EU-Kommission: Schlusslicht Deutschland zieht Europas Wirtschaft nach unten

Deutschlands Schwäche zieht die gesamte EU-Wirtschaft abwärts. Zu diesem Schluss kommt mittlerweile auch die Kommission in Brüssel. Allerdings ist auch dort die Bereitschaft zur Selbstkritik wenig spürbar.
Flaggen der Europäischen Union vor dem Europa-Gebäude in Brüssel. Die Wirtschaft in der EU wird in diesem Jahr nach einer Prognose der EU-Kommission langsamer wachsen als zuletzt erwartet.
Flaggen der Europäischen Union vor dem Europa-Gebäude in Brüssel. Die Wirtschaft in der EU wird in diesem Jahr nach einer Prognose der EU-Kommission langsamer wachsen als zuletzt erwartet.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa
Von 12. September 2023


Die EU-Kommission hat ihre jüngste Konjunkturprognose vorgelegt – und diese ist vor allem für Deutschland wenig schmeichelhaft. Brüssel bestätigt, was Forschungsinstitute und Analysten bereits erahnt hatten: Die deutsche Wirtschaft ist das Schlusslicht in Europa. Darüber hinaus ist die frühere Wachstumslokomotive mittlerweile zum Faktor geworden, der die ohnehin durchwachsenen Aussichten Europas noch weiter hinunterzieht.

Prognosen deutlich nach unten korrigiert

Wie der „Business Insider“ berichtet, geht auch die EU-Kommission mittlerweile von einem Minuswachstum in Deutschland aus. Im Jahr 2023 wird dieses demnach minus 0,4 Prozent betragen. Ursprünglich hatte man dem Land in Brüssel immerhin noch ein minimales Plus von 0,2 Prozent zugetraut.

Für das nächste Jahr geht man von einem Plus von 1,1 Prozent aus. Aber auch hier bleibt eine spätere Korrektur nach unten möglich. Zuvor war man noch von 1,4 Prozent ausgegangen.

Die Kommission senkte zudem die Prognose für das BIP-Wachstum aller EU-Mitgliedstaaten für 2023 von 1,0 auf 0,8 Prozent. Mit Blick auf das nächste Jahr ist man ebenfalls vorsichtiger geworden und sagt nur noch 1,4 statt 1,7 Prozent Plus beim BIP voraus.

EU-Kommission nennt Krieg und EZB als wesentliche Faktoren

Bei der Nennung der Gründe ist man in Brüssel schnell mit Schuldzuweisungen bei der Hand. Der „russische Angriffskrieg“ in der Ukraine sei es, der eine hohe Inflation und Schockwellen in ganz Europa bewirkt habe. Dazu komme die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), die unter dem Eindruck der hohen Inflation ihre jahrelange Nullzinspolitik beendet hatte.

Dies, so die EU-Kommission, habe der EU-Wirtschaft, die sich „nach wie vor widerstandsfähig“ zeige, die Dynamik geraubt. Die Folgen zeigten sich vor allem im Bereich der Kreditvergabe:

Mittlerweile zeigt die starke Verlangsamung der Bereitstellung von Bankkrediten an die Wirtschaft, dass sich die geldpolitische Verschärfung durch die Wirtschaft auswirkt.“

Im Jahr 2023 wird die Inflation mit 5,6 Prozent hoch bleiben. Dennoch rechnet man mit einer Erholung im nächsten Jahr, wo sie am Ende nur noch 2,9 Prozent betragen soll. Hoffnung setzt man dabei auf sinkende Nahrungsmittelpreise und jene Preise für wenig energieintensive Industrieerzeugnisse.

Keine Konkurrenzfähigkeit mehr gegenüber den USA und China

Kaum zur Sprache kommt hingegen, inwieweit Faktoren wie hohe Energiepreise und Inflation, die eine wirtschaftliche Erholung behindern, Folgen eigener politischer Entscheidungen sein könnten. So ist es weniger der noch andauernde Krieg in der Ukraine, der in die Rohstoffpreise zunehmend eingepreist ist, der die Industrie aus Europa vertreibt.

Es ist vielmehr die strukturell fehlende Konkurrenzfähigkeit Europas, die daraus resultiert, dass die Energiepreise dauerhaft deutlich höher sind als beispielsweise in den USA. Ideologische Programme wie der „Green Deal“, die man in Brüssel mit der Brechstange durchzusetzen versucht, bleiben als mögliche Ursachen unerwähnt. Experten und Verbände hingegen gehen gerade davon aus. Deshalb bleibe man nicht nur gegenüber den USA, sondern auch gegenüber China im Hintertreffen.

Aufgrund der deutlich höheren Preise ist die EU auch dort, wo sie erneuerbare Energien bereits ausgebaut hat, nicht konkurrenzfähig. Länder wie Chile oder die Golfstaaten weisen auch in diesem Bereich erheblich geringere Herstellungskosten auf.

EU stößt selbst Verbündete vor den Kopf

Dazu kommt das sendungsbewusste Auftreten Europas gegenüber Drittstaaten, das ebenfalls nicht überall auf Gegenliebe stößt. So wehren sich unter anderem lateinamerikanische und afrikanische Staaten zunehmend gegen europäische Bemühungen, Freihandel von unrealistischen ökologischen Vorgaben abhängig zu machen. Die EU wiederum macht keinen Hehl daraus, unter dem Banner des „Klimaschutzes“ protektionistische Maßnahmen ins Auge zu fassen.

Dies bringt die EU in Gefahr, nach dem Bruch mit Russland auch unter neutralen oder sogar verbündeten Staaten an Rückhalt zu verlieren. Bereits in den 2010er-Jahren ist das geplante Freihandelsabkommen TTIP mit den USA gescheitert.

Diese Strategie rächt sich jetzt, wo in den USA eine Reindustrialisierung stattfindet. Die Regierung Biden gewährt Unternehmen, die in den USA oder in Mexiko und Kanada in den Ausbau erneuerbarer Energien investieren, erhebliche Vergünstigungen. Die EU forderte eine Gleichbehandlung mit diesen Staaten ein – im Unterschied zu ihr haben diese mit den USA jedoch ein Freihandelsabkommen geschlossen.

Dazu kommen Faktoren wie der demografische Absturz inklusive dem dadurch ausgelösten Facharbeitermangel. Im Bericht der EU-Kommission ist von solchen Hemmschuhen für die BIP-Entwicklung jedoch kaum die Rede.



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