Immobilienkrise erreicht mit Wucht die Projektentwickler

Die anhaltende Krise auf dem Immobilienmarkt hat nun auch die Projektentwickler schwer getroffen. Innerhalb weniger Tage meldeten gleich drei renommierte Namen Insolvenz an. Die Krise auf dem Immobilienmarkt hinterlässt unübersehbare Spuren in der Entwicklungslandschaft. Das könnte erst der Anfang sein.
Das Wohnen wird immer teurer. München liegt im europäischen Vergleich sogar auf Platz 2.
Viele Bauprojekte sind ins Stocken geraten. Das trifft auch die Projektentwickler.Foto: Melissa Erichsen/dpa
Von 18. August 2023


Die Krise auf dem Immobilienmarkt hat nun auch die Projektentwickler erreicht. Mit Development Partner, der Project-Gruppe und Euroboden rutschten in den letzten Tagen gleich drei Projektentwickler in die Insolvenz. „Aufgrund der langen wie auch andauernden kritischen Marktentwicklung sind die Liquiditätsreserven aufgebraucht“, war auf der Onlineplattform „Immobilienmanager (IM)“, von Development Partner aus Düsseldorf zu lesen.

Das Unternehmen ist vor allem auf dem Büromarkt aktiv. Unter anderem betreut die Gruppe Projekte in der Kölner Innenstadt oder den Technologiecampus des IT-Konzerns IBM bei Stuttgart.

Bei Project Immobilien mussten drei von vier Gesellschaften in die Insolvenz geschickt werden. Das Investitionsvolumen des Unternehmens lag zuletzt bei 3,2 Milliarden Euro im Bau oder Planung. Wie der Insolvenzverwalter in einer Presseerklärung mitteilt, betreute Project zuletzt deutschlandweit rund 60 Projekte.

Zuletzt traf es dann Euroboden, einen Luxusimmobilienentwickler aus dem Münchner Nobelvorort Grünwald. Ursprünglich sollte ein Notverkauf mehrerer Grundstücke einen zweistelligen Millionenbetrag einbringen. Dieser sei aber gescheitert oder unwahrscheinlich geworden. Damit seien bisher erwartete Erlöse weggefallen oder können, aufgrund der Lage am Markt, deutlich später und geringer als geplant ausfallen. Das hat das Unternehmen laut Immobilienmanager in so eine Schieflage gebracht, dass nur noch der Insolvenzantrag als Ausweg blieb. Wer eine Anleihe des Unternehmens hält, muss nun mit deutlichen Verlusten rechnen.

Der Markt ächzt – gewagte Finanzierungsstrategien rächen sich

Drei Unternehmenspleiten in einer Woche – dabei rollt die Pleitewelle gerade erst auf die Branche zu. Eine Auswertung der Unternehmensberatung bulwiengesa aus dem Mai belegt die Aussage: Bei 23 Prozent aller Projekte verzögert sich die Fertigstellung. „Der Markt ächzt, und alle Akteure spüren seit längerem den Rückgang“, sagt Felix Embacher, Head of Research & Data Science bei bulwiengesa. „Die skeptischen Ertragserwartungen der Projektentwickler zeigen sich vor allem am Einbruch der Planungen: Diese gehen insgesamt um 7,8 Prozent gegenüber 2022 zurück.“ Für die Berater von bulwiengesa habe die Entwicklungen allerdings auch eine positive Seite: Es reduziere die Gefahr, dass bei sinkender Nachfrage zu viel gebaut werde.

Allerdings sind Projektentwickler nicht nur in die Planung von Projekten eingebunden. Sie verantworten den gesamten Prozess, von der Entwicklung der Idee bis zur Fertigstellung. Die einzelnen Phasen dieses Prozesses überschneiden sich dabei. Beispielsweise könnte mit der Vermarktung einer Immobile schon während der Konzeptphase begonnen werden. Oft finanzieren sich die unterschiedlichen Projekte daher gegenseitig. Der Verkauf der Immobilie als Abschluss des einen Projektes finanziert beispielsweise schon die Konzeptionsphase eines anderen Projektes. Wenn aber die Finanzierung durch den Verkauf unerwartet ausfällt, dann beeinflusst das sofort auch andere Projekte.

Das ist eine sehr komplexe und gewagte Finanzierungsstrategie. In Zeiten des Immobilienbooms ging es aber meistens gut und wurde mit hohen Renditen belohnt. Nun aber, wo der Immobilienmarkt durch die Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Abschwung befindet, hat sich die Situation grundlegend verändert. Die Folgen der riskanten Investitionen und fehlerhafte Entscheidungen der letzten Jahre kommen nun wie ein Bumerang zurück.

Es wird Unternehmen treffen, die aggressiv auf den Markt drängten

Der Markt bei den Projektentwicklern wird durch die Immobilienkrise gerade marktbereinigt. „Circa 20 bis 30 Prozent der kleinen bis mittelständischen Projektentwicklungsunternehmen werden vorerst vom Markt verschwinden“, schätzt Niklas Köster, Professor für Immobilienwirtschaft an der Fresenius Hochschule in Hamburg gegenüber dem „Handelsblatt“. Die Bereinigung werde die nächsten zwei Jahre, auf jeden Fall bis Ende 2024, andauern.

Köster zufolge wird es die kleinen und mittelständischen Unternehmen treffen, wenn sie keine Rücklagen und keine eigenen Immobilien zum Vermieten haben. „Es wird insbesondere Unternehmen treffen, die in den vergangenen fünf Jahren aggressiv auf den Markt drängten, viel zu teuer Grundstücke gekauft haben und deren Projekte jetzt gar nicht mehr in die Umsetzung gehen“, so Kösters Einschätzung.

Neben den gestiegenen Baukosten haben die Projektentwickler vor allem mit der Herausforderung zu kämpfen, dass die Erholung des Immobilienmarkts deutlich länger dauert als ursprünglich angenommen. Nachdem die EZB seit Juni des vergangenen Jahres Schritt für Schritt die Zinsen erhöht hatte, stiegen auch die Bauzinsen an. Im August 2022 lag der durchschnittliche Zinssatz laut dem Statistischen Bundesamt bei einer Sollzinsbindung für zehn Jahre bei 2,86 Prozent, für eine 15-jährige Bindung bei 3,14 Prozent. Im August 2023 lag der Zinssatz für eine zehnjährige Bindung bei 3,91 Prozent, für eine 15-jährige Bindung bei 4 Prozent. Diese Erhöhung der Zinsen führte zu einem Rückgang der Nachfrage nach Immobilien.

Erhoffter Aufschwung blieb bislang aus

Die Projektentwickler hatten gehofft, dass die Nachfrage nur kurzzeitig zurückgehen würde. Zwar hatten sie das erste Halbjahr frühzeitig abgeschrieben, im Herbst dann aber wieder auf einen Aufschwung gehofft. Diese Hoffnung scheint sich nun nicht zu erfüllen. Prognosen gehen davon aus, dass erst im nächsten Jahr wieder mit mehr Aktivitäten am Markt zu rechnen sei.

Bereits Wochen zuvor waren Entwickler pleite gegangen. Laut der Website „Listflix“ gibt es über 30.000 Projektentwickler in Deutschland. Bisher waren es kleine Unternehmen, die im Zuge der Immobilienkrise aufgeben mussten. Mit Development Partner und Project Immobilien hat es nun auch die Großen getroffen. Beide Unternehmen gehören zu den bedeutenderen Akteuren im Markt. Development Partner zählte im ersten Halbjahr im Segment der sogenannten B-Städte – also Großstädte mit 250.000 bis 650.000 Einwohnern – zu den sechs größten Projektentwicklern. Dabei lag das Unternehmen sogar vor etablierten Branchengrößen wie BPD und der Zech Group. Auch Project Immobilien spielte auf den vorderen Plätzen.

Der Kreditexperte und Partner beim Analysehaus Independent Credit View (I-CV) in Zürich, Marc Meili, sagt gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ), dass sich die stark gestiegenen Kosten auf die Marge von Projekten durchschlagen. Wenn ein Entwickler mit fünf Prozent der Rendite kalkuliert habe, würde sich das jetzt oftmals nicht mehr rechnen. Es käme dann zu Notverkäufen.

Im schlimmsten Fall würden angefangene Projekte nicht mehr fertiggestellt. Das kann dazu führen, dass Anzahlungen von Käufern nicht zurückerstattet werden und Handwerker auf ihren Rechnungen sitzen bleiben.

Kaum noch Abnehmer für Projekte

„Im gegenwärtigen Umfeld finden Entwickler kaum noch Abnehmer für ihre Projekte“, sagt Meili weiter. Große institutionelle Investoren reduzierten ihre Immobilienengagements und zögen sich teilweise sogar von getroffenen Investitionsvereinbarungen zurück. Die Branchenentwicklung sei auch für die Bundesregierung besorgniserregend, findet Meili, da die Bautätigkeit zurückgehe, wodurch zu wenig neuer Wohnraum geschaffen werde und die Mieten steigen würden.

Gestiegene Baukosten, hohe Zinsen und gesunkene Investitionsbereitschaft werden ein immer größeres Problem für die Branche. Felix Embacher von bulwiengesa warnt mit Blick auf die Projektentwickler vor den finanziellen Risiken, wenn nicht zusätzliches Eigenkapital bereitgestellt werden kann.

Sollte sich die Inflation hartnäckiger als ohnehin schon erweisen und erhöht die EZB die Zinsen weiter, kann das alles zu einer ausgewiesenen Immobilienkrise führen. Auch wenn die EZB auf dem jetzigen Zinsniveau ausharren würde, wären das nicht unbedingt bessere Nachrichten für die Branche. Die anhaltenden Probleme würden sich in diesem Fall nicht in Luft auflösen und weitere Insolvenzen auslösen.



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