Krise trifft auch deutsche Start-ups: Risikokapital bricht um 43 Prozent ein

Der Ukraine-Krieg und die Wirtschaftskrise belasten das Vertrauen von Risiko-Investoren in den Standort Deutschland. Das bekommen auch Start-ups zu spüren.
Eine Telefahrerin im Telefahrzentrum des Berliner Start-ups Vay
Eine Telefahrerin im Telefahrzentrum des Berliner Start-ups VayFoto: Pressefoto Vay
Von 11. Januar 2023


Nach einem Rekordjahr im Zeichen der Corona-Pandemie hat die krisenhafte Entwicklung des Jahres 2022 auch vor deutschen Start-ups nicht haltgemacht. Einer am Mittwoch (11.1.) veröffentlichten Analyse der Wirtschaftsberatung EY zufolge stellten Investoren Gründern nur noch 9,9 Milliarden Euro zur Verfügung. Das seien 43 Prozent weniger als noch 2021.

Im zweiten Jahr der Corona-Krise hatten Start-ups noch von billigem Geld und einem Digitalisierungsschub profitiert. Zu den Gewinnern gehörten Unternehmen der Finanzdienstleistungsbranche, Lieferdienste, Online-Kaufhäuser, aber auch Unternehmen der Pharma-Branche wie der Impfstoffhersteller BioNTech.

Zudem stärkte das Vertrauen in ein absehbares Ende der Corona-Krise die Hoffnung, dass Jungunternehmen dann durchstarten. Insgesamt investierten Risikokapitalgeber 2021 noch 17,4 Milliarden Euro in Gründerunternehmen.

Start-ups leiden unter Zurückhaltung von Risikokapitalgebern

Mittlerweile hat die Krisenstimmung jedoch auch jene Konzerne und Fonds erfasst, die Mittel in der Hoffnung auf künftige Erfolge von Start-ups investieren. In einigen Bereichen war die Entwicklung absehbar: Mit dem Ende der Corona-Maßnahmen sollte die Bedeutung von Lieferdiensten oder Onlineshops wieder abnehmen. Es war auch absehbar, dass für Pharmaentwickler oder Streamingdienste die Zeiten nach Corona wieder härter würden.

Das Jahr 2022 stand jedoch im Zeichen des Krieges in der Ukraine und einer dadurch ausgelösten neuen Wirtschaftskrise. Steigende Energiepreise, eine heftige Inflation und eine Zinswende der Notenbanken erschütterten den Markt.

Die Entwicklung veranlasste auch potenzielle Risikoinvestoren dazu, Geld zurückzuhalten. Selbst finanzstarke Konzerne gingen dazu über, liquide Mittel als Barreserven bereitzuhalten. Auf diese Weise wollen die Unternehmen sich gegen Einnahmenausfälle schützen oder Investitionen absichern.

Einem Bericht des „Handelsblatts“ vom Dezember 2022 zufolge horten deutsche Unternehmen derzeit Barreserven in Höhe von insgesamt 765 Milliarden Euro. Insgesamt entspreche dies 20,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Vieles davon fehlt nun als potenzielles Risikokapital für Start-ups. Diese benötigen aber dringend Fremdkapital, weil sie anfangs noch keine Gewinne schreiben.

Berlin und Bayern bleiben an der Spitze

Thomas Prüver von EY sieht weiterhin harte Zeiten für Gründer. Start-ups müssten von Beginn an einen klaren Weg zur Profitabilität aufzeigen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur“ äußerte Prüver:

 

Angesichts steigender Kapitalkosten und sinkender Bewertungen achten Investoren mehr auf Rentabilität als auf langfristige Wachstumsversprechen.“

Der Einbruch von 2022 könnte erst der Anfang gewesen sein. Immerhin war das Jahr noch das zweitbeste seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 2015. Die Zahl der geschlossenen Deals sank der Analyse zufolge um 13 Prozent auf 1.008. Die Zahl der großen Finanzierungsrunden mit über 50 Millionen Euro Volumen sank auf 37 – und damit auf die Hälfte des Jahres zuvor.

Mit 4,9 Milliarden Euro warben Unternehmen aus Berlin das meiste Geld ein, vor Bayern mit 2,4 Milliarden Euro. In beiden Fällen belief sich die Gesamtsumme jedoch auf die Hälfte oder weniger gegenüber dem Jahr 2021.

Von den zehn größten Finanzierungsrunden entfielen sechs auf Berlin. Das meiste Geld floss an die Berliner Versicherungsfirma Wefox und das Münchner Software-Start-up Celonis. Demgegenüber war der eigenständige Weg des Lieferdienstes Gorillas schon wieder am Ende angelangt. Steigende Kosten, ein schwächelndes Geschäft und eine schlechtere Bewertung hatten einen Aufkauf durch den größeren Rivalen Getir zur Folge.

Ein Fünftel aller deutschen Start-ups von Einwanderern gegründet

Auffällig an der Gründerszene in Deutschland ist, dass ein hoher Anteil an Start-ups auf Personen mit Migrationsgeschichte entfällt. Dies geht aus einer Sonderauswertung des Deutschen Start-up-Monitors aus dem Vorjahr hervor.

Bereits jedes fünfte Start-up in Deutschland ist eine Gründung von Einwanderern der ersten oder zweiten Generation. Auch unter den bedeutendsten Entscheidungsträgern dieser Jungunternehmen seien Einwanderer in überdurchschnittlichem Maße vertreten, erklärt KfW-Chefökonomin Fritzi Köhler-Geib.

Der Co-Vorsitzende des Start-up-Verbands, Christian Vollmann, äußert dazu:

 

Gerade die Bereitschaft, Risiken einzugehen und groß zu denken, sind Dinge, die in Deutschland oft noch fehlen und die wir als Standort im internationalen Wettbewerb brauchen.“

Allerdings stoßen die Gründer auf vielerlei Hürden. Neben verbreiteten Vorurteilen seien es auch bürokratische Hemmnisse, die den Start erschweren. Ein Bankkonto zu eröffnen habe sich angefühlt wie „ein Berg, den du besteigen musst“, äußerte etwa Naren Shaam. Der Inder gründete 2012 die Reiseplattform Omio. Im Jahr 2019 erreichte deren Unternehmenswert eine Milliarde US-Dollar und damit den sogenannten Einhorn-Status.

(Mit Material der dpa)



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