Grundgesetz als Nebensache? DIW-Autorin geißelt „Fetisch Privateigentum“

Das DIW, eines von Deutschlands einflussreichsten Wirtschaftsforschungsinstituten, bewarb jüngst einen Text seiner Abteilungsleiterin Claudia Kemfert. Darin sagt diese dem „Fetisch Privateigentum“ den Kampf an.
Titelbild
Das Logo des DIW in Berlin.Foto: picture alliance / dpa/dpa
Von 4. September 2023

Am Montag, 28. August, hat die Ökonomin Claudia Kemfert einen Gastbeitrag im „Tagesspiegel“ veröffentlicht. Dieser trug den Titel „Drei Schritte vor, zwei zurück: Die schwere Transformation zur gerechten Welt“ – und stieß zunächst auf wenig Resonanz. Dann entschloss sich das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), den Beitrag auf X (vormals Twitter) zu bewerben.

DIW warb für Kemfert-Text mit Kampfansage an „individuellen Profit“

Der Text, mittels dessen die Einrichtung den Beitrag bewirbt, rief in weiterer Folge breites Aufsehen hervor. So lautete dieser:

Es muss nicht gleich Degrowth sein – Claudia Kemfert plädiert für eine Gemeinwohl-Ökonomie anstelle des Fetischs Privateigentum und individuellem Profit.“

Erschien das Diktum von der „Transformation zur gerechten Welt“ noch als relativ unspezifischer Gemeinplatz, konnte diese Formulierung eindeutige Assoziationen wecken, und tat es: Schon bald meldeten sich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu Wort, die diese höchst irritierend fanden.

Die FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg machte darauf aufmerksam, dass das Grundgesetz bezüglich Privateigentum und Marktwirtschaft klar positioniert sei. Auch der Geschäftsführer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln), Hubertus Bardt, meldete sich zu Wort. Er machte deutlich, dass das Privateigentum „kein Fetisch, sondern konstitutiv für unsere Wirtschaftsordnung“ sei. Die Wendung „Fetisch Privateigentum“ schaffte es zudem in die deutschen X-Trend-Charts.

DIW veränderte nach Kritik den Werbetext

Im Beitrag selbst ist nicht die Rede davon, Deutschland in eine zweite DDR oder in ein Nordkorea umzuwandeln, wo Privateigentum und individueller Profit unbekannt waren oder sind, im Übrigen mit jeweils recht durchwachsener Umweltbilanz.

Der Gesamtzusammenhang lässt den Satz als etwas abgemildert erscheinen. Das DIW passte den Werbetweet unter dem Eindruck der Kritik auch in weiterer Folge an. In dem Beitrag hieß es, Privateigentum und individueller Profit dürften „nicht zum Fetisch werden, dem wir unseren Planeten, unsere Lebensgrundlage opfern“. In weiterer Folge mahnt die Ökonomin „mehr soziales Unternehmertum, mehr Unternehmensethik, mehr Verantwortung für das große Ganze“ an.

In diesem Kontext sollten auch „neue wissenschaftliche Messinstrumente“ greifen als bloße BIP. Dieses sei „als gesamtgesellschaftliches Wohlfahrtsmaß ungeeignet“. Kemfert illustriert dies anhand eines Beispiels:

Nach dem BIP wäre es wertvoller, wenn mir der Nachbarsohn beim Ballspiel die Fensterscheibe kaputt schießt, als wenn ich ihm bei den Mathehausaufgaben helfe.“

Der Nationale Wohlfahrtsindex, wie ihn das Umweltbundesamt ausweise, sei ein möglicher alternativer Bewertungsmaßstab.

„Focus“: Kemfert betreibt „grüne Politik mit akademischen Fußnoten“

Darüber hinaus enthält der Text Inhalte, die der Einschätzung, Kemfert „forscht eigentlich nicht, sie betreibt grüne Politik mit akademischen Fußnoten“, zumindest nicht widersprechen. Diese hatte ein nicht genannter Chef eines konkurrierenden Wirtschaftsforschungsinstituts im April gegenüber dem „Focus“ geäußert.

Kemfert kritisiert eine Form des aus ihrer Sicht „falschen Bewusstseins“, das „wissenschaftlichen Konsens“ als eine „scheinbar wissenschaftliche Debatte“ wahrnehme. Dies sei dem Wirken von „Lobbyisten“ geschuldet, die als „Händler des Zweifels“ die aus ihrer Sicht wahre und reine Form der Wissenschaft infrage stellten.

Anschließend lobt sie den hohen Preis von CO₂-Zertifikaten, der dazu führe, dass der Betrieb von Kohlekraftwerken unrentabel werde. Damit komme „der Preisvorteil der Energieträger Sonne, Wind, Wasser und Geothermie endlich voll zum Tragen“. Nun müssten die Erneuerbaren, insbesondere die Windenergie, deutlich ausgebaut werden. Als möglichen Weg schlägt Kemfert Energiegenossenschaften vor. Denn, so die Ökonomin:

Energiewende und Wohlstand sind kein Gegensatz. Im Gegenteil: Sie gehören zusammen.“

„Gute“ und „böse“ Formen von Wachstum

Den „Degrowth“-Ansatz einer erzwungenen Schrumpfung der Wirtschaft hält Kemfert hingegen für eine „dystopische Übertreibung“, die nur die Fronten verhärte. Immer sei Wachstum „nicht verwerflich, sondern etwas Wunderbares – nicht nur in der Kindheit wachsen wir, sondern unser ganzes Leben lang“.

Problematisch sei allerdings „ein ungezügeltes Wirtschaftswachstum, das den Planeten zerstört, statt ihn zu beleben“. Stattdessen seien mehr erneuerbare Energien, klimaschonende Mobilität, steigende Gesundheitsvorsorge und Herstellung von sauberem Trinkwasser „gute“ Formen von Wachstum.

Für eine solche Gemeinwohlwirtschaft müsse man jedoch „Gesundheitswesen, Sozialhilfe oder Bildungseinrichtungen so umgestalten, dass sie auch unabhängig vom Wirtschaftswachstum funktionieren“. Gleichzeitig müsse man „marktbasierte Instrumente“ einsetzen, die „umweltschädliche externe Effekte nicht mehr der Gemeinschaft“ aufbürden würden. Stattdessen sollen diese in die Produktionskosten der Verursacher einfließen.

Fehlprognosen und parteipolitische Wendigkeit

Der „Spiegel“ nannte Kemfert einmal Deutschlands Energie-Expertin „mit den meisten Fehlprognosen“. Kritische Beobachter werden dies möglicherweise mit ihrem Amt im Vorstand der deutschen Gesellschaft des Club of Rome in Verbindung bringen. Immerhin hat der neo-malthusianische Thinktank bereits mehrfach durch Vorhersagen Aufsehen erregt, die sich nicht bewahrheitet hatten.

Allerdings habe Kemfert auch vielfach Positionen gewechselt, was für Wissenschaftler eher selten sei. Während die Ökonomin in früheren Zeiten als entschiedene Befürworterin längerer Laufzeiten von KKW galt, sei sie zuletzt für deren am Ende vollzogene Abschaltung gewesen.

Auch bezüglich des Ölpreises und der Höhe der EEG-Umlage hätten sich Einschätzungen Kemferts als wenig präzise erwiesen. Bei den politischen Partnern galt sie ebenfalls als wendig. Im Jahr 2012 war sie Ministerkandidatin im Schattenkabinett des am Ende gescheiterten CDU-Kandidaten Norbert Röttgen in NRW. Im Jahr darauf wirkte sie in Hessen für SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel. Nun ist sie Feuer und Flamme für die Grünen, denen sie 2021 das „beste Programm“ für den Klimaschutz attestierte.



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