Europol: Drogenschmuggler unterwandern verstärkt EU-Häfen

Ein Europol-Bericht zeigt, dass Schmuggler zunehmend die Hafenlogistik ausnutzen, um tonnenweise illegale Drogen nach Europa einzuführen. Die Containerhäfen in Rotterdam, Antwerpen und Hamburg sind besonders beliebte Ziele.
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Das Containerschiff „Torrente“ wird im Containerhafen von Rotterdam, Niederlande, entladen.Foto: Simon Wohlfahrt/AFP via Getty Images
Von 18. April 2023

Aus einer Analyse von Europol und Partnern geht hervor, dass die großen EU-Häfen in Rotterdam, Antwerpen und Hamburg besonders anfällig für Unterwanderung durch kriminelle Netzwerke sind. Sie werden zunehmend für die illegale Einschleusung von Drogen und anderen Waren genutzt.

Über 90 Millionen Schiffscontainer werden jährlich in den EU-Häfen umgeschlagen. Allerdings können nur zwischen zwei und zehn Prozent der Container durch das Personal untersucht werden. „Das macht die Entdeckung von illegalen Waren extrem schwierig“, heißt es in dem Bericht. Mindestens 200 Tonnen Kokain sollen bereits über große Schiffscontainer und Frachtschiffe in die EU geschmuggelt worden sein, heißt es weiter.

Für das Schmuggeln über Häfen nutzt man zunehmend Container-Referenzcodes (in Fachkreisen PIN-Code-Betrug genannt). Dabei benötigen die Schleuserbanden lediglich einen korrupten Mitarbeiter in einem Logistikunternehmen, der den Referenzcode eines Containers weitergibt, sowie einen Lkw-Fahrer, der den Container mit diesem Referenzcode vom Hafen abholt. Im Hafengebiet selbst braucht man – im Gegensatz zu früher – gar keine kriminellen Unterstützer.

Zuvor hat man mithilfe dieses Codes durch den korrupten Insider gezielt einen Container innerhalb der Logistikkette mit der illegalen Fracht beladen. Dabei zeigt sich anhand des Berichtes, mit welcher kriminellen Energie und wie organisiert die Verbrecher vorgehen.

Hunderttausende Euro an Bestechungsgeldern

Die Schleuserbanden stützen sich bei ihren Schmuggelaktivitäten auf weltweite Netzwerke mit einzelnen Zellen von „vertrauenswürdigen“ Mitgliedern in der Logistikkette. Oder sie nutzen spezielle Dienstleister.

Zuvor werden Insiderdaten analysiert, um ganz bestimmte Transportwege und Seecontainer auszuwählen, bei denen die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sie inspiziert werden.

Korrupte Akteure, die ihnen beim Transport der illegalen Waren helfen, können Hafenarbeiter, Personal von Schifffahrtsgesellschaften, Spediteure, Verschiffungsagenten, Importeure, Transportunternehmer, Sicherheitsleute oder Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden und des Zolls sein.

Die Bestechungsgelder können Hunderttausende Euro betragen. Die höchsten Gebühren werden an wichtige Glieder der Logistikkette gezahlt, das sind oft Kranführer, Planer oder Mitarbeiter, die Zugang zu Informationen über IT-Systeme haben. Die Koordinatoren der Logistikteams erhalten dabei einen besonders großen Anteil. Er beträgt zwischen sieben und 15 Prozent des Wertes der illegalen Ladung.

„Korruption wichtigster Faktor für kriminelle Unterwanderung“

Bislang hatte sich die Einführung des PIN-Code-Systems für Logistikunternehmen als wirksame Lösung gegen das Schmuggeln erwiesen. Nur dieser Code erlaubt das Abholen von Containern.

Allerdings gibt es bei dem System offenbar vermehrt Sicherheitslücken, die ausgenutzt werden. Daher empfiehlt der Bericht, dass weitere Präventivmaßnahmen von Häfen und deren Partnern ergriffen werden.

So sollten eine Zugangsprotokollierung und andere Mechanismen eingeführt werden. Sie sollen eine genaue Nachverfolgung ermöglichen, wer wann auf sensible Daten auf den Datenbanken mit den Referenzcodes zugegriffen hat.

Auch sollte ein Warnsystem, das Unregelmäßigkeiten bei Datenabfragen erkennt, eingerichtet sein. Zudem könnten verstärkte Ausweiskontrollen bei den Lkw-Fahrern an den Hafenterminals durchgeführt werden, schlagen die Autoren im Bericht vor.

Das allein reiche allerdings nicht aus, erklären sie: „Korruption ist der wichtigste Faktor für die kriminelle Unterwanderung der Häfen“, heißt es zusammenfassend.

„Sie haben nur eines im Sinn – Profit“

„Kriminelle Netze arbeiten eng zusammen, um die Sicherheit an den Landgrenzen und in den Luft- und Seehäfen zu umgehen“, sagte die Exekutivdirektorin von Europol, Catherine De Bolle. „Sie haben nur eines im Sinn – Profit. Eine wirksame Antwort darauf ist eine engere Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor; dies wird beide Seiten stärken“, zitiert die „ARD“ die Direktorin.

Mit einem höheren Automatisierungsgrad und der zunehmenden Digitalisierung der Frachtumschlagsverfahren, um mehr Container bearbeiten zu können, sollte die Zusammenarbeit zwischen privaten und öffentlichen Partnern bei den Sicherheitsmaßnahmen enger werden, fordern die Autoren. Sie empfehlen, durch die „Entwicklung sicherer Datenbanksysteme, neue innovative Technologien und die Nutzung künstlicher Intelligenz“ die großen Häfen sicherer zu machen.

Gleichzeitig warnen die Autoren davor, dass, während die großen EU-Häfen ihre Sicherheitsvorkehrungen verstärken, kleinere EU-Häfen für kriminelle Netzwerke immer attraktiver werden könnten. Hier beobachten sie schon jetzt eine Zunahme des Kokainschmuggels, vermutlich aufgrund der weniger strengen Sicherheitsmaßnahmen.

„Der Europol-Bericht über kriminelle Netzwerke in Häfen zeigt, womit wir es zu tun haben“, sagte die EU-Kommissarin für Inneres, Ylva Johansson. Es zeige, wie raffiniert die  kriminellen Drogenbanden sind und wie massiv und rücksichtslos sie vorgehen würden.

„Die Drogenhändler fördern korrupte Handlungen und Praktiken, manchmal durch Bestechung, manchmal durch Einschüchterung. Wir arbeiten mit den Behörden auf allen Ebenen zusammen, um die Systeme im Kampf gegen die in diesem Bericht beschriebenen kriminellen Aktivitäten zu stärken“, zitiert die „ARD“ die EU-Kommissarin, deren Kommission die Erstellung des Berichtes unterstützte.

Hamburg drittgrößter Hafen der EU

Der Hafen in Rotterdam war 2020 der EU-weit größte Containerhafen (13,4 Million TEU Umschlag), dann folgt Antwerpen (12,0 Million TEU) und Hamburg (8,8 Million TEU). TEU ist die Maßeinheit für einen 20-Fuß-Container (Twenty-foot Equivalent Unit, 5,90 × 2,35 × 2,39 Meter).

Alle drei hochautomatisierten Häfen sind bei den Schmugglern besonders beliebt, da sie einen hohen Durchlauf an Schiffscontainern haben und viele öffentliche und private Akteure einen Zugang zum Hafen und den hafenbezogenen Datensystemen besitzen. Dies erleichtert die Infiltration.



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