Gaslieferung über Nord Stream 1 erneut gestoppt

Erneut kein Gas über die Pipeline Nord Stream 1 - welche Auswirkungen hat der angekündigte Lieferstopp? Kommt bald wieder Gas? Und folgt auf eine mögliche Wiederaufnahme bald die nächste Unterbrechung?
Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 im mecklenburgischen Lubmin.
Die Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 im mecklenburgischen Lubmin.Foto: Stefan Sauer/dpa
Epoch Times31. August 2022


Wie angekündigt ist die Gaslieferung über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 am frühen Morgen gestoppt worden. Laut Website der Nord Stream AG floss in der Stunde von 3 bis 4 Uhr keine nennenswerte Menge mehr. Bereits in der Stunde davor war die Menge demnach gesunken.

Wieso kommt es zum Lieferstopp?

Laut Gazprom muss die einzig noch verbliebene Turbine in der Kompressorstation Portowaja, die der Pipeline vorgelagert ist, gewartet werden. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte hingegen gesagt, die Wartungsarbeiten seien technisch nicht nachvollziehbar. Er halte Verweise auf Turbinen von Siemens Energy für vorgeschoben.

Russland hatte auch im Zusammenhang mit der Drosselung der über die Leitung gelieferten Menge auf fehlende Turbinen verwiesen. Zuletzt kamen nur noch etwa 20 Prozent der maximal möglichen Menge über die Pipeline. Zweifel an der Begründung für die Drosselung kommen etwa von der Bundesregierung.

Wie wahrscheinlich ist die Wiederaufnahme?

Kremlsprecher Dmitri Peskow hat am Dienstag noch einmal versichert, dass Russland ein zuverlässiger Lieferant und gewillt sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Er begründete die derzeitigen Lieferkürzungen mit technischen Problemen, die der Westen durch seine Sanktionen selbst verursacht habe. Einen politischen Hintergrund der anstehenden Lieferpause dementierte er damit.

Es gilt zumindest als wahrscheinlich, dass das Gas ab dem 3. September wieder fließt. Nach der letzten Abschaltung wegen Wartungsarbeiten im Juli hat Gazprom anschließend auch den Transit wieder aufgenommen. Das unabhängige Internet-Medium „The Bell“ erklärte schon damals die dahinter stehende Logik damit, dass der Kreml sich anderenfalls der eigenen Flexibilität berauben würde. Auch bei gedrosselter Lieferung könne Russland immer noch mit einer weiteren Kürzung der Lieferungen drohen. Beim Lieferstopp sei das Drohpotenzial passé.

Darüber hinaus würde die vollständige Abkapselung vom europäischen Markt auch empfindlich auf den russischen Haushalt durchschlagen. Derzeit ist Moskau in der bequemen Lage, dass es trotz physisch geringerer Liefermengen wegen hoher Preise finanziell mehr aus dem Export herausschlägt. Ein weiterer Grund, der für die Beibehaltung des Transits – zumindest in geringem Umfang – spricht: Ansonsten müsste Gazprom seine Förderkapazitäten stilllegen und konservieren. Eine Umleitung der Gasströme nach Asien in großem Umfang ist nicht möglich, da das Pipelinesystem in diese Richtung noch kaum entwickelt ist. Von den 720 Milliarden Kubikmeter, die Russland fördert, gehen gut 200 in den Export, davon 130 in den EU-Raum.

China etwa nimmt hingegen nur gut zehn Milliarden Kubikmeter ab, auch wenn die Umsätze in die Richtung steigen. Auch deswegen fackelt Russland die Gasmengen ab, die es nicht nach Europa liefern kann.

Folgt bald der nächste Lieferstopp?

Zwar hat Gazprom bislang noch keinen neuen Termin für die nächste Abschaltung genannt. Doch laut dem Konzern muss die letzte verbliebene Turbine in der Kompressorstation Portowaja alle 1000 Arbeitsstunden gewartet werden. Damit dürfte Mitte Oktober der nächste Stopp anstehen.

Was bedeutet die Abschaltung fürs Einspeichern?

Die Speicherbetreiber rechnen damit, dass auch ohne russisches Gas weiterhin Erdgas in Deutschland eingespeichert werden kann, gegebenenfalls in leicht reduziertem Umfang. Der Branchenverband Initiative Energien Speichern (INES) verweist dazu auf die tägliche Speichermenge: Sie beträgt derzeit ein Mehrfaches dessen, was zuletzt durch die Ostseepipeline nach Deutschland kam.

Wie voll sind die Speicher schon?

Die Speicher waren zuletzt zu über 83 Prozent gefüllt. In den kommenden Tagen dürfte die 85-Prozent-Marke erreicht werden, rund vier Wochen vor dem Stichtag 1. Oktober. Am 1. November sollen die Speicher dann zu mindestens 95 Prozent gefüllt sein. Der Speicherverband nennt dieses Ziel „herausfordernd“. Und: „Bei einem kompletten Ausfall von Nord Stream wäre es noch ein bisschen schwerer, das zu erreichen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Sebastian Bleschke.

Wie wirken sich die drei Tage auf die Gas-Großhandelspreise aus?

Gasmarktexperte Heiko Lohmann vom Energieinformationsdienst Energate rechnet nicht damit, dass sich die Wartungsarbeiten noch groß auswirken werden. Als die Wartung angekündigt wurde, seien die Preise nach oben gegangen. Daher sei die Wartung schon „eingepreist“.

„Die spannende Frage ist, was nach den drei Tagen passieren wird“, sagt Lohmann. Er geht davon aus, dass die Preise wieder nach oben gehen, wenn die Lieferungen nicht wiederaufgenommen werden. Umgekehrt sieht er noch „Luft nach unten“, sollten die Lieferungen nach der Wartung fortgesetzt werden.

Seit wann erhält Deutschland weniger Gas?

Noch im Mai war die Pipeline nahezu jeden Tag ausgelastet. Anfang Juni gingen die Liefermengen schrittweise zurück. Vom 17. Juni an lagen sie bei 40 Prozent der Maximalkapazität. Nach der zehntägigen Wartung im Juli lag die Liefermenge für ein paar Tage wieder bei 40 Prozent, um dann vom 28. Juli an auf rund 20 Prozent gedrosselt zu werden.

Was sehen die Verträge vor?

Das Wort „Vertragsbruch“ mögen wichtige Akteure nicht in den Mund nehmen. So berichtete Uniper als Deutschlands größter Importeur von russischem Erdgas jüngst: „Seit dem 14. Juni erhält Uniper nur einen Teil der vertraglichen Gasliefermengen aus Russland.“ Es würden mittlerweile 80 Prozent weniger geliefert.

Und das Bundeswirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit: „Es bestehen Verträge der Unternehmen mit Gazprom über die volle Kapazität, die werden derzeit nur bedingt eingehalten. Aus unserer Sicht besteht kein Anlass, auch nicht technisch, die Nord Stream 1 nicht höher auszulasten.“

Was ist mit der inzwischen gewarteten Turbine?

In der Vergangenheit hatte Russland auf eine in Kanada gewartete Turbine als Grund für die reduzierte Lieferung verwiesen. Deutschland bat die Regierung in Ottawa um eine Ausnahme von Sanktionen gegen Moskau. Inzwischen ist das Aggregat in Mülheim. Gazprom zeigte keine Eile, es einzubauen und sprach von fehlenden Papieren. Die Bundesregierung warf Moskau deshalb vor, die technischen Probleme nur vorzuschieben. (dpa)



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