Tod eines Investment Bankers

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Cover: Herder Verlag
Von 20. Februar 2013

 

„Nils Ole Oermann präsentiert die Ergebnisse seiner akribischen Studie zur Kultur des Investmentbanking so lesbar wie originell“. Horst Köhler, Bundespräsident a.D., über „Der Tod eines Investment Banker“.

„Ich bin Gott!“ – So sprach der Amerikaner Edson Mitchell, der den Investment-Spielsalon der DEUTSCHE BANK AG in London zur Blüte gebracht hatte wie nie einer zuvor. Der Buchautor Nils Ole Oermann beschreibt mit fesselnden Episoden die gewissenlose Brutalität des Investment-Bankings, wo täglich Geldmengen in unvorstellbaren Größenordnungen rund um den Globus virtuell bewegt werden. Bewundernswert, wie der Theologe und Wirtschaftsethiker für sein Buch weltweit Gespräche geführt hat und dabei tief in die Materie der Scheinwirklichkeit einer kriminellen Finanzherrschaft eingedrungen ist.

Ein vergleichbares Buch hat es bislang nicht gegeben. Es zeigt gleichzeitig indirekt das Versagen der Politiker auf, die das Spiel der Casino-Jongleure tatenlos zugelassen und bis heute nicht verboten haben. Durch ihr Versagen sind sie trotz besseren Wissens zu Mitschuldigen geworden.

Im Alter von nur 47 Jahren starb der „Banker Gottes“ wenige Tage nach einer aufwendigen Weihnachtsfeier im Dezember 2000 in London mit 1.500 Gästen. Mitchell starb an Bord seines Privatflugzeugs, das unterwegs war nach Rangeley im US-Bundesstaat Maine. Kurz vor Erreichen der Kleinstadt bohrte sich die zweistrahlige Beech 200 etwa 60 Meter unterhalb des Gipfels in den Beaver Mountain. Ed Mitchell wollte in Rangeley mit seiner Frau Suzan und den Kindern Katje, Becky, Ellen, Erik und Scott Weihnachten feiern.

Josef Ackermann flog am 26. Dezember 2000 nach London und berief den damals 38-jährigen Inder Anshu Jain zum Nachfolger, der in Jaipur/Rajastan zur Welt kam.

Lesen Sie weiter auf Seite 2: Der steile Aufstieg des „Ich bin Gott“

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Ed Mitchell führte das Investment-Banking der DEUTSCHEN BANK an die Spitze der internationalen Finanz-Liga. Mit ihm hielt eine neue Art der Spielsucht mit Namen „Gier“ Einzug in Deutschlands größtes Geldhaus. Er verhinderte die Fusion mit der DRESDNER BANK – und wurde zum Vorstand befördert. Bescheidenheit war seine Sache nicht. Wenn ihn ein Mitarbeiter nicht sofort erkannte, dann stellte sich Edson Mitchell gern mit den Worten vor: „Ich bin Gott“. Gott ist trotzdem im Dezember 2000 gestorben.

Mitchell war Absolvent der Elite-Universität Dartmouth, für die er einen Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften finanzierte. In Maine, im rauen Nordosten der USA, ist Edson Mitchell bei seinem Großvater, einem schwedischen Einwanderer, in sehr einfachen Verhältnissen aufgewachsen. Hier erwachte auch sein Ehrgeiz, ganz nach oben zu kommen. Nichts hasste Mitchell mehr, als zu verlieren. So schuftete er wie besessen – und hatte Erfolg.

Aus eigener Kraft schaffte er es an die Kaderschmiede Dartmouth. Und obwohl er mit 1,69m Körpergröße viel zu klein für eine Basketball-Karriere war, trainierte Mitchell, bis ihn das Uni-Team aufnahm. Steil war die Karriereleiter, die Edson Mitchell anschließend 15 Jahre lang bei der Investmentbank Merrill Lynch hinaufkletterte. London wurde zu seiner zweiten Heimat. Von dort aus leitete er den Handel mit Anleihen und Terminkontrakten und erwarb sich den Ruf eines Haifischs – einer, der Geschäfte riechen konnte.

Seinen Ehrgeiz und seine Gier fürchteten Geschäftspartner wie Mitarbeiter. 1995 wechselte er zur DEUTSCHEN BANK – im Schlepptau über fünfhundert Investment-Spezialisten. Viele von ihnen waren zunächst unglücklich über den Umzug von der erstklassigen Adresse Merrill Lynch zur damals noch drittklassigen DEUTSCHEN BANK – doch sie vertrauten dem Überflieger Mitchell blind. Er enttäuschte weder sie noch die in Frankfurt ansässigen Vorstandsvorsitzenden Hilmar Kopper und Rolf Breuer, die ihn geholt hatten.

Lesen Sie weiter auf Seite 3: Der Terminator mit dem „Auge Gottes“

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Nach wenigen Jahren hatte die Merrill-Mafia, wie sie hausintern genannt wurde, ihre Abteilung zur profitabelsten der Bank gemacht. Im ockerfarben gestrichenen Winchester House in London wurden Milliardengewinne produziert, die maßstäblich das Gesamt-Betriebsergebnis der DEUTSCHEN BANK ausmachten. Mitchell galt als großer Motivator, doch er wurde auch sehr schnell zum Terminator. Wer unter den Erwartungen blieb, dessen Verbleib im Haus beendete er meist zum Monatsende.

Wer vor „Gottes Auge“ Gnade fand, der wurde schon auf Erden reich beschenkt: mit Höchstgehältern und gemeinsamen Luxusfesten an den schönsten Plätzen dieser Welt. Für Mitchell zahlte sich der tägliche Kampf aus. Auf 30 Millionen Mark wurde sein Jahreseinkommen geschätzt, mit einem Aktienpaket von mehr als 100 Millionen Mark war er außerdem einer der größten Einzelaktionäre der DEUTSCHEN BANK.

Experten stellten sich spätestens nach der gescheiterten Fusion mit der DRESDNER BANK die Frage, wer bei der DEUTSCHEN BANK das Sagen habe. Denn der Deal war am Widerstand Mitchells gescheitert, die Investmentbank DRESDNER KLEINWORT BENSON zu integrieren. Dass ihm dieser Aufstand gegen Rolf Breuer nicht schadete, sondern sogar in den Vorstand führte, unterstrich seinen Stellenwert.

Mitchell verkörperte den neuen Geist der Deutschen Bank. Verluste konnte er nicht ertragen. Sein Führungskonzept basierte auf Wettbewerb zwischen seinen „Casino-Ganoven“. Er setzte gern zwei seiner Teammitglieder in London an dieselbe Aufgabe, um evolutionär-darwinistisch in direkter Konkurrenz den Talentierteren und damit im Markt Überlebensfähigeren zu ermitteln, was stets zur Folge hatte, dass der Schwächere „terminiert“ wurde.

Geld war Tag und Nacht der entscheidende Motivationsfaktor im Londoner Investment-Salon der DEUTSCHEN BANK unter Mitchells Führung. In der Nachfolge soll Anshu Jain bis heute mehre Hundert Millionen Euro „verdient“ (besser: „erspielt“) haben. Ständig auf Reisen, betrachtet er die Lufthansa und British Airways als seinen Dienstsitz. Charaktere wie Mitchell und Jain lassen die Erinnerungen an die Konquistadoren aus dem 16. Jahrhundert wach werden. Die DEUTSCHE BANK – und nicht nur sie -, die mit dem Motto wirbt „Leistung aus Leidenschaft“, betreibt offensichtlich ein ausbeuterisches Geschäft, das Leiden schafft.

Cover: Herder Verlag
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Nils Ole Oermann
Tod eines Investment Bankers

260 Seiten, Verlag Herder;
Auflage: 1 (12. Februar 2013)
ISBN-10: 345130676X
ISBN-13: 978-3451306761
€ 19,99

Lesen Sie weiter auf Seite 4 über den Autor des Buches: Professor Dr. Dr. Nils Ole Oermann (mit Foto)

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Prof. Dr. Dr. Nils Ole OermannProf. Dr. Dr. Nils Ole OermannFoto: Andrea Oermann

Der Autor des Buches, Professor Dr. Dr. Nils Ole Oermann, geb. 1973, hat Theologie, Philosophie, Jura und Geschichte an den Universitäten Leipzig, Münster, Oxford studiert. Master-Degree der Theologie in Oxford, Doktor der Philosophie Oxford University, Master Public Administration in Harvard, Unternehmensberater bei der Boston Consulting 199-2001 in Neuseeland und Australien, erstes juristisches Staatsexamen Oberlandesgericht Hamburg, in Berlin Ordination zum evangelischen Pfarrer, 2007 Habilitation für Systematische Theologie Universität Leipzig. Seit 2007 Direktor des Instituts für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung an der Leuphana Universität Lüneburg und deren Vizepräsident. Weiterhin ist er Direktor des Forschungsbereichs „Religion, Politics and Economics“ an der Humboldt Universität Berlin und Gastprofessor mit Schwerpunkt Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen. Von 2004-2007 war er der persönliche Referent von Bundespräsident Dr. Horst Köhler, dem er bis heute zuarbeitet. Seit 2009 ist er zudem beratend für den Bundesminister der Finanzen, Dr. Wolfgang Schäuble, tätig. Oermann hat in Harvard und Oxford studiert, ist ehrenamtlicher Pastor in Stendal/Sachsen-Anhalt und lebt mit seiner Familie in der Altmark.

Nils Ole Oermann erhielt den Hanns-Lilje-Stiftungspreis 2011 für seine Habilitationsschrift „Anständig Geld verdienen? Protestantische Wirtschaftsethik unter den Bedingungen globaler Märkte“. Für Nils Ole Oermann stehen Ethik und Wirtschaft in keinem notwendigen Widerspruch zueinander. In seiner theologischen Habilitationsschrift zeigt er auf, dass es in der Wirtschaftsethik nicht um Polaritäten geht, sondern um die Frage, „wie wir vom Menschen denken, wenn wir wirtschaftliche Strukturen gestalten.“ Den Menschen und sein Verhalten bestimmten nicht nur Ökonomie und Märkte, sondern auch Kultur, Politik, Religion oder seine Herkunft. Anständiges Wirtschaften, so Oermann, zeichne sich durch eigennütziges Handeln aus, das immer auch nach dem Nutzen für andere fragt. Mit seiner Publikation bietet der promovierte Historiker und habilitierte Theologe einen umfassenden neuen Entwurf für eine protestantische Wirtschaftsethik. Nils Ole Oermann entwickelt dabei einen anthropologisch-hermeneutischen Ansatz. Wirtschaftsethik versteht sich dabei aber nicht als rein appellative, sondern als intervenierende Wirtschaftsethik. Damit legt er einen außerordentlich dialogisch geprägten Ansatz vor, so die Jury.

 



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