Experte: Automarkt China am Wendepunkt
„Dort befinden wir uns derzeit im Übergang von einem stark wachsenden zu einem sich zunehmend moderat entwickelnden Markt“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur nach einem längeren Aufenthalt im Reich der Mitte. Für die deutschen Autobauer Volkswagen, BMW und Daimler sei die geschäftliche Lage aktuell gleich mehrfach heikel. In ihrer Heimat profitieren Hersteller PS-starker Modelle derweil laut einer Studie weiter von den vergleichsweise niedrigen Spritpreisen.
Nicht nur das Ende der zweistelligen Wachstumsraten sorge bei den Autoverkäufen in China für neue Herausforderungen. Der dynamische Boom des Internets und seiner Geschäftsmodelle treffe die Anbieter.
„In China gibt es schon heute 650 Millionen Smartphone-Nutzer“, sagte Bratzel. „Und ganz anders als etwa in Deutschland läuft bereits ein hoher Anteil der Verkaufsanbahnung in den Autohäusern über das Internet, bis hin zum Abschluss.“ Verkaufs- und Serviceangebote sowie taxiähnliche Online-Fahrdienste schössen durch die Decke.
„Das Internet durchdringt die Mobilitätswelt in China dynamischer als anderswo“, sagte Bratzel. Hintergrund sei auch, dass Neuwagenkäufer bei den Premiumherstellern dort im Schnitt 36 Jahre alt seien – in Deutschland dagegen weit über 50 Jahre. Und noch immer seien gut zwei Drittel (68 Prozent) der Käufer eines Neuwagens in China Erstkäufer.
Bratzel sieht die deutschen Hersteller in Zugzwang. Nur gute Autos anzubieten und die Vertriebsnetze auszubauen, reiche nicht mehr. Beim Car-Sharing etwa müssten Angebote her. Volkswagen prüfe das bereits.
Das Wachstum der Mittelschicht in dem asiatischen Riesenreich sorge auch für eine Segmentverschiebung bei den nachgefragten Modellen. So stünden günstige Geländelimousinen (SUV) hoch im Kurs. Die aber hat beispielsweise China-Marktführer Volkswagen noch nicht im Angebot. Die Wolfsburger erleben in dem Land, wo sie gut ein Drittel aller Wagen absetzen, derzeit eine ungewohnte Flaute. So lag der konzernweite China-Absatz per Mai 1,1 Prozent unter Vorjahr.
Die im langjährigen Vergleich günstigen Spritpreise erhöhen in Deutschland den PS-Hunger der Autokäufer – ähnlich wie in den USA. „Gekauft werden vermehrt Fahrzeuge mit höherer Motorleistung, während alternative Antriebe wie Erd- oder Flüssiggas und Elektoantriebe zu „Mauerblümchen“ degenerieren“, heißt es in einer Analyse des CAR-Centers der Universität Duisburg-Essen, die der „Welt am Sonntag“ vorlag. Im Schnitt liege die Neuwagen-Motorenstärke bei 143 PS.
In China sei die Lage durchwachsen: „Es herrscht dort im Moment eine gewisse Ratlosigkeit“, so Bratzel. „Die Frage ist, ob die Verkaufsrückgänge nur eine vorübergehende Delle sind.“
Zudem würden die chinesischen Hersteller konkurrenzfähiger. Auch die Vorgabe der kommunistischen Führung für ihre Kader, stärker Autos aus heimischer Produktion zu kaufen, belaste den Erfolg westlicher Luxusmarken wie Audi, BMW, Mercedes oder Porsche.
(dpa)
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