Höhere Lkw-Maut: „Wünsch-Dir-Was-Politik aus dem grünen Elfenbeinturm“

Scharfe Kritik an der geplanten Erhöhung der Lkw-Maut kommt vom Branchenverband BGL. Der Koalitionsausschuss habe eine realitätsferne Entscheidung gefällt.
Titelbild
Ein Straßenschild weist auf eine nahende Lkw-Mautstation hin.Foto: Bernd Wustneck/AFP/Getty Images
Von 30. März 2023

Der Branchenverband für Güterverkehr und Logistik hat deutliche Kritik am sogenannten Modernisierungspaket des Koalitionsausschusses geäußert. Er nimmt vor allem Anstoß am geplanten CO₂-Aufschlag auf die Lkw-Maut, der ab 2024 in Kraft treten soll.

Der Vorstandssprecher des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL), Prof. Dr. Dirk Engelhardt, meldet sich auf Facebook zu Wort. Er spricht von einer zu erwartenden Verdoppelung der Lkw-Maut und Mehrkosten für Auftraggeber und Verbraucher. Auch zusätzliche Insolvenzen seien zu befürchten.

BGL bestreitet potenzielle Lenkungswirkung

In seinem Beitrag spricht Engelhardt von einer „Wünsch-Dir-Was-Politik aus dem grünen Elfenbeinturm“. Die Koalition ignoriere damit einfach die jüngste Verkehrsprognose aus dem Ministerium von Volker Wissing (FDP).

Der Beschluss sei zudem ineffektiv. Ohne am Markt verfügbare Alternativen zum Diesel-Lkw und ohne Ladeinfrastruktur fehle es an jedweder Lenkungswirkung zugunsten des Klimaschutzes. Wörtlich erklärt der BGL-Chef:

Habeck & Co sollten sich überlegen, ob sie sich ihre Rhabarber-Schorle künftig nicht besser mit der Bahn vor die Haustür liefern lassen.“

Lkw-Fahrer suchten jeden Abend verzweifelt freie Stellplätze. Stattdessen sollen die Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut in den Ausbau der Schiene fließen. Vor diesem Hintergrund, so Engelhardt, „fragt man sich, ob Teile der Koalition überhaupt verstanden haben, wer Deutschland bewegt“.

Lkw-Maut soll Ausbau der Schiene tragen

Der Aufschlag auf die Lkw-Maut soll nach dem Willen der Koalition dazu dienen, eine „klimaschonende“ Modernisierung der Infrastruktur zu finanzieren. So soll es möglich sein, die beschlossenen Maßnahmen ohne zusätzliche Kosten umzusetzen. Zusätzliche Mittel sollen aus dem Klima- und Transformationsfonds sowie aus den Einnahmen aus dem Emissionshandel kommen.

Der CO₂-Aufschlag soll erstmals auch für die Nutzfahrzeuge ab 3,5 Tonnen gelten. Der Bund verspricht sich davon zusätzliche Einnahmen von 665 Millionen Euro im Jahr. Bislang betrafen die zuvor beschlossenen Änderungen zur Lkw-Maut vom November 2022 lediglich Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen auf Autobahnen und Bundesstraßen.

Von den Einnahmen sollen 80 Prozent dem Ausbau des Schienennetzes und Bahnverkehrs zugutekommen. Erleichterungen sind vorgesehen für emissionsfreie Lkw, die bis 2025 keine und danach eine um 75 Prozent ermäßigte Maut bezahlen sollen. Auch für Handwerker soll es Sonderbestimmungen geben. Genaue Beträge sind bislang aber noch nicht bekannt.

Insolvenzen bei Auftraggebern und Transportunternehmen zu befürchten

BGL-Sprecher Engelhardt beruhigen diese Zusicherungen nur bedingt. Gegenüber dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (RND) macht er deutlich:

Wir reden hier von einer gigantischen Kostenerhöhung über Nacht, die kein Transportunternehmen aus der Portokasse bezahlen oder irgendwie intern wegdrücken kann.“

Die Umsatzrendite der Branche liege bei maximal drei Prozent, der Mautanteil im Fernverkehr wachse ab 2024 demgegenüber auf etwa 20 Prozent. Die Transportunternehmen müssten wiederum ihre Mehrkosten auf die Frachtkosten umlegen. Das schade wiederum mittelständischen Auftraggebern wie kleinen Kies- oder Betonwerken, die jetzt über hohe Kosten klagten.

Es könne deshalb nicht nur auf beiden Seiten mehr Insolvenzen geben, auch die Endverbraucher müssten mit höheren Preisen für Waren und Dienstleistungen rechnen.

Bahn hofft auf zügige Generalsanierung

Zufrieden mit der Einigung zeigte sich hingegen die Bahn. DB-Chef Richard Lutz hofft, die fällige Generalsanierung des veralteten und störanfälligen Schienennetzes zeitnah über die Bühne zu bringen. Der Bund geht von einem Investitionsbedarf bis 2027 in Höhe von rund 45 Milliarden Euro aus. Diese will man aus den Einnahmen aus der Lkw-Maut finanzieren. Im Jahr 2021 betrugen diese dem Bund zufolge 7,6 Milliarden Euro. Lutz erwartet nun einen Schub in Richtung Modernisierung und Digitalisierung des deutschen Bahnverkehrs.

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG ist ebenfalls zufrieden. Von ihrer Seite heißt es: „Mit der Stärkung der Schiene rücken die Klimaziele in greifbare Nähe.“

Im Zuge der Generalsanierung wollen Bahn und Bund allerdings besonders verkehrsreiche Strecken für jeweils rund ein halbes Jahr sperren. Dies dürfte jedoch die Kapazitäten weiter einschränken, während die höheren Lkw-Transportkosten die Nachfrage nach alternativen Verkehrsträgern steigen lassen.

Wie lange ist die deutsche Lkw-Maut EU-weit noch konkurrenzfähig?

In Summe könnte die höhere Lkw-Maut die Mobilität von Unternehmen und Wirtschaftsgütern einschränken und zu zusätzlichen Verzögerungen und ineffizienten Transporten führen. Leidtragende könnten regionale Transportunternehmen sein. Sie fahren häufiger auf kurzen Strecken und profitieren weniger stark von Skaleneffekten.

Die Erhöhung der Lkw-Maut könnte auch dazu führen, dass Transportunternehmen weniger flexibel sind. Sie müssten dann ihre Routen und Fahrpläne ändern, um höhere Kosten zu vermeiden. Je höher die Lkw-Maut in Deutschland wird, umso mehr könnte sie auch zu einem Nachteil deutscher Transportunternehmen im europäischen Wettbewerb führen.

Mehr Transporte könnten über ausländische Unternehmen laufen – und über Alternativrouten zwischen dem Norden und dem Süden Europas. Infrage kämen dafür etwa die Niederlande, Belgien, Frankreich oder die Schweiz. Dies könnte auch für den Bund zu einem Rückgang der Einnahmen aus der Lkw-Maut führen.

(Mit Material von dpa und dts)



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