EZB: Sparer fürchten nach weiterer Senkung des Einlagezinses Nachteile – Scholz wiegelt ab

Die EZB hat den Einlagezins für Geschäftsbanken weiter gesenkt. Auf diese Weise sollen Banken dazu motiviert werden, von der Zentralbank zur Verfügung gestelltes Geld in den Wirtschaftsverkehr zu leiten, statt es bei der Notenbank zu bunkern. Erfolgreich war die Strategie nur bedingt.
Titelbild
Das alte EZB Gebäude mit Euro-Symbol in Frankfurt/Main.Foto: iStock
Von 12. September 2019

Der Versuchung, sich ein bleibendes Denkmal zu setzen, hat Mario Draghi in seiner letzten EZB-Sitzung sechs Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit als deren Präsident widerstanden. Die Europäische Zentralbank hat in der Hoffnung, auf diese Weise der zuletzt schwächelnden Konjunktur im Euroraum Impulse zu verleihen, den Einlagezins für Geschäftsbanken weiter gesenkt – von minus 0,4 auf minus 0,5 Prozent. Dadurch wird es für diese unattraktiver, Geld bei der Zentralpark zu parken.

Zu große Diskontinuitäten vermieden

Darüber hinaus, so teilte eine Sprecherin am Donnerstag (12.9.) in Frankfurt am Main mit, blieben die Leitzinssätze unverändert. Der Hauptrefinanzierungssatz, der mittlerweile nun schon seit März 2016 bei null liegt, wird weiterhin auf diesem Level verharren.

Außerdem werde ab Anfang November, wenn Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde das Ruder übernimmt, das umstrittene Anleihekaufprogramm wiederaufgenommen. Wie die „Welt“ berichtet, hat der Rat der EZB zugestimmt, von diesem Zeitpunkt an monatlich wieder 20 Milliarden Euro in Wertpapiere zu investieren. 

Nachdem Draghi bereits lange im Vorfeld der Sitzung von der Notwendigkeit „signifikanter geldpolitischer Impulse“ gesprochen hatte, hatten einige Analysten noch weitreichendere Schritte zur Verbilligung von Geld für möglich gehalten – allerdings war der Spielraum hierzu auf Grund des Nullzinses beschränkt und zu große Diskontinuitäten hätten jenen für Draghis Nachfolgerin über Gebühr eingeschränkt.

Der Minuszins bei den Einlagen besteht seit 2014. Die Banken sollen das billige, weil offenbar überschüssige Geld, das die EZB ihnen zur Verfügung stellt, in den Wirtschaftskreislauf weiterleiten statt es zu hinterlegen. Dies soll Investitionen aufseiten der Unternehmen und Konsum vonseiten der Verbraucher beleben.

Teuerungsrate langfristig auf knapp unter zwei Prozent gewünscht

Dass ein auf diese Weise bewirktes Anziehen der Konjunktur, das die EZB sich erhofft, auch zu einem Preisanstieg führt, liegt im Kalkül. Eine Inflationsrate von knapp unter zwei Prozent im Euroraum bleibt das Fernziel der Währungshüter, schreiben Anja Ettel und Holger Zschäpitz in der „Welt“, da dauerhaft niedrige Preise auch einen Aufschub von Investitionen und Konsumausgaben provozieren könnten. Haben sich die Marktakteure an die niedrigen Preise einmal gewöhnt, spekulieren erfahrungsgemäß zu viele von ihnen auf weitere Abschläge. Derzeit ist dieses Inflationsniveau jedoch nicht in Sicht, im August lag sie wiederum lediglich bei 1,0 Prozent.

Die Summe der Strafzinsen, die Bankhäuser infolge der negativen Einlagesätze an die EZB bezahlen müssen, beträgt derzeit dem Bundesverband deutscher Banken (BdB) zufolge jährlich 7,5 Milliarden Euro. Befürchtungen von Verbraucherschützern, die Geldinstitute würden diese Summen an ihre Kunden weiterreichen, haben sich bislang noch nicht in vollem Umfang bestätigt. Sich als Privatanleger darauf zu verlassen, dass es dabei bleibt, könnte sich jedoch als trügerisch erweisen.

Schon jetzt werden die Guthaben von Unternehmen, Großinvestoren wie Fonds oder auch Privatkunden ab einer bestimmten Mindesthöhe damit belastet. Einer Recherche des Fachdienstes biallo.de unter etwa 1200 Banken und Sparkassen zufolge reichen bereits jetzt mehr als zehn Prozent der Institute die Negativzinsen weiter, knapp 85 Prozent der erfassten Geldinstitute sogar eins zu eins.

Scholz: „Noch genügend Klugheit in den Vorständen und Geschäftsführungen der Banken“

Dies geschieht unter anderem in Form eines Verwahrentgelts, das jenseits eines bestimmten Freibetrages fällig wird. Dieser könne bis 100 000 Euro, aber auch bis drei Millionen Euro reichen. Zwei Banken greifen gar ab dem ersten Euro an Guthaben zu. Die neuerliche Absenkung wird Banken zu weiteren Gebührenschritten motivieren.

Da die Weitergabe in unterschiedlicher Form – beispielsweise diverser Sondergebühren – vonstattengehen kann, wird auch die Idee von Bundesfinanzminister Olaf Scholz kritisch gesehen, Strafzinsen für Kleinsparer auf Einlagen unter 100.000 Euro gesetzlich zu verbieten. Scholz zeigt sich dennoch optimistisch, dass es zu keiner flächendeckenden Weitergabe der Strafzinsen an Privatkunden kommen werde.

Nach einem Bericht der „Passauer Neuen Presse“ äußerte er im Rahmen einer Bankentagung, die Banken hätten „bei den heutigen Vertragsstrukturen kaum Möglichkeiten, solche Negativzinsen für viele ihrer Kunden überhaupt zu verlangen“. Man werde aber gegebenenfalls „die Lage beobachten“ und Handlungsoptionen prüfen. Scholz zeigte sich überzeugt, es bestehe „noch genügend Klugheit in den Vorständen und Geschäftsführungen der Banken, zu wissen, was das auslösen würde“.

Weidmann: Anleihekaufprogramm könnte als Einladung zu neuen Schulden aufgefasst werden

In einem weiteren Artikel der „Welt“ zu Draghis letztem Auftritt als Präsident in einer EZB-Ratssitzung werden mehrere kritische Stimmen zitiert, die in einer weiteren Verbilligung von Geld durch die Zentralbank einen Schritt in die falsche Richtung sehen. So bestreitet Bundesbank-Präsident Jens Weidmann die Notwendigkeit eines neuen Anleihekaufprogramms. Die Regierungen der Eurozone könnten dies als Aufforderung betrachten, zusätzliche Vorhaben durch Schulden zu finanzieren.

Auch Klaas Knot von der niederländischen Notenbank, Francois Villeroy de Galhau von der Banque de France sowie der neue österreichische Zentralbankchef Robert Holzmann hätten sich zuletzt äußerst zurückhaltend darüber geäußert, noch mehr Milliarden in die Märkte zu pumpen.

Die wirtschaftliche Lage sei nicht derart desaströs, dass es notwendig sei, ein solches Maßnahmenpaket auf den Weg zu bringen. Außerdem sei es unverhältnismäßig, Milliarden in den Markt zu pumpen in der vagen Hoffnung, die Inflationsrate vielleicht um einen Zehntelprozentpunkt nach oben zu bekommen. Der Preis dafür könnte ein weiterer Sprung der Bilanzsumme der EZB von jetzt schon 4,7 Billionen Euro auf künftig mehr als fünf Billionen sein.

(Mit Material von dts)



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