Trotz Konjunkturabkühlung – EZB erhöht Zinsen zum zehnten Mal in Folge

Die Europäische Zentralbank (EZB) überrascht die Märkte, indem sie die Zinsen im Euroraum zum zehnten Mal in Folge anhebt. Das trotz anhaltender konjunktureller Unsicherheiten. Die EZB möchte die Inflation offenbar unbedingt in den Griff bekommen, während die Wirtschaftsaussichten düsterer werden.
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Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde verkündete heute die zehnte Zinserhöhung in Folge.Foto: Sanziana Perju/European Central Bank/dpa/dpa
Von 14. September 2023


Die Europäische Zentralbank (EZB)  hebt die Zinsen im Euroraum zum zehnten Mal in Folge seit Juni 2022 an. Der Zins, den Banken für ihre Einlagen bei der EZB erhalten, steigt von 3,75 Prozent auf 4,0 Prozent. Das gab die Zentralbank am heutigen Donnerstag bekannt.

Die Entscheidung der EZB überraschte viele Beobachter. Angesichts der weiteren konjunkturellen Eintrübung im Euroraum hatten sie eigentlich eine Zinspause erwartet.

„Falken“ im EZB-Rat setzen sich durch

Wie EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf der Pressekonferenz im Anschluss an die Verkündung der Zinsentscheidung zugab, hätten dieses Mal nicht alle Mitglieder des EZB-Rats das gleiche Fazit gezogen. Es habe daher Diskussionen im Rat gegeben. Man habe sehr viele Daten gesichtet, um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten. Einige Notenbankpräsidenten hätten sich im Rat für eine Pause der Zinsanhebung ausgesprochen.

Am Ende haben sich aber die „Falken“ im Gremium durchgesetzt, also die Mitglieder, die sich für eine straffere Geldpolitik starkmachen. Ihre Argumente für einen weiteren Zinsschritt: Die Inflation ist noch immer weit von ihrem Ziel von zwei Prozent entfernt. Die Teuerungsrate verharrte im August bei 5,3 Prozent. Und zuletzt zogen die Energiepreise an, sodass die Teuerung im September gar anziehen könnte.

Kerninflation sinkt nicht

Sorgen macht den Zentralbankern vor allem, dass die Kerninflation, bei der die stark schwankenden Preise für Lebensmittel und Energie ausgeklammert werden, zuletzt nur leicht von 5,5 Prozent auf 5,3 Prozent zurückgegangen ist. Hier sieht die Mehrheit der Zentralbanker offenbar große Warnsignale.

Diese Signale schlugen sich auch in der Prognose nieder. So rechnet die EZB in diesem Jahr mit einem leichten Rückgang der Kerninflation auf 5,1 Prozent. Das deckte sich mit der letzten Prognose der Zentralbank. Die Prognose für 2024 sank leicht von 3,0 auf 2,9 Prozent, die für 2025 von 2,3 auf 2,2 Prozent. Die vergangenen Projektionen hatte die Notenbank im Juni vorgelegt.

Die Werte für die Gesamtinflation erhöhten sich allerdings zumindest kurzfristig. Für 2023 prognostizierte die EZB, dass die Gesamtrate bei 5,6 Prozent (zuvor 5,4 Prozent) liegen könnte, 2024 dann bei 3,2 Prozent (3,0) und 2025 bei 2,1 (2,2).

Konjunkturerwartungen trüben sich ein

Deutlich düsterere Aussichten im Vergleich zur letzten Prognose sieht die EZB bei den Konjunkturerwartungen. Hier spiegeln sich die konjunkturellen Warnsignale wider, die in den vergangenen Wochen von verschiedenen Instituten ausgesendet wurden.  Die Notenbank korrigierte ihre Prognosen deutlich nach unten. Für 2023 erwartet sie ein Wachstum von nur noch 0,7 Prozent (0,9). 2024 soll die Wirtschaft um 1,0 Prozent (1,5) und 2025 um 1,5 Prozent (1,6) wachsen.

Die Nachfrage sei gedämpft, die Investitionstätigkeit geringer. Auch der bislang relativ stabile Dienstleistungssektor zeige Schwäche, sagte Lagarde auf der Pressekonferenz.

Der Inflationstrend sei rückläufig, doch die Teuerung bleibe zu lange auf einem zu hohen Niveau – Lagarde wiederholt die zentrale Botschaft der vergangenen Sitzungen. Daher sei eine weitere Erhöhung der Zinsen notwendig. Die Zinsen würden so lange auf einem restriktiven Niveau bleiben, bis das mittelfristige Inflationsziel von zwei Prozent in Sicht sei.

Die restriktive Geldpolitik macht sich laut Lagarde bei der Kreditvergabe weiter stark bemerkbar. Die Kreditdynamik habe weiter abgenommen, sowohl bei Firmen als auch bei Privatpersonen.

Für die Wirtschaft könnten die Risiken zunehmen, sagte Lagarde weiter. Insbesondere dann, wenn der Straffungseffekt durch die beschlossenen Zinserhöhungen am Ende stärker ausfalle als gedacht. Ein weiteres Risiko bestehe darin, dass sich die Weltkonjunktur weiter verlangsamen könnte. Allerdings bewertet die EZB-Präsidentin diese Risiken als relativ gering. Dem stünde der anhaltend starke Arbeitsmarkt entgegen.

Zinsentscheidung mit Risiko

Trotzdem birgt die nun zehnte Zinserhöhung der EZB auch Risiken in der Entscheidung. In der Geldpolitik ist es entscheidend, wie lange es dauert, bis die bisher beschlossenen Zinserhöhungen wirken. Im Dezember letzten Jahres sprach der EZB-Chefvolkswirt Philip Lane in Florenz genau zu diesem Thema. So würde der Anleihemarkt relativ schnell reagieren. „Es gibt im Kern sehr schnell eine Eins-zu-Eins-Reaktion im Anleihemarkt“, so Lane. Bei den Kreditzinsen der Banken dauere es dagegen ein Jahr. In drei Monaten spiegele sich etwa die Hälfte eines geldpolitischen Schrittes in den Kreditzinsen wider, in sechs Monaten etwa 80 Prozent. Etwa ein Jahr brauche es, bis dort der Schritt komplett angekommen sei.

Da die EZB ihre Zinserhöhungen erst im Sommer letzten Jahres gestartet hat, dürfte ein wesentlicher Teil der Wirkungen noch ausstehen. Genau das ist immer wieder das Hauptargument von Geldpolitikern und Ökonomen, die bei der Zinserhöhung eher zur Vorsicht tendieren.

Zinsen könnten lange auf hohem Niveau verharren

Auf die Frage eines Journalisten, ob der heutige Zinsschritt das Ende der Anhebungen bedeutet, gab sich EZB-Präsidentin recht zurückhaltend. Ausgehend vom aktuellen Niveau, vorausgesetzt, dass dieses gehalten wird, tragen die Zinsen „erheblich“ zu einem Rückgang der Inflation in Richtung des Zielniveaus bei. Diese Äußerung kann ein Hinweis darauf sein, dass die Zinsen vorerst auf dem hohen Niveau bleiben werden.

Zum Schluss der Pressekonferenz machte Lagarde noch einmal deutlich, dass man jetzt noch nicht sagen könne, dass man das Ende des Erhöhungsprozesses erreicht habe.

Die nächste Sitzung des EZB-Rates findet am 26. Oktober in Athen statt. Dann wird sich zeigen, wie es mit der Geldpolitik der EZB weitergeht.



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