Chinesische Banken expandieren in Hongkong – Ausländische Banken ziehen sich zurück

Immer mehr ausländische Banken verlassen Hongkong, während chinesische Investmentbanken vom Nationalen Sicherheitsgesetz profitieren – zumindest vorübergehend.
Titelbild
Die Exchange Square in Hongkong am 9. März 2020.Foto: ISAAC LAWRENCE/AFP über Getty Images
Von 25. August 2020

Das Nationale Sicherheitsgesetz, das Peking im Juli Hongkong auferlegt hat, hat für chinesische Investmentbanken enorme Vorteile gebracht, die in diesem Gebiet Marktanteile erobern wollen.

Hongkong ist traditionell der Ort, an dem Unternehmen aus dem chinesischen Mutterland Fremd- und Eigenkapital von ausländischen Investoren aufnehmen. Daher haben in den vergangenen Jahren nicht chinesische Banken den Markt in Hongkong dominiert. Aber das Gesetz zur Nationalen Sicherheit, welches die Meinungsfreiheit in Hongkong zu ersticken begann, hat einen Trend zur Einschränkung der Tätigkeit ausländischer Banken weiter beschleunigt.

Einige Banken, wie zum Beispiel die in London ansässige HSBC, unterstützen aktiv das Sicherheitsgesetz. Andere reagieren eher zurückhaltend. Der Geschäftsführer der Citigroup, Michael Corbat, sagte, dass Citi „lokale Gesetze befolgen“ würde und dass die Bank „ziemlich daran gewöhnt ist, in belasteten oder komplexen Umgebungen zu operieren“.

Misstrauen, Pandemie und die Proteste belasten Finanzwelt in Hongkong

Das Sicherheitsgesetz ist eine weitere Herausforderung für ausländische Banken, die in Hongkong tätig sind. In den vergangenen Jahren wuchs das Misstrauen gegenüber ausländischen Unternehmen. Der Ausbruch der Pandemie hat die Wirtschaft quasi eingefroren. Auch die anhaltenden Proteste und die Polizeigewalt, welche die Stadt im vergangenen Jahr geprägt haben, traf die Finanzwelt in Hongkong schwer.

Eine Studie der „Financial Times“ von diesem Monat ergab, dass es mehr als 2.100 Finanzprofis gibt, die bei Banken und Maklerfirmen auf dem chinesischen Festland beschäftigt sind. Dies liegt nur knapp unter den etwa 2.500 Mitarbeitern von Wall-Street-Banken wie Citigroup, Morgan Stanley und J.P. Morgan Chase.

Rückblickend auf die letzten sieben Jahre ist der Trend stark rückläufig – die Zahl der Bankkaufleute bei ausländischen Firmen ist um etwa 300 zurückgegangen, während die Zahl der Angestellten bei chinesischen Banken um mehr als 1.100 angestiegen ist. Bei diesen Zahlen handelt es sich um Bankiers, Händler und andere Finanzfachleute, die von der Hongkonger Kommission für Wertpapiere und Terminmärkte zugelassen sind.

Wall Street verlässt Hongkong

So ist zum Beispiel der langjährige Leiter der Asien-Pazifik-Region der Deutschen Bank mit Sitz in Hongkong, Werner Steinmüller, im Juli in den Ruhestand getreten. Sein Nachfolger, Alexander von zur Mühlen, wird das Asien-Geschäft des Unternehmens nicht von Hongkong, sondern von Singapur aus leiten.

Ein Bankier in Hongkong, der anonym bleiben wollte, erzählte kürzlich der Epoch Times, dass einige leitende Führungskräfte der Wall Street-Banken Hongkong bereits verlassen oder ihren Rücktritt vor Monaten angekündigt hätten – eine Stimmung, die von Personalverantwortlichen bestätigt wird.

„Die Proteste, das Nationale Sicherheitsgesetz, die Pandemie, der Handelskrieg – all das beschleunigt das Ganze“, sagte John Mullally, Leiter der Rekrutierung im Finanzsektor bei Robert Walters Hongkong, gegenüber „Financial Times“.

Es scheint, dass auch die Investoren aufmerksam geworden sind. Die Aktien der Citic Securities Co., Chinas größter Investmentbank, sind seit dem 30. Juni – dem Tag, an dem Peking bekannt gab, dass das Gesetz zur Nationalen Sicherheit in Hongkong in Kraft getreten ist – um 31 Prozent gestiegen. Zuvor waren die Aktien von Citic zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni um 5 Prozent gefallen.

Delisting in den USA treibt Aktivitäten in Hongkong an

Die Hong Kong Exchanges and Clearing (HKEX), welche die wichtigste Börse Hongkongs betreibt, ist der Ansicht, dass der anhaltende wirtschaftliche Streit zwischen den USA und China ihre Aussichten verbessern würde. Die Erwägung der US-Regierung, in den Vereinigten Staaten gehandelte chinesische Unternehmen von der Notierung zu nehmen, könnte solche Unternehmen zwingen, als defensive Maßnahme eine Zweitnotierung in Hongkong anzustreben.

Neunundfünfzig Unternehmen verkauften in der ersten Hälfte des Jahres 2020 neue Aktien in Hongkong, wodurch 11 Milliarden Dollar eingenommen wurden. Hongkong wurde damit nach der Nasdaq und der Börse von Shanghai zur drittgrößten Börse der Welt in Bezug auf den Gesamterlös, so die Daten des Finanzdienstleistungsunternehmens EY.

Im zweiten Quartal 2020 brachten die chinesischen Technologieriesen JD.com und NetEase, deren Aktien hauptsächlich in New York notiert sind, in Hongkong zusammen über 6 Milliarden Dollar über Zweitnotierungen ein.

JD.com, Chinas zweitgrößter Online-Händler, brachte durch den Aktienverkauf im Juni etwa 3,9 Milliarden Dollar ein, was die bisher größte Kapitalbeschaffung in Hongkong im Jahr 2020 war. NetEase, ein bedeutender Herausgeber von Handyspielen, verkaufte ebenfalls im Juni Aktien im Wert von etwa 2,7 Milliarden Dollar.

US-Börse verlangt mehr Transparenz von chinesischen Unternehmen

Sowohl JD.com als auch NetEase sind hauptsächlich in den Vereinigten Staaten börsennotiert. Es besteht jedoch die Gefahr, dass sie von der Börse genommen werden, da die US-Regierung und der US-Kongress darauf drängen, dass chinesische Unternehmen, deren gehandelte amerikanische Hinterlegungsscheine von bestimmten US-amerikanischen Regulierungs- und Kontrollmaßnahmen ausgenommen sind, ihre Transparenz erhöhen.

Die Wirtschaftsführer verharmlosten vor allem die verstärkte Kontrolle im Ausland bei der Börsennotierung in Hongkong. William Ding, Geschäftsführer von NetEase, schrieb in einem Brief an die Aktionäre, dass „die Rückkehr zu einem Markt, der näher an unseren Wurzeln liegt“, ein Teil des Grundes für den Gang nach Hongkong war.

Doch die derzeitige Welle der Zweitnotierungen dürfte der Hong Kong Exchanges and Clearing und den chinesischen Banken, welche sich an den Gebühren für öffentliche Angebote beteiligen, nur einen vorübergehenden Vorteil bringen. Eine der größten Sorgen der pro-demokratischen Demonstranten Hongkongs ist der zunehmende Einfluss Pekings auf die Stadt.

Die Flut von Unternehmen auf dem chinesischen Festland, die nach Hause „zurückkehren“, um ihre Aktien in Hongkong zu verkaufen, trägt wenig dazu bei, diese Befürchtungen zu zerstreuen.

Der Originalartikel erschien in The Epoch Times USA (deutsche Bearbeitung von sza)
Originalfassung: Chinese Banks Expand in Hong Kong as Foreign Banks Retrench



Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion