Einheitliche Cloud für die EU-Wirtschaft: Habeck genehmigt SAP-Projekt

Es soll schnell gehen: Habeck will zügig eine einheitliche digitale Infrastruktur für die Wirtschaft in Europa. SAP wird einen Teil der insgesamt 750 Millionen Euro erhalten, die Berlin dafür ausgibt. Wie stellt sich die Bundesregierung das vor?
«Umgehungsaktivitäten effektiver als bislang entgegenstellen»: Robert Habeck.
„Schnelligkeit ist entscheidend für den Erfolg europäischer Industriepolitik“, sagt Habeck mit Blick auf das neue Vorhaben.Foto: Fabian Sommer/dpa
Von 28. März 2023


Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) treibt die Pläne für eine einheitliche digitale Infrastruktur für die Wirtschaft in Europa voran. Entstehen soll eine europäische Cloud. Sein Ministerium habe ein Projekt von SAP genehmigt, das die Grundlage für die neue Infrastruktur legen soll, berichtet das „Handelsblatt“. Der Softwarehersteller könne jetzt noch „vor der finalen Beihilfeentscheidung der Europäischen Kommission mit seinem Vorhaben beginnen“, so das Ministerium.

„Schnelligkeit ist entscheidend für den Erfolg europäischer Industriepolitik“, sagte Habeck dem „Handelsblatt“.  SAP soll im Rahmen eines „Important Project of Common European Interest“, kurz IPCEI, gefördert werden. Das ermöglicht staatliche Unterstützung über die eigentlichen EU-Vorgaben hinaus. Für die Förderung von SAP und den weiteren geplanten Projekten will die Bundesregierung insgesamt 750 Millionen Euro in die Hand nehmen.

Dank der Genehmigung aus Habecks Ministerium kann SAP auch ohne die finale Entscheidung der EU-Kommission mit der Arbeit beginnen. Das Unternehmen bekommt aber so lange noch kein staatliches Geld, bis Brüssel seine Freigabe erteilt hat. Das IPCEI sei „ein zentrales Vorhaben für unser Ziel, die europäische digitale Souveränität auszubauen und zu sichern“, sagte Habeck.

Zwölf EU-Mitgliedstaaten arbeiten an der gemeinsamen europäischen Cloud-Infrastruktur – darunter Belgien, Italien, Ungarn, Niederlande, Polen, Slowenien und Spanien. Die Initiatoren des Projektes zum Aufbau von Cloud-Infrastrukturen und -Services in Europa (IPCEI-CIS) waren Deutschland und Frankreich, die das Vorhaben seit Anfang 2021 entwickelten. Am 7. Februar 2022 veröffentlichten schließlich die zwölf beteiligten Mitgliedstaaten ein sogenanntes Manifest über ihre Ziele.

SAP-Projekt ist erstes von 22 Teilinitiativen

Eine zuvor von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie hatte laut dem Medienportal „Heise“ ergeben, dass im Cloud-Sektor die Marktposition und die Größe der Big Tech-Unternehmen Amazon, Google und Microsoft den Eintritt anderer Wettbewerber weniger lohnend machten. Zudem sei dadurch der Aufstieg einer europäischen Führungsposition in neuen Segmenten erheblich erschwert.

Cloud-Nutzer hätten eine eingeschränkte oder gar nicht vorhandene Möglichkeit, zwischen verschiedenen Dienstanbietern zu wechseln und ihre Daten mitzunehmen. Bei der Nutzung ausländischer Cloud-Dienste kämen außerdem noch große Bedenken aus Gründen des Datenschutzes und der Cybersicherheit hinzu.

Das oben genannte SAP-Projekt sei das erste von insgesamt 22 deutschen Teilinitiativen. 159 Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf europäischer Ebene würden mittlerweile diesbezüglich zusammenarbeiten – darunter Siemens, die Deutsche Telekom und Atos.

Das gesamte Investitionsvolumen aller europäischer Partner, von denen Deutschland zunächst 750 Millionen Euro beisteuern will, liege bei über fünf Milliarden Euro. Ein weiterer Förderaufruf seitens des Bundes mit Fokus auf „nachhaltige und resiliente Nutzungsszenarien“ sei jedoch in Planung.

Parallelprojekt Gaia-X aus Merkel-Ära

Ein damit in Zusammenhang stehendes Parallelprojekt hat seinen Ursprung unter der Regierung Merkel. Unter dem Namen Gaia-X stellte der frühere Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung im Jahr 2019 begeistert seine „bahnbrechende Idee“ vor.

Damals sprach er vom „europäischen Moonshot in der Digitalpolitik“. Der Vorteil für die Unternehmen sei, dass sie datengetriebene Produkte und Geschäftsmodelle über ihre eigene Organisation hinaus entwickeln könnten, habe Altmaier laut „Handelsblatt“ gesagt. Die Anwender hätten auch viel mehr Auswahl.

Der Erfolg sei „zentral für Deutschland, für Frankreich und für Europa, wenn es um wirtschaftliche Stärke und Souveränität geht“. Dies betonte Altmaier, als er die Vision ein Jahr später zusammen mit Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, den er inzwischen als Unterstützer gewonnen hatte, erneut in Berlin vorstellte.

Und laut Le Maire sei eine „sichere europäische Cloud heute noch wichtiger als zum Zeitpunkt der ersten Überlegungen“, weil viele Unternehmen seit der Coronakrise Telearbeit einführen. Die großen Technologiekonzerne aus den USA „sind die Gewinner der Krise, der europäische digitale Raum muss geschützt werden“, wird er damals in den Medien zitiert.

Die Ausgangssituation beider Projekte bestand darin, der Dominanz von wenigen großen Konzernen aus Drittstaaten wie USA oder China entgegenzuwirken. Und erst durch eine gemeinsame europäische Cloud-Infrastruktur könne die europäische Wirtschaft voll genutzt und die Abhängigkeiten zu diesen Ländern abgebaut werden.

Auf der anderen Seite hätten wiederum Unternehmen aus der ganzen Welt die Möglichkeit, sich zu beteiligen, vorausgesetzt, sie würden sich an die Regeln halten. Selbst Unternehmen aus China und den USA, wie Huawei, Alibaba, Amazon, Google, Microsoft, Palantir und Salesforce, könnten daran teilnehmen – auch wenn diese interessanterweise nicht immer als Vorbilder für die von den Gaia-X-Initiatoren angestrebten Werte wie Datenschutz und Transparenz gelten.



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