Bilanz-Betrug Wirecard: Bafin-Chef Hufeld kämpft um Ruf und Posten

Das Wirecard-Desaster bringt die deutsche Finanzaufsicht in Erklärungsnot. Hat die Bafin nicht genau genug hingeschaut? Ihr Chef hält mit Kritik normalerweise nicht hinter dem Berg.
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Felix Hufeld 2015 bei der Jahres-Pressekonferenz. Der Bafin-Chef begann seine berufliche Laufbahn 1992 als Unternehmensberater bei Boston Consulting.Foto: picture alliance / dpa/dpa
Epoch Times6. Juli 2020

Felix Hufeld ist für deutliche Worte bekannt. Schon kurz nach seinem Antritt als Chef der Finanzaufsicht Bafin im März 2015 galt der Jurist als „Bankenschreck“.

Nun kämpft Deutschlands oberster Finanzaufseher um seinen Ruf – und das Ansehen einer Behörde, der Politiker im Bilanzskandal beim Zahlungsdienstleister Wirecard Versagen vorwerfen.

Selbst legt der gebürtige Mainzer hohe Maßstäbe an. Managern liest er durchaus mal auf offener Bühne die Leviten. „Opfermentalität“ bescheinigte Hufeld Bankern bei einer Konferenz im September 2019, weil führende Vertreter der Branche immer wieder das Zinstief als Begründung für magere Gewinne anführten, statt Geschäftsmodelle radikal umzubauen.

Im März 2020 bekräftigte der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), nicht alle hätten „den Schuss gehört“.

Und die Bafin im Fall Wirecard?

Hätten die Aufseher nicht früher aufmerksam werden müssen, dass bei dem in rasanter Geschwindigkeit zum Dax-Konzern aufgestiegenen Fintech womöglich nicht alles mit rechten Dingen zuging? Seit 2015 berichtete die britische Zeitung „Financial Times“ (FT) immer wieder über Merkwürdigkeiten und Unregelmäßigkeiten bei Wirecard.

In diesem Frühjahr dann der große Knall: Milliardenloch in der Bilanz, Insolvenzantrag, Austausch des Vorstands, Ermittlungen gegen den Ex-Chef.

Hufeld nennt die Vorgänge eine „Schande“ – und äußert sich selbstkritisch zur Rolle der Aufsicht: „Wir sind nicht effektiv genug gewesen, um zu verhindern, dass so etwas passiert.“

Zugleich aber stellt der 59-Jährige klar: Seine Behörde war und ist formal nur für die Wirecard Bank AG zuständig – der Gesamtkonzern Wirecard sei im Einvernehmen diverser Aufsichtsbehörden als Technologieunternehmen eingestuft worden.

„Wir hätten die Einstufung als Finanzholding schneller zu Ende bringen müssen“, räumt Hufeld jüngst im Gespräch mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ ein. „Auch wenn dies mit ziemlicher Sicherheit nichts gegen Bilanzbetrug und Täuschungen mit hoher krimineller Energie hätte ausrichten können.“

Hufeld, der sich in der Vergangenheit als Aufseher mit Biss präsentierte („Aufsicht muss auch beißen können – allein die noch so gute Analyse tut es nicht.“) zeigt sich auch in der Frage von Verantwortung für das aktuelle Desaster kämpferisch.

„Bei aller Bereitschaft, künftig Fälle wie Wirecard auszuschließen und meine Behörde noch effektiver aufzustellen, sehe ich nicht, wo die Bafin gegen EU-Recht verstoßen haben sollte“, sagt der Bafin-Chef in dem Anfang Juli veröffentlichten „Zeit“-Interview.

Bafin wie ein zahnloser Tiger

Dennoch: Es ist nicht das erste Mal, dass die Bafin wie ein zahnloser Tiger erscheint, dem im richtigen Moment der Biss fehlt. In der Finanzkrise 2008 warfen Kritiker der Behörde vor, Zockergeschäfte von Banken nicht rechtzeitig erkannt zu haben – zum Beispiel im Fall des später in einer Notaktion verstaatlichten Immobilienfinanzierers HRE.

Und was tat die Bafin, als jahrelang Aktien zu Lasten der Steuerkasse hin- und hergeschoben wurden – die sogenannten Cum-Ex-Geschäfte?

Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Wirecard-Skandal verdeutlicht, wie zersplittert die Aufsicht in Deutschland ist. Die Kontrolle von Unternehmensbilanzen ist zwar eine Aufgabe der Bafin – aber erst in zweiter Stufe.

Primär zuständig ist die privatrechtlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) – und die stellte angeblich nur einen Mitarbeiter für einen Prüfauftrag der Bafin in Sachen Wirecard ab.

Zudem ließen sich auch Analysten und Investoren vom Fabelaufstieg des Zahlungsdienstleisters Wirecard mit seiner eher unscheinbaren Zentrale im Münchner Vorort Aschheim blenden.

Hufeld sieht keinen Grund für einen Rücktritt

Hufeld begann seine berufliche Laufbahn 1992 als Unternehmensberater bei Boston Consulting. Er stieg bei der Dresdner Bank zum Leiter der weltweiten Konzernentwicklung auf (1999 bis 2001) und leitete anschließend für fast zehn Jahre das Deutschland-Geschäft des internationalen Versicherungsmaklers Marsh.

Als er 2010 bei Marsh aufhörte, konzentrierte sich Hufeld zunächst auf einige Beteiligungen und Aufsichtsratsmandate. Ab Januar 2013 ließ sich Hufeld bei der Bafin in die Pflicht nehmen und übernahm bei der Behörde zunächst die Versicherungsaufsicht.

Dass die Bonner Behörde auch in Frankfurt einen Standort hat, kommt dem verheirateten Vater zweier Kinder zupass: Hufeld wohnt unweit davon in Bad Homburg im Taunus.

Angesprochen auf aktuelle Rücktrittsforderungen bleibt sich Hufeld im „Zeit“-Interview treu: „Wäre unser Verhalten bei fairer Betrachtung als wirkliche Verfehlung einzustufen, dann wäre ich der Erste, der die Konsequenz zieht. Das kann ich im Fall Wirecard aber nicht erkennen.“ (dpa)



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