Deutschlands Konjunktur hängt an externen Faktoren – und leidet an Planwirtschaft im Inneren

Von einer Rezession wollen Experten mit Blick auf die deutsche Konjunkturentwicklung noch nicht sprechen – aber dass alle externen Faktoren, die sie destabilisieren könnten, weiterhin ausbleiben, wird unwahrscheinlicher. Zeit eigentlich für die Politik in Berlin, ihre Hausaufgaben zu machen. Dies jedoch unterbleibt, beklagen Fachleute.
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Der Präsident des ifo-Instituts, Clemens Fuest.Foto: Christina Sabrowsky/dpa/dpa
Von 5. August 2019

Ökonomen rechnen mit einem Anhalten der durchwachsenen Konjunkturentwicklung in Deutschland. Deutsche Unternehmen, so berichtet die „Welt“ unter Berufung auf den Präsidenten des ifo-Instituts, Clemens Fuest, seien nach wie vor mit einer Vielzahl von Risiken konfrontiert – während die Politik keine nennenswerten Initiativen setze, um ihnen Luft zu verschaffen.

Angst vor Jobverlust bedroht Kauflaune

Frühindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex oder Unternehmensangaben über Auftragseingänge und Exporterwartungen lassen bereits seit Monaten eine Eintrübung befürchten. Die noch weitgehend intakten Arbeitsmarktdaten hielten zwar, so analysiert die Chefkorrespondentin des Blattes, Dorothea Siems, die Kauflaune aufrecht. Dies könne sich jedoch schon bald ändern, denn die Angst vor dem Jobverlust wachse.

Fuest spricht zwar bis dato nur von einer „konjunkturellen Delle“. Das Wort „Rezession“ scheuen Experten bislang. Dennoch hänge eine einigermaßen stabile Entwicklung davon ab, dass bestimmte Ereignisse ausbleiben, die Deutschland nicht in der Hand habe:

„Wenn es keinen harten Brexit gibt, wenn es nicht zu einem internationalen Handelskrieg kommt, wenn sich der Iran-Konflikt nicht dramatisch zuspitzt und wenn die chinesische Wirtschaft nicht einbricht, dann wird sich die hiesige Wirtschaft im kommenden Jahr wieder erholen.“

Dass keines dieser Ereignisse eintritt, ist jedoch unwahrscheinlicher geworden, zudem steige das Gefühl der Unsicherheit auch in der Wirtschaft insgesamt. Fuest dazu:

„In der Weltwirtschaft verändert sich gerade etwas fundamental, und für die deutschen Unternehmen wird der internationale Handel fundamental unkalkulierbar.“

Steuerbelastung bleibt hoch

Dass mehrere entscheidende Faktoren für die Konjunkturentwicklung von Deutschland nicht beeinflussbar seien, entlasse die Politik jedoch nicht aus ihrer Verantwortung, wenigstens das zu tun, was in ihrer Macht steht, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Dies jedoch geschehe nicht, rügt der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, die Steuerbelastung gerade für Fachkräfte und Mittelständler bleibe hoch.

„Es gibt kaum ein Land, das seine Leistungsträger so schlecht behandelt wie Deutschland“, klagt Steiger. Es fehle das Bewusstsein, dass man seinen Wohlstand vor allem der breit gefächerten, starken Industrie verdanke.

Eine ideologische Politik mit Blick auf Energiewirtschaft, Autoindustrie und energieintensiven Branchen gefährde gerade diese noch relativ stabilen Säulen der deutschen Wirtschaft. Dem stünden weder eine dynamische Innovations- und Gründerkultur noch ein adäquates Vorgehen bei der Digitalisierung gegenüber.

Fuest betont, nur eine konsistente Energiepolitik, die für Versorgungssicherheit und mehr Kosteneffizienz sorge, könnte in der Wirtschaft Vertrauen schaffen. „Und das ist letztlich das Einzige, was die Koalition in diesen Zeiten tun kann.“

„Klimapolitik ohne Rücksicht auf Kosten und Versorgungssicherheit“

Was sich momentan in der Wirtschaft zusammenbraue, bedrohe das lange so erfolgreiche Geschäftsmodell Deutschland AG in seinem Kern, argwöhnt „Welt“-Chefkommentatorin Siems:

„Alle Konjunkturdaten signalisieren ein Ende des Aufschwungs, der ein Jahrzehnt lang für Millionen neuer Jobs, steigende Renten und Löhne sowie prall gefüllte Staatskassen gesorgt hatte. Doch jetzt häufen sich die Verluste und Gewinnwarnungen großer Konzerne. Traditionsreiche Autozulieferer melden Insolvenz an. Und etliche Unternehmen kündigen einen scharfen Personalabbau an.“

Statt auf US-Präsident Donald Trump und den Brexit zu starren, wäre man besser beraten, die zunehmend wirtschaftsskeptische Stimmung im eigenen Land unter die Lupe zu nehmen.

Eine „Klimapolitik ohne Rücksicht auf Kosten und Versorgungssicherheit“ zeige längst schon verheerende Spuren in der Industrie. „Und wenn selbst in der Regierungspartei SPD und in etlichen Landesregierungen ganz unbefangen über Enteignungen von Immobilieneigentümern oder gar über die Verstaatlichung von einem Autokonzern wie BMW geredet wird, dann fragen sich viele Familienunternehmer, wo die Reise in den kommenden Jahren wohl noch hingeht.“

Schluss mit Umverteilen, hin zum Erwirtschaften

Mit immer neuen Sozialleistungen und Arbeitsmarktregulierungen hätten die Koalitionäre in den guten Zeiten eine Wohlfühlpolitik betrieben, die in schlechten Zeiten den Handlungsspielraum der Firmen, aber auch der Politik beträchtlich einenge.

Als 2008 die Weltfinanzkrise ausbrach, gehörte Deutschland noch zu den Stabilitätsankern, betont Siems. Dies sei auch eine Konsequenz der konsequenten Reformpolitik der Regierung Gerhard Schröder gewesen.

„Die rot-grüne Regierung hatte den Wohlfahrtsstaat verschlankt, Bürger und Unternehmen massiv entlastet und den Arbeitsmarkt flexibilisiert. Die GroKo aber drehte nicht nur diese Reformen sukzessive zurück, sondern setzte zudem mit der schlecht gemanagten Energiewende eine kaum mehr beherrschbare Interventionsspirale in Gang.“

Nun sei es an der Zeit, nach Jahren des Umverteilens wieder das Erwirtschaften in den Fokus zu rücken. Neben den aktuellen Konjunkturrisiken stellten Entwicklungen wie Alterung und Digitalisierung das Land vor gewaltige Herausforderungen. Zeit bleibe demgegenüber keine:

„Schröder legte seine Agenda vor, als das Land wirtschaftlich daniederlag. So lange sollte die Bundeskanzlerin nicht warten.“



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