahreswirtschaftsleistung (Staatsquote) ein? Ist das überhaupt möglich? Eher nicht!
Vor dem Ersten Weltkrieg bewegte sich die Staatsquote in einem Bereich zwischen zehn und 15 Prozent. Die junge Bonner Republik startete mit etwas über 30 Prozent. Heute liegt die Staatsquote bei deutlich über 50 Prozent. Bei all der staatlichen Ineffizienz und Unwirtschaftlichkeit ist der Grad der Ressourcenverschwendung nur allzu offensichtlich.
Ein noch so kleiner Minimalstaat, der die Bonner Republik nie war, wird im Laufe der Zeit zum Maximalstaat. Das Wachstum und die Eingriffe enden also nie beziehungsweise in der Sackgasse des Totalitarismus.
Dabei geht es selten um eine Sozialpolitik, welche die Gesellschaft gerechter macht oder ähnlich. Es geht um Macht durch Stimmenfang, der sich durch vermeintliche Wohltaten oder Scheinabsicherungen geriert. Otto von Bismarck führte beispielsweise in seiner Zeit als Reichskanzler im Jahr 1883 die gesetzliche Krankenversicherung und 1889 die gesetzliche Rente ein. Dies geschah nicht deshalb, weil er die Maßnahmen für notwendig erachtete. Vielmehr ging es ihm darum, den aufkommenden Sozialdemokraten das machtpolitische Wasser abzugraben. Der sogenannte Sozialstaat wurde sukzessive um unzählige weitere Elemente ergänzt, wofür ich nur einige Beispiele nennen möchte: Arbeitslosenversicherung, betriebliche Unfallversicherung, Pflegeversicherung, Familienförderung/Kindergeld.
Durch überbordende Bürokratie und aufgrund mangelnder unternehmerischer Strukturen ist dieser gesamte Apparat maximal ineffizient. Zahlt der Staat zum Beispiel 250 Euro Kindergeld aus, sind, um die Umverteilungskosten zu decken, sicher weit mehr als 500 Euro notwendig, um welche die Nettosteuerzahler erleichtert werden.
Kosten der Interventionen: Wohlfahrtsstaat als Schuldenmonster, keine Probleme tatsächlich gelöst
Unter dem Strich leidet der Wohlstand der gesamten Volkswirtschaft. Die Mittel werden ineffizient umverteilt und können dann nicht in Investitionen zur Erringung von Produktivitätsfortschritten fließen. Überdies führen die steigenden Sozialabgaben zu steigenden Staatsschulden. Diese wiederum dehnen die Geldmenge aus und setzen die Kaufkraft des Geldes herab. Allein durch Steuern und Sozialabgaben sind die vermeintlichen Wohltaten schon lange nicht mehr zu decken.
Mehr noch: Der Staat, wenn es ihn in dieser Form überhaupt geben muss, erfüllt seine zentralen Aufgaben der inneren und äußeren Sicherheit zunehmend nicht mehr. Diese Tatsache lässt sich leicht an den Entwicklungen in den Großstädten mit Verweis auf die Clan-Kriminalität oder am Zustand der Bundeswehr belegen.
In Deutschland wurden 2022 mehr als 1.100 Milliarden Euro für Soziales ausgegeben. Trotz dieser exorbitanten Zahlen haben die gesellschaftlichen Probleme wie zum Beispiel Altersarmut und Probleme im Gesundheitssystem nicht abgenommen.
Im Gegenteil: Die Probleme werden im Zuge der demografischen Entwicklung und auch durch die unkontrollierte Zuwanderung sogar noch weiter zunehmen. De facto ist der Sozialstaat schon heute gescheitert.
Deutschland setzt klassische Fehlanreize. Eine global gesehen höchste Abgabenlast (sauber gerechnet für Durchschnittsverdiener von fast 70 Prozent) und die höchsten Sozialleistungen lassen Deutschland in Kombination als unattraktiv für junge Talente erscheinen.
Der Wohlfahrtsstaat leiht sich zunehmend immer mehr Geld aus der eigenen Zukunft und wird als Schuldenmonster zum entscheidenden Faktor für die seit Jahren deutlich zunehmende Geldverschlechterung.
Raubzüge: Der Staat wird zum Selbstbedienungsladen für „staatsnahe“ Sonderinteressengruppen
Das Eingreifen des Staates und der Notenbanken ist spätestens nach der Finanzkrise nach 2007 zur deutlich sichtbaren Regel geworden. Zu groß scheint der politische Einfluss der Finanzoligarchie zu sein.
Sollte zur Errichtung des Euro-Systems noch die Haftung für andere Euro-Länder vertraglich als ausgeschlossen gelten, so waren die Verträge zur Euro-Krise das Papier, auf dem sie geschrieben waren, nicht wert. Große Umverteilungsprozesse wurden angestoßen.
Mehr noch: Entgegen dem Mandat ist die Notenbank mittlerweile ebenfalls durch Vertragsbruch zum Hauptfinanzier der Euro-Mitgliedsländer geworden. Der Kapitalmarkt würde den Finanzierungsbedarf schon nicht mehr decken. Auf Basis marktwirtschaftlicher Kriterien sind sämtliche Staaten der Euro-Zone bereits nicht mehr finanzierbar.
Durch die Aktivitäten der EZB wurde die Geldmenge mittels neuer Kreditvergaben von 2010 bis 2022 um ungefähr 70 Prozent ausgedehnt. Das neu geschaffene Geld hat zu einer Verknappung am Immobilienmarkt geführt, und so erhöhte sich der Häuserpreisindex im besagten Zeitraum um mehr als 110 Prozent, während die durchschnittlichen Nettolöhne (ledig/kinderlos) lediglich um 37 Prozent gestiegen sind.
Geldmenge, Immobilienpreise und auch die Lebenshaltungskosten steigen schneller als die Nettoeinkommen und stellen so einen Angriff auf das Privateigentum dar. Während die Finanzoligarchie von den steigenden Immobilien- und auch Aktienpreisen profitiert, steht die Mittelschicht als Verlierer da. Die umverteilenden Effekte sind klar zu erkennen: eine Folge der Interventionen durch die Staaten und Notenbanken.
Die Corona-Politik, die sogenannte „Klima-Politik“ und auch die Rüstungsinvestitionen führen zu Profiten bei den großen Kapitalsammelstellen. Sie sind an den Krisengewinnern beteiligt. Eine ehemalige Mitarbeiterin des Vermögensverwalters BlackRock ist heute Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Die Verschmelzung von Großkapital und Staat und das damit verbundene politische Unternehmertum (neue Märkte entstehen durch Gesetze und Zwangsmaßnahmen) ist mehr als offensichtlich.
Ludwig von Mises: Soziale Marktwirtschaft führt zu Sozialismus
Die Soziale Marktwirtschaft ist nichts anderes als ein Euphemismus für Interventionismus und damit zum Scheitern verurteilt. In der heutigen Zeit dient der Interventionismus den Sonderinteressengruppen und führt so zu einer massiven und sozial ungerechten Wohlstandsumverteilung.
Mit Marktwirtschaft hat die Soziale Marktwirtschaft nichts gemein. Und wenn die Marktwirtschaft frei ist, dann ist sie auch automatisch sozial, weil deutlich mehr Mittel in der produktiven Wirtschaft verblieben. Denn wenn Erträge und Wohlstand steigen, sind auch deutlich mehr Mittel für freiwillige soziale Wohltaten vorhanden.
In der Sozialen Marktwirtschaft werden das Privateigentum und das freie Unternehmertum durch immer mehr Verbote/Gesetze, durch höhere Abgaben (wie zum Beispiel CO₂-Abgaben) und durch Inflation (Ausweitung der Geldmenge durch neue Kreditvergabe an die Staaten) weiter eingeschränkt.
Ludwig von Mises brachte in seinem Meisterwerk „Human Action“ die Problematik rund um die Soziale Marktwirtschaft genial auf den Punkt. In den meisten deutschen Übersetzungen fehlen diese Absätze. Heute überlasse ich dem Ausnahmeökonomen das abschließende Fazit, denn besser als er kann man die Soziale Marktwirtschaft in ihrer letztendlichen Wirkung nicht einordnen.
Ludwig von Mises schreibt in „Human Action“:
„Die Vertreter der interventionistischen Doktrin wiederholen immer wieder, dass sie weder die Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln planen noch von unternehmerischer Tätigkeit oder von Märkten.
Ebenso betonen die Verfechter der jüngsten Variante des Interventionismus – der deutschen ‚Sozialen Marktwirtschaft‘ –, dass sie die Marktwirtschaft für das bestmögliche und am meisten wünschenswerte System der ökonomischen Organisation der Gesellschaft halten und dass sie gegen einen totalitären Staat oder Sozialismus sind.
Aber selbstverständlich betonen diese Advokaten einer Politik des Dritten Weges, dass sie mit demselben Nachdruck gegen Manchester-Kapitalismus oder Laissez-faire-Liberalismus sind. Sie sagen, es sei notwendig, dass der Staat in das Marktgeschehen eingreift, wann immer und wo immer das ‚freie Spiel der Marktkräfte‘ zu Ergebnissen führt, die ‚sozial‘ unerwünscht sind.
Mit dieser Beteuerung sehen sie es als selbstverständlich an, dass der Staat dazu aufgerufen ist, in jedem einzelnen Fall zu entscheiden, ob eine bestimmte ökonomische Faktenlage von einem ‚sozialen‘ Standpunkt aus als verwerflich zu betrachten ist oder nicht, und – in der Konsequenz – ob der Zustand des Marktes einen staatlichen Eingriff erfordert oder nicht.
All diese Verfechter des Interventionismus begreifen nicht, dass ihr Programm folglich die Errichtung einer vollständigen Oberhoheit des Staates in allen wirtschaftlichen Angelegenheiten bedeutet und letztlich zu einem Zustand führt, der sich nicht unterscheidet von der sogenannten Deutschen- oder Hindenburg-Version des Sozialismus.
Wenn es dem Urteil des Staates obliegt, ob bestimmte wirtschaftliche Zustände seinen zwangsweisen Eingriff erfordern oder nicht, dann gibt es keinen Raum mehr, in dem sich Märkte entfalten könnten. Dann sind es nicht länger die Konsumenten, die letztlich bestimmen, was hergestellt werden soll, in welchen Mengen, in welcher Qualität, von wem, wo und wie – sondern die Regierung bestimmt das.
Denn sobald der Zustand, der sich bei freien Märkten ergibt, von dem Zustand abweicht, den die Machthaber für ‚sozial‘ wünschenswert halten, wird der Staat intervenieren. Das bedeutet, dass der Markt nur insoweit frei ist, soweit er genau so funktioniert, wie die Regierung das wünscht.
Er ist ‚frei‘, so zu funktionieren, wie es die Machthaber für ‚richtig‘ halten, aber nicht zu solchen Ergebnissen zu gelangen, die sie als ‚falsch‘ erachten; die Entscheidung, was richtig und was falsch ist, liegt beim Staat.
Deshalb führen die Doktrin und die Praxis des Interventionismus letztlich dazu, dasjenige abzuschaffen, was den Interventionismus ursprünglich von einem absoluten Sozialismus unterschieden hat, und am Ende vollständig die Prinzipien einer totalitären, all-umfassenden Planung zu übernehmen.“
Über den Autor
Benjamin Mudlack ist gelernter Bankkaufmann und Diplom-Wirtschaftsinformatiker. Er ist Vorstandsmitglied der Atlas Initiative, Mitglied der Friedrich August von Hayek-Gesellschaft und begleitet aktiv einige andere freiheitliche Projekte wie das Free Economic Forum und den YouTube-Kanal „Der ökonomische IQ“. Im November 2021 veröffentlichte er das Buch „Geldzeitenwende: Vom Enteignungsgeld zurück zum gedeckten Geld“.
Der Artikel erschien zuerst auf der Website Freiheitsfunken.info unter dem Titel: Vom Scheitern der Sozialen Marktwirtschaft …
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