Inflation: Tomatenpreise im April um 42 Prozent gestiegen, Getreide um 20,4 Prozent

Die Preise für Lebensmittel steigen und steigen: Tomaten wurden um 42,6 Prozent teurer, Getreide um 20,4 Prozent, Zuckerrüben und Raps um 30,7 Prozent, Schafe und Ziegen um 15 Prozent. Das sagt das Statistische Bundesamt. Billiger wurden Kartoffeln und Schlachtschweine. Hinzu kommt: China kauft den Getreidemarkt leer.
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Es wird teurer: Nicht nur Tomaten verteuerten sich.Foto: iStock
Von 21. Juni 2021

Getreide kostete im April 20,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Vor allem Gemüse wurde massiv teurer – bei Tomaten stiegen die Preise um 42,6 Prozent, teilt das Statistische Bundesamt mit. Insgesamt wird von einem Anstieg der Kosten für pflanzliche Erzeugnisse um 11,5 Prozent gegenüber dem April 2020 gesprochen.

Im Durchschnitt wurden Erzeugnisse aus dem Gemüse- und Gartenbau um 16,1 Prozent teurer (April 2021 gegenüber April 2020).

Wird die Bratwurst billiger als der Gemüsesalat?

Ausschlaggebend hierfür waren erneut die gestiegenen Preise für Pflanzen und Blumen (+20,3 Prozent). Raps und Zuckerrüben verteuerten sich um 30,7 Prozent. Die Rapslager bei Landwirten, Händlern und Ölmühlen sind nahezu leer. Bereits im März 2021 gab es einen Anstieg um 31,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Dazu haben vor allem die Preissteigerungen beim Raps mit +39,6 Prozent beigetragen.

Bei Speisekartoffeln fallen die Preise hingegen schon seit September 2019. Im April 2021 waren sie um 54,5 Prozent und im März 2021 um 53,4 Prozent niedriger als im Vorjahresmonat. Dafür dürfte die fehlende Nachfrage aus der Gastronomie und den Großküchen verantwortlich sein.

Für Bratwurst und Co fehlen weiterhin Volksfeste, Konzerte und Messen: Der Preis für Schlachtschweine lag im April immer noch um 18,8 Prozent unter denen des Vorjahres. Im März 2021 waren es -24,9 Prozent, im Februar -36,0 Prozent.

Die Preise für Schafe und Ziegen steigen hingegen: Von April 2021 gegenüber April 2020 um +25 Prozent, im März 2021 waren es gegenüber dem März 2020 +18,6 Prozent. Auch bei Rindern erhöhten sich die Preise um 13,8 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat.

Nur durch den Niedergang der Schweinepreise kann davon gesprochen werden, dass die Preise für tierische Erzeugnisse um 3 Prozent sanken.

Die Preise sind nicht eins zu eins auf den Supermarkt übertragbar, da die Erhebung nur die inländische Erzeugung berücksichtigt und nicht die Weltmarktpreise.

Es gibt ein globales Problem: Preise für Pflanzenöle, Zucker und Getreide steigen

Vor allem Getreide, Pflanzenöle und Zucker sind international gesehen stark gefragt, was die Preise nach oben treibt. Vergleicht man die ersten fünf Monate des Jahres 2021 mit dem Vorjahreszeitraum, dann stiegen die Preise für Getreide um 26 Prozent, Weizen um 20,5 Prozent und grobes Korn um 53,3 Prozent.

Die UN-Ernährungsorganisation FAO spricht bei Agrarrohstoffen von einer Steigerung um 40 Prozent im Vergleich von Mai 2021 mit Mai 2020, wie „Agrarheute“ berichtet. Insgesamt seien die Preise so hoch wie seit September 2011 nicht.

Pflanzenöle, Zucker und Getreide werden global stark nachgefragt, erklärte Abdolreza Abbasian, Chef-Ökonom der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO). In vielen Marktsegmenten seien die georderten Produkte überhaupt nicht mehr vorhanden, was die Preise rasant erhöht. Die Nahrungsmittelpreise kletterten in den OECD-Ländern auf den höchsten Wert seit 2008.

Die Ursache: China kauft global schon seit Längerem die Getreidemärkte leer. Das betrifft vor allem Mais, Weizen, Soja und Futtergetreide. Möglicherweise ist dies bedingt durch die starken Überschwemmungen im Jahr 2020 und die Zunahme der chinesischen Schweineproduktion. Mit der Schweineproduktion steigt auch der Bedarf an Futtergetreide.

Hat China ein Nahrungsmittelproblem?

Vermutlich ist in China die Versorgungslage mit Lebensmitteln angespannter als die internationale Gesellschaft denkt. China kaufte bereits Ende April und Anfang Mai und damit sehr frühzeitig von der neuen Maisernte der USA große Mengen auf – obwohl die Preise hoch sind. Das Vermarktungsjahr 2021/2022 beginnt am 1. September.

Die US-Landwirtschaftsbehörde schätzt, dass Peking 28 Millionen Tonnen Mais zukauft (im Vorjahreszeitraum 2020/2021 waren es 7 Mio. Tonnen).

Die Mais-Preise schossen am europäischen Terminmarkt auf über 263 Euro je Tonne und lagen damit über dem früheren Spitzenwert aus dem Jahr 2012. Am chinesischen Terminmarkt in Dalian wurde im Mai umgerechnet für die alte Maisernte 369 Euro je Tonne Mais verlangt und für die neue Ernte 363 Euro je Tonne – also rund 100 Euro je Tonne mehr als in Europa.

Analysten glauben, dass die globale Versorgung mit Mais und Soja bis zum nächsten Herbst extrem angespannt sein wird. Die Lager seien jetzt schon leer.

Peking hat zudem in Frankreich große Mengen Weizen der neuen Ernte geordert. Frankreich ist damit einer der wichtigsten Getreidelieferanten Chinas geworden. Deutschland hat mit China keine phytosanitären Zertifikate abgeschlossen und bleibt daher außen vor. (Phytosanitäre Zertifikate sollen das Risiko einer Einschleppung von Schädlingen so gering wie möglich halten. Alle Pflanzen und frischen pflanzlichen Produkte benötigen ein entsprechendes Zeugnis bei der Einfuhr in die EU und müssen kontrolliert werden.)

Zudem kauft China sich immer mehr in die kasachische Landwirtschaft sowie die anderer Staaten ein und übernimmt große Flächen für die eigene Produktion.

Peking mauert und verhaftet diejenigen, die von einer schlechten Ernte berichten

Unabhängige Nachrichten aus China sind rar – Pekings kommunistische Führung lässt sich nicht gern in die Karten gucken. Am 29. April verschwand eines der wichtigsten und im globalen Agrarsektor hoch angesehenes Analystenhaus, das chinesische Cofeed. Es erscheinen keine täglichen Preisberichte über Getreide, Öle und Futtermittel mehr. Die Internetseite ist verwaist, die Büros sind versiegelt, berichtete „Reuters“. Der Verbleib der Mitarbeiter ist ungewiss, Anrufe bleiben unbeantwortet.

Einer Meldung von „ABC News“ zufolge wurden sie verhaftet, um sie daran zu hindern, die Wahrheit über die unterdurchschnittliche Ernte Chinas zu sagen.

Auf die Marktberichte von Cofeed vertrauten die großen Vier des Weltagrarhandels (das ABCD-Quartett aus AMD, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus). Laut „ABC News“ wurde auch ein führender Marktexperte des chinesischen Analystenhauses JCL verhaftet.

Möglicherweise versuche die chinesische Regierung, einerseits Ängste der Bevölkerung über ein ernstes Versorgungsdefizit zu zerstreuen und andererseits Exportländer über den wahren Importbedarf Chinas im Unklaren zu lassen – damit die Weltmarktpreise niedrig bleiben. Das vermutet Nick Crundall vom australischen Unternehmen Market Check.

Andrew Whitelaw, Analyst von Thomas Elder Markets, erklärt:

Die Marktinformationen aus China sind unverhohlen Propaganda.“

Whitelaw ist sich sicher, dass ein tatsächlicher Bedarf hinter den Importen Chinas stehe. Getreidemangel sei für die Regierungen bevölkerungsreicher Länder sehr gefährlich und man importiere einfach keine Dinge, die man nicht brauche.

Praktisch alle Rohstoffe verteuern sich

Allerdings verteuern sich nicht nur Agrarrohstoffe, sondern praktisch sämtliche Rohstoffe und Vorprodukte wie Stahl, Kupfer, Holz und Energie. Hinzu kommen Transportprobleme, steigende Frachtkosten und Engpässe in der Container-Schifffahrt.

Der Bundesverband der Süßwarenindustrie warnte vor einem Mangel an Verpackungsmaterial. Man hofft, dass dies nicht auch zu Lieferengpässen bei Süßwaren führen werde. In 45 Prozent der deutschen Industriebetriebe fehlt es an Teilen oder Materialien, wie eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts ergeben hat.

Mittlerweile kostet bei Hapag Lloyd der 40-Fuß-Container 3.000 US-Dollar – im März 2020 waren es 75 Dollar. Manchmal verlangen Spediteure auch 20.000 Euro. Der globale Schiffsverkehr ist gestört, weil sich vor südchinesischen Häfen die Containerschiffe massiv stauen. Die Auswirkungen des Staus sind größer als die der vor einiger Zeit im Suez-Kanal feststeckenden „Ever Given“.



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