Marc Friedrich: Die Energiewende ist krachend gescheitert
Statt des versprochenen „Grünen Wirtschaftswunders“ erleben wir unser wahres blaues Wunder. Dabei hatten die Grünen dies noch lautstark und selbstbewusst vor der Bundestagswahl groß angekündigt. Doch weder von einem Wirtschaftswunder, geschweige denn einem „Grünen Wirtschaftswunder“ ist aktuell etwas zu sehen.
Ganz im Gegenteil. Stattdessen ist Deutschland in eine Rezession gerutscht, eine Deindustrialisierung ist in vollem Gange, die Unternehmenspleiten steigen auf ein 7-Jahreshoch und die Aussichten trüben sich immer weiter ein. Ebenfalls ausgeblieben sind die sinkenden Strompreise, die eigentlich nach dem Atomausstieg laut Katrin Göring-Eckhardt hätten eintreten sollen.
Doch wie bei so vielen Themen ist die reale Welt da draußen eine andere als die in der Berliner Politik-Blase. Stattdessen wird nun über subventionierten Industriestrom nachgedacht. Man kreiert selbst ein Problem, um dann die Lösung dafür parat zu halten und sich als Macher darzustellen.
Der Strom wird teurer
Die Zahlen zeigen mittlerweile eindeutig, dass der Strom immer teurer wird und das, obwohl die EEG-Umlage (also die Abgabenlast) weggefallen ist. Deutschland hat sich allein in diesem Jahr von einem der größten Stromexporteure zum Nettoimporteur entwickelt.
Laut Statistischem Bundesamt mussten im zweiten Quartal 2023 7,1 Milliarden Kilowattstunden Strom nach Deutschland eingeführt werden. Der höchste Importüberschuss in einem Quartal seit Beginn der Statistik im Jahr 1991.
Oder um es mit den Worten des Bundeswirtschaftsministers Robert Habecks auszudrücken: „Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem.“ Auch im August und September kam es zu signifikanten Nettostromimporten (siehe Abbildung). Im abgelaufenen Monat wurden netto 4,543 Millionen MWh Strom importiert. In den ersten neun Monaten 2023 stehen jetzt bereits 12,893 Millionen MWh Nettoimporte auf der Uhr.
Seit dem Ausstieg aus der Atomkraft ist keine einzige Woche ohne Nettostromimporten vergangen. Anders sieht das jedoch die Klimaaktivistin Luisa Neubauer, die in der Talkshow „Maischberger“ behauptet, Deutschland sei Nettostromexporteur und man beziehe keinen Atomstrom aus Frankreich. Beides ist natürlich falsch.
Viel bezeichnender ist allerdings, dass der hausinterne Faktencheck der „Maischberger“-Redaktion ganze vier Anläufe braucht, um Frau Neubauer zu bescheinigen, dass ihre Aussage nicht der Wahrheit entspricht. Man kann nur hoffen, dass es den Protagonisten allmählich dämmert, dass die Abschaltung der AKW ein folgenschwerer Fehler war.
Fakt ist: Während wir abgeschaltet haben, schalten alle anderen an. Polen wird ein Kernkraftwerk bauen, Italien will zurück zur Atomkraft und in China sind momentan allein 14 AKW im Bau und weitere 56 sollen folgen.
Vision vs. Realität: Der Ausbau der Windkraft stockt
Außerdem ist fraglich, wie man denn die selbst gesteckten Ziele beim Ausbau der Windkraft in Zukunft schaffen will. Um die Dramatik etwas zu veranschaulichen: Deutschland müsste aktuell, um die eigenen Ziele zu erreichen, monatlich 350 neue Windräder installieren.
Doch wie der folgende Chart klar zeigt, ist der Ausbau massiv ins Stocken geraten. Im Jahr 2021 wurden nur 484 neue Windkraftanlagen installiert. 2022 kamen 555 neue Windräder (installierte Leistung Nettozubau 2139 MW) dazu.
In den ersten fünf Monaten 2023 waren es 224 neue Windräder, ein Nettozubau von nur 115 Windrädern mit einer Nettoleistung von 978,7 MW.
Ein Witz, denn das offizielle Postulat bis 2030 lautet 115 GW installierte Leistung aus Windenergie. Aktuell ist man erst bei 58,5 GW angelangt. Und man darf nicht vergessen: Die Rede ist hier von nicht grundlastfähiger Windkraft. Denn Speicher sind aktuell noch nicht vorhanden, um den gewonnenen Strom bei Bedarf auch abrufen zu können. Auch in der EU will man bis 2030 jährlich 20 GW an Offshore-Windkraftanlagen bauen, die Industrie sagt möglich sind aber maximal 7 GW.
Doch das sind bei Weitem nicht die einzigen Probleme, die sich bei der Windkraft auftun. Man fragt sich, wie man den Ausbau schaffen will bei einem anhaltenden Fachkräftemangel und den nach wie vor strapazierten Lieferketten.
Dazu kommt der enorme Materialbedarf der erneuerbaren Energieträger. Allein für das Fundament eines Windrads werden bis zu 1.000 Tonnen Beton benötigt. Nach Ende der Laufzeit landen die tonnenschweren Rotorblätter dann auf dem Sondermüll. Darüber hinaus sind Windkraftanlagen, insbesondere Offshore-Windparks, in der Regel auf seltene Erden angewiesen, wie beispielsweise Neodym, das hauptsächlich in China abgebaut und verarbeitet wird. Somit sind neue Abhängigkeiten bereits heute vorprogrammiert. Als ob man nichts aus den letzten Jahren gelernt hätte.
Aber ganz abgesehen davon muss man einfach konstatieren, dass Deutschland in weiten Teilen durch Wind- und Sonnenarmut geprägt ist. Selbst wenn ordentlich Strom in den windstarken Regionen Norddeutschlands produziert wird, so fehlen nach wie vor die Leitungen, die den Strom in den Süden transportieren.
Es ist und bleibt nichts weiter als ein Märchen und so entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass nun ausgerechnet im Rheinhardswald, dem Märchenwald der Brüder Grimm, Hessens größter Windpark entsteht.
Sinnbildlich für diese missglückte Energiewende steht Siemens Energy. Das Unternehmen meldete erst kürzlich einen Quartalsverlust von sage und schreibe drei Milliarden Euro. Allein die Reparaturkosten der Onshore- und Offshore-Windparks belaufen sich auf eine Milliarde Euro.
Das Problem des Geisterstroms
Die fehlende Speicherkapazität führt uns direkt zum nächsten Problem, von dem man in der Politik praktisch nichts wissen möchte. Die Rede ist vom sogenannten „Geisterstrom“.
Denn selbst wenn dann mal der Wind kräftig bläst, kann es passieren, dass die Windräder zu viel Strom produzieren, sodass diese aufgrund mangelnder Speicherkapazitäten und Transportmöglichkeiten abgeschaltet werden müssen. Und auch hier sprechen die Zahlen und Fakten eine eindeutige Sprache.
Wie der Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft schätzt, wurden allein 2022 rund drei Milliarden Kilowattstunden Windkraft, die von Anlagen an Land hätten produziert werden können, abgeregelt. Das verursacht natürlich enorme Kosten. So gibt die Bundesnetzagentur an, dass diese im Jahr 2021 bei mehr als 800 Millionen Euro gelegen haben.
Geht es wirklich um Klimaschutz?
Man kann sich aktuell die Frage stellen, ob es der Bundesregierung wirklich um Klimaschutz geht. Denn falls es das täte, so hätte man die AKW am Netz gelassen.
Sogar die Wissenschaftssendung „Quarks“ des WDR hatte das im Jahr 2021 bestätigt. Hätte man alle sechs der damals aktiven AKW weiter betrieben, so hätte man 69 Millionen Tonnen CO₂ (rund zehn Prozent der jährlichen Emissionen Deutschlands) einsparen können. Doch man hat sich gegen diesen Weg entschieden und den Preis dafür zahlen nun die Endverbraucher und die Firmen.
Immer mehr Unternehmen kehren dem Land den Rücken zu. Die Zahlen sind erschreckend. Laut einer Umfrage des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft denkt mittlerweile jedes vierte mittelständische Unternehmen (26 Prozent) daran, das eigene Geschäft aufzugeben.
Jeder Vierte (22 Prozent) denkt sogar über eine Verlagerung ins Ausland nach. So kann man auch seine Klimaschutzziele erreichen. Denn wo nicht mehr produziert wird, da fallen auch keine CO₂-Emissionen an. Das Fatale ist jedoch, dass im Ausland – wie zum Beispiel in China – unter schlechteren Umweltstandards produziert wird.
Lösungsvorschläge
Doch es gibt Lösungen. Wie in einem meiner jüngsten Beiträge dargelegt, sollte die Politik ihre jetzige Energiepolitik überdenken. Folgende Maßnahmen sollten sofort umgesetzt werden:
- 180 Grad Wende bei der Energiepolitik. Dazu zählt insbesondere die Rückkehr zur Atomkraft. Acht AKW könnten reaktiviert werden.
- Kohleausstieg überdenken. Übergangsweise die Kohle- und Gasförderung reaktivieren.
- Massive Investitionen in Forschung, insbesondere in die Speichertechnologie.
Am Ende hätte man sogar eine Win-win-Situation, denn es würde dank der gesunkenen Energiekosten nicht zu einer Abwanderung von Industrien kommen, der Staat hätte höhere Einnahmen und könnte mehr in die Erforschung neuer Speichertechnologien investieren, die dann am Ende tatsächlich Marktreife erlangen.
Vor allem würde man so verhindern, dass die Industrie dorthin abwandert, wo die Energiekosten am geringsten sind (z.B. China) und wo unter deutlich höherem CO₂-Ausstoß produziert wird.
Fazit: Die dümmste Energiepolitik der Welt
Deutschland betreibt bereits seit Jahren die dümmste Energiepolitik der Welt. So titelte das „Wall Street Journal“ bereits im Jahr 2019. Dieser Tage wird uns jedoch wieder schmerzhaft vor Augen geführt, dass die Autoren damit zu 100 Prozent richtig lagen. Auch ich warne bereits seit Längerem vor den Folgen einer von Ideologie geblendeten Energiepolitik, deren Folgen nun immer mehr zutage treten.
Die Gefahr einer anhaltenden Deindustrialisierung ist akut, doch bis die Politik die Warnzeichen wahrnimmt, ist es wahrscheinlich bereits zu spät.
Zum Autor
Marc Friedrich ist sechsfacher SPIEGEL-Bestsellerautor, Finanzexperte, gefragter Redner, Vordenker, Freigeist und Honorarberater. Sein letzter Bestseller war das erfolgreichste Wirtschaftsbuch 2021: „Die größte Chance aller Zeiten“. Sein neues Buch erscheint am 21. November 2023: „Die größte Revolution aller Zeiten – wieso unser Geld stirbt und wie Sie davon profitieren“. Mehr Informationen: www.friedrich-partner.de, www.marc-friedrich.de oder @marcfriedrich7.
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