Ein tödliches Geschäftsmodell der EZB: Niedrigzinsen schaden kleinen und mittleren Banken

„Wenn die EZB ihre Geldpolitik jetzt weiter lockern will, dann rettet sie zwar erstmal die vielen Zombiebanken in Südeuropa, sie schadet aber massiv den Sparkassen und Volksbanken in Deutschland“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler. Mit einem Börsenkommentar von Axel Retz.
Titelbild
Das alte EZB Gebäude mit Euro-Symbol in Frankfurt/Main.Foto: iStock
Epoch Times20. Juli 2019

Die niedrigen Zinsen im Euroraum schaden vor allem kleinen und mittleren Banken. Die „Ertragssituation der kleinen und mittelgroßen Kreditinstitute in Deutschland“ sei „weiterhin stark belastet“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der FDP.

Die Regierung beruft sich in dem Papier, das dpa vorliegt, auf die Niedrigzinsumfrage 2017 der Bundesbank und der Finanzaufsicht Bafin. Zuvor hatte die „Rheinische Post“ darüber berichtet.

Die Europäische Zentralbank (EZB) schließt angesichts wachsender Konjunkturrisiken eine Zinserhöhung bis mindestens Mitte 2020 aus. Der Leitzins im Euroraum verharrt vorerst auf dem Rekordtief von null Prozent.

„Wenn die EZB ihre Geldpolitik jetzt weiter lockern will, dann rettet sie zwar erstmal die vielen Zombiebanken in Südeuropa, sie schadet aber massiv den Sparkassen und Volksbanken in Deutschland“, sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler.

Zu schaffen machen den Banken weiterhin auch die Strafzinsen – die negativen Zinsen. Der Bundesregierung zufolge haben 2018 die in Deutschland ansässigen Banken auf ihre bei der Bundesbank gehaltenen Einlagen insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro Zinsen bezahlt.

Europaweit mussten Banken 7,5 Milliarden Euro dafür aufbringen. Dem stünden allerdings Zinserträge in nicht genannter Höhe aus der „zum Großteil zu negativen Zinssätzen aufgenommenen Liquidität“ gegenüber. Banken müssen 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken.

Die europäischen Banken hätten ihre Widerstandsfähigkeit seit der Finanzkrise vor zehn Jahren zwar deutlich erhöht, so die Bundesregierung. Zugleich stellte sie fest: „Im derzeitigen makroökonomischen Umfeld niedriger Zinsen, hoher Schuldenstände und geopolitischer Unsicherheiten haben sich die Finanzstabilitätsrisiken für Europa zuletzt erhöht.“ In Deutschland hätten sich nach Einschätzung des Ausschusses für Finanzstabilität (AFS) „in der langen Phase wirtschaftlichen Wachstums und niedriger Zinsen langsam, aber stetig Verwundbarkeiten im Finanzsystem aufgebaut“.

Axel Retz: Negativzinsen sind nicht „normal“

Börsenexperte Axel Retz schreibt in seinem Börsenbrief vom 20. Juli 2019 zur aktuellen Lage:

Seit dem ersten Wetterleuchten der amerikanischen Hypothekenkrise im August 2008 haben die Notenbanken weltweit das getan, was sie seit Alan Greenspans Liquiditätsflutung der Märkte nach dem „Crash“ vom 19. Oktober 1987 immer getan haben. Sie haben die Zinsen gesenkt. Immer und immer weiter, selbst bei Null war nicht Schluss. Einen Brand mit reichlich Wasser abzulöschen, ist eine gute Idee, solange nicht Öl, Aluminium, Magnesium oder elektrische Leitungen bzw. Geräte brennen. Nur sollte man nicht vergessen,
danach das Wasser auch wieder abzudrehen, weil sonst ganz andere Probleme drohen.

Genau das haben die Notenbanken versäumt. Mit fatalen Folgen. Der Fehlanreiz billigen Geldes und die damit einhergehende künstliche Lebensverlängerung todgeweihter Zombi-Unternehmen und die Kreditvergabe an faktisch nicht kreditwürdige Kunden sind leider nicht begradigt worden, was für die Banken die gleichen Risiken bedeutet wie 2008, nur erheblich ausgeprägter.

Christine Lagarde wird im Herbst auf dem Stuhl Mario Draghis Platz nehmen. Die IWF-Chefin vertritt eine Geldpolitik, die der des scheidenden EZB-Präsidenten recht ähnlich ist. Aber sie ist weitaus „radikaler“.

Und sie hegt große Sympathien für Harvard-Professor Ken Rogoff, der den IWF von 2001-2003 beriet und ein glühender Verfechter der Abschaffung des Bargeldes ist https://de.wikipedia.org/wiki/Kenneth_S._Rogoff#Forderung_nach_Abschaffung_des_Bargeldes

Die Hoffnung, dass Bundesbankpräsident Jens Weidmann, ein entschiedener Gegner der Draghi-Geldpolitik, im Herbst an die EZB-Spitze aufrücken würde, hat sich leider nicht bewahrheitet. Unter anderem deshalb, weil die Postenvergabe in der EU mehr auf Nationalitäten-Proporz als auf Kompetenz achtet. Und da Ursula von der Leyen, die sich weltweit beachtet als Totengräberin der Bundeswehr einen Namen gemacht hat, nun ihrerseits Jean-Claude Juncker beerben wird, war für den guten Jens kein Platz mehr. Die Physikerin Merkel im wichtigsten EU-Land an der Spitze, die Juristin Christine Lagarde auf dem Chefsessel der EZB, AKK als neue Verteidigungsministerin und die Ärztin von der Leyen als neue Präsidentin der EU-Kommission – was für ein Setup für die Zukunft der EU!

Negativzinsen (deutsche Umlaufrendite gestern bei minus 0,36 Prozent) sind nicht „normal“. Und man fragt sich, warum sich irgendjemand dem Risiko aussetzt, irgendwem Geld zu leihen, von dem er nicht weiß, ob er es je wiedersehen wird, wohl aber gewiss sein kann, dass er günstigstenfalls weniger als das Ausgeliehene zurückbekommt. Als Geschäftsmodell für Banken ist das tödlich, aber der Aufschrei bleibt aus.

2,4 Milliarden Euro an Negativzinsen haben deutsche Banken der Bundesbank 2018 dafür gezahlt, bei ihr Einlagen zu parken, US-Banken hingegen bekommen dafür Zinsen von der Fed. Und da wundert man sich, dass die US-Geldhäuser weitaus besser dastehen als ihre deutschen Wettbewerber? (dpa/ks)



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