Heuschreckenalarm in der Deutschland AG

Der Staat und die Eigenkapitalräuber
Titelbild
(Foto: SAMUEL ARANDA/AFP/Getty Images)
Von 4. Oktober 2006

„Wir kaufen MAN. Wir kaufen TUI. Wir zerlegen Siemens. Kein Konzern ist vor uns sicher.“ So tönen Finanzinvestoren seit geraumer Zeit, berauscht von den Milliarden, die sie einsammeln. Wer dies als Großmäuligkeit abtat, der irrt: Die Investoren machen Ernst. Continental-Chef Manfred Wennemer berichtete diese Woche, ins Visier einer Private-Equity-Gesellschaft geraten zu sein – ein Präzedenzfall in Deutschland. „Zum ersten Mal hat es eine Beteiligungsgesellschaft auf einen ganzen Dax-Konzern abgesehen“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

Wie ungemütlich die Gesellschafter werden könnten, das spüre Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke. „Der amerikanische Fonds Blackstone hat sich dort eingekauft, mit nicht mal fünf Prozent. Das reicht, um den ehemaligen Staatskonzern aufzumischen. Blackstone muss nur andeuten, man sei nicht völlig einverstanden mit der Performance des Managements, schon bricht dort Hektik aus. Die Lage für Vorstandschef Ricke ist auch deshalb so bedrohlich, weil die Regierung als wichtigster Anteilseigner die aggressiven Investoren wenn nicht aktiv gesucht, so doch zumindest ermuntert hat“, so die FAZ.

Von Ermunterung kann eigentlich keine Rede sein, denn die staatliche Bank KfW hat aktiv den Heuschrecken-Deal betrieben und das milliardenteure Paket ex-staatlicher T-Aktien an Blackstone verkauft. In Deutschland sind Firmenjäger, die im Auftrag von institutionellen Großanlegern, Pensionsfonds oder Privatleuten extrem hohe Renditeziele anstreben, noch nicht lange auf der Pirsch. Zur Jagd blies die Schröder-Regierung, indem sie vor sechs Jahren die Erlöse aus dem Verkauf von Unternehmen steuerfrei stellte. Ziel war es, die „Deutschland AG“, wie das Beteiligungsgeflecht aus Banken, Versicherungen und Industriekonzernen genannt wird, aufzubrechen.

Seitdem herrscht ein schwunghafter Handel mit Betrieben, bei dem sich auch die beteiligten Banker, Unternehmensberater und Anwälte eine goldene Nase verdienen. Private Equity-Firmen wie KKR, Texas Pacific und andere illustre Vertreter der Branche machen sich immer mehr breit und kaufen, was das Zeug hält. Und das mit staatlicher Einladung oder sogar mit aktiver Hilfe, wie beim Telekom-Deal.

„Ähnlich diskussionswürdig ist der Verkauf des Grünen Punkt-Konzerns Duales System Deutschland (DSD) an den amerikanischen Finanzinvestor KKR. Der Müllgigant konnte über 13 Jahre mit staatlicher Duldung ein lukratives Monopol aufbauen, über Grüne Punkt-Gebühren, die wie eine private Steuer wirkten, Milliarden Euro einnehmen und landete Ende 2004 in den Fängen von KKR“, so ein Manager der Verpackungswirtschaft. Das Drehbuch der Heuschrecken-Attacken hat der Rechtswissenschaftler Uwe H. Schneider in einem Interview mit dem Spiegel analysiert. Private Equity-Firmen „investieren nicht, sondern finanzieren den Kaufpreis in erster Linie mit Fremdkapital, das von der erworbenen Gesellschaft zurückbezahlt werden muss. Und dann wird das Eigenkapital abgeräumt. Viele dieser angeblichen Investoren sind in Wahrheit Eigenkapitalräuber“, kritisiert Schneider.

Drei Stufen-Modell der Ausschlachtung

Das Geschäftsmodell bestehe aus drei Stufen. „Zunächst gründen die Käufer eine neue Gesellschaft. Nennen wir sie Newco. Das ist Stufe eins. Die Newco nimmt ein Darlehen auf und erwirbt damit das Unternehmen. Anschließend werden beide Gesellschaften miteinander verschmolzen. Die Darlehensschulden liegen nun beim aufgekauften Unternehmen“, erklärt Schneider. Das Unternehmen werde in eine GmbH umgewandelt, wie es beim Grünen Punkt beispielsweise der Fall war. „Das freie Vermögen wird dann bis zur Grenze des rechtlich Zulässigen an die neuen Gesellschafter ausgezahlt“, so Schneider. Der Ausstieg folge dann in der dritten Stufe. Aber das spiele nach Ansicht von Schneider nicht mehr die entscheidende Rolle, wenn sich die Private-Equity-Gesellschaft vorher schon bedient habe. „Die Unternehmen werden nach einiger Zeit an einen weiteren Finanzinvestor weitergereicht, der sie weiter auspresst. Neudeutsch heißt das ‚secondary buyout’. Manche werden an die Börse gebracht. Dann haben die neuen Aktionäre das Problem. Und gelegentlich bleibt nur noch das Insolvenzverfahren“, weiß Schneider. Die Private-Equity-Gesellschaften redeten gern von Restrukturierung, Umbau und Rekapitalisierung. In Wahrheit schwäche man die übernommenen Unternehmen und beraube sie ihrer Zukunftschancen.

Traditionelle Firmen können kaum über 10 Prozent Rendite erwirtschaften

„Die Fonds versprechen ihren Anlegern Erträge von 25, 30 oder gar 40 Prozent. Die lassen sich nicht aus dem traditionellen Geschäft erwirtschaften“, sagt Schneider. Außerdem würden diese Gewinne nicht wieder investiert, sondern an die Gesellschafter ausgeschüttet. Wie die KKR-Anleger beim Grünen Punkt an ihr Geld gelangen, konnte bislang nicht aufgeklärt werden. Die Übernahme durch KKR folgte dem von Schneider dargelegten Szenario. Der Kauf des Grünen Punktes war nach Berichten des Manager Magazins ein echtes Schnäppchen: „Von den 260 Millionen Euro Kaufpreis stammen nur rund 100 Millionen tatsächlich aus dem Geld von KKR-Investoren. Bei den übrigen 160 Millionen handelt es sich um Bankkredite, die KKR über eine Tochter namens Deutsche Umwelt Investment AG (DUI) aufgenommen hat. Rückwirkend zum 1. Januar 2005 hat KKR die Deutsche Umwelt Investment AG mit der DSD AG verschmolzen. Auf diese Weise erbt das DSD die 160 Millionen Euro Bankschulden und KKR entledigt sich eine Großteils seines Investitionsrisikos – ein beliebter Kniff in der Private-Equity-Branche“, so das Hamburger Blatt. Zum Ende des Jahres 2005 wurde die DSD AG dann in eine GmbH umgewandelt. Sie unterliegt damit nicht mehr den zuvor bestehenden Veröffentlichungspflichten.

„Es ist schon ein merkwürdiges Vorgehen, ein Unternehmen zur Vorbereitung auf den Börsengang von einer AG in eine GmbH zu verwandeln“, so Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Die Umwelthilfe habe deshalb Umweltminister Sigmar Gabriel und Verbraucherschutzminister Horst Seehofer aufgefordert, DSD und KKR zu veranlassen, für Transparenz zu sorgen. DSD-Chef Stefan Schreiter hat unterdessen Gerüchte zurückgewiesen, wonach der DSD-Eigner KKR sich im Zuge der Übernahme des Unternehmens 2004 bei Rückstellungen bedient habe. In einem Schreiben an das Bundesumweltministerium, dem eine Stellungnahme der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte & Touche beigefügt ist, stellt Schreiter klar: „Die Rückstellungen der DSD GmbH haben sich seit dem Zeitpunkt der Übernahme durch KKR von 883 auf 569 Millionen Euro vermindert.“ Die Differenz von 314,2 Millionen Euro zwischen den Geschäftsjahren 2004 und 2005, sei „angabegemäß“ an die Branche geflossen. Sie setze sich aus zurückgezahlten Lizenzentgelten in Höhe von 128 Millionen Euro und Umstellungsprämien von 177,7 Millionen Euro zusammen.

Vom Grünen Punkt zum Roten Tuch?

Nun fragen sich Bilanzexperten, wie dann das Renditeziel von KKR erfüllt werden könne, um die Anleger zufrieden zu stellen. „Das Schreiben von Deloitte & Touche sagt überhaupt nichts aus. Liquide Mittel kann man an vielen Stellen abziehen. Das DSD müsste schon die gesamte Bilanz 2005 veröffentlichen, damit man Änderungen zu den Vorjahren erkennen kann. Mit der Umwandlung in eine GmbH kann man alles Mögliche rausnehmen und Positionen verändern im Wege einer neuen Eröffnungsbilanz. An dem Prüfbericht ist zudem interessant, dass er von dem Unternehmen Deloitte & Touche erstellt wurde, das zu den Finanzinvestoren ein ausgesprochen positives Verhältnis pflegt, und nicht von der DSD-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers“, bemerkt ein DSD-Insider und führt weiter aus: „Die Heuschrecken-Debatte hinterlässt bei den politischen Akteuren in Berlin zunehmend Spuren. Derzeit wird ja überlegt, die Verpackungsverordnung zu ändern, damit möglichst alle Firmen der Konsumgüterindustrie und des Handels sich an den Entsorgungskosten für gebrauchte Verpackungen beteiligen. Vom Prinzip her ist das richtig. Wenn aber die Entsorgungsgebühren für den Grünen Punkt dann aber in irgendwelchen dunklen Kanälen auf den Cayman-Inseln oder in Luxemburg landen sollten, wird es in Öffentlichkeit einen erheblichen Aufschrei geben. Das kann sich keine Partei und auch kein Ministerium erlauben“. So warf Michael Brand, CDU/CSU-Berichterstatter für Abfallwirtschaft, dem Bundesumweltministerium vor, es bei der Novellierung der Verpackungsverordnung „auch unter dem Druck von Lobbyisten“ an der notwendigen Gründlichkeit fehlen zu lassen. Er warnte, dass die angestrebte rechtliche Neufassung den Wettbewerb erheblich behindere und das Quasi-Monopol DSD begünstige.

Der ohnmächtige Staat ?

Beim Bundeskartellamt liegen Beschwerden vor, dass das DSD seine Marktposition mit teils fragwürdigen Methoden verteidige. Unter anderem geht es dabei um neue Rahmenverträge, die das DSD mit Aldi und anderen großen Discountern abgeschlossen hat. Die Handelsketten übernehmen darin die Abführung der Lizenzentgelte für sämtliche bei ihnen gelistete Waren. Hersteller und Abfüller können also nicht mehr auf konkurrierende duale Systeme ausweichen. Langfristige Ausschließlichkeitsverträge oder Rahmenverträge mit Handelsketten dürften den Wettbewerb nicht durch die Hintertür aushebeln, so Kartellamtspräsident Ulf Böge. Aufklärungsbedarf herrsche nach Ansicht von Umweltexperten auch bei der Frage, wer nun wirklich Eigentümer des DSD sei und welche Anleger hinter dem KKR-Deal steckten. Es sei doch recht merkwürdig, dass mittlerweile die KKR-Tochter Blacksmith Holding S.à.r.l. im Steuerparadies Luxemburg als 100prozentiger Gesellschafter der DSD-GmbH aufgeführt werde. Unklar sei auch die Rolle des früheren DSD-Finanzvorstands Diether Buchmann, der jetzt als Geschäftsführer und Kommanditist der KKR-Firma Blacksmith Management Beteiligungs-GmbH & Co. KG tätig sei und in der Grafenberger Allee in Düsseldorf in Nachbarschaft zur Metro-Konzernzentrale residiere. 



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