„New Green Deal“: Tiermast als Auslaufmodell

Unter den Zielvorgaben des Green Deals sollen sich die Tierbestände in naher Zukunft drastisch reduzieren. Landwirte bezweifeln, dass die Agrarreformen die Ernährungssicherheit gewährleisten und die Situation der Landwirte und Bauern verbessern werden.
Titelbild
Professor Mark Post von der Universität Maastricht zeigt bei einer Produktpräsentation in London „Laborfleisch“ aus der Petrischale.Foto: David Parry/Pa Wire Handout/PRESS ASSOCIATION IMAGES/dpa/dpa
Von 5. Januar 2022

Pflanzliche Fleischersatzprodukte haben sich in den letzten Jahren zu einem gesellschaftlichen Trend und lukrativen Wachstumsmarkt entwickelt. 2019 stellten deutsche Produzenten 26,6 Tonnen an Fleischersatzprodukten her und setzten diese für 273 Millionen Euro um. Im ersten Quartal des Jahres 2020 wurde bereits 40 Prozent mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres hergestellt. Im selben Jahr wurden nach Angaben von „Destatis“ 8 Millionen Tonnen Schlachtfleisch erzeugt, bei einem Umsatz von 40,1 Milliarden Euro.

Ein Mittel, was der „New Green Deal“ einsetzen will, um das Ziel einer Klimaneutralität des EU-Raumes bis 2050 zu erreichen, ist eine Ernährungsumstellung der Menschen. Der Proteinbedarf soll mehrheitlich über eine pflanzlich basierte Ernährung erfolgen.

Die Tiermast mit ihrem großen Verbrauch an Energie, Wasser, Antibiotika und Landflächen soll auf lange Sicht zum Auslaufmodell werden. Als Grund dafür wird angegeben, dass die Fleischindustrie für rund 30 Prozent der Klimagase verantwortlich sei.

Den Appetit der Kunden auf Fleisch will die Industrie nutzen und hat zahlreiche Ersatzprodukte auf den Markt gebracht. In den Regalen der Supermärkte nimmt die Auswahl an Hamburgern, Gehacktem, Geschnetzeltem, Nuggets, Aufschnitt oder sogar einzelner Fleischstücke wie Steak oder Hähnchenbrust zu, die auf pflanzlicher Basis beruhen.

Umfrage: Weniger als 15 Prozent wollen Insekten probieren

Im Gegensatz zu pflanzlichen Produkten kann sich die Mehrheit der Deutschen bei Befragungen nicht vorstellen, auf Insekten oder Laborfleisch umzustellen. YouGov befragte im Juni 2021 2.034 Personen, ob sie sich vorstellen könnten, Insekten oder Laborfleisch zu essen.

Nur 14 Prozent der Befragten bejahten die Frage, einmal Laborfleisch essen zu wollen. Bei den Insekten waren es 13 Prozent. Männer zeigten sich etwas offener gegenüber den neuen Nahrungsmitteln als Frauen. Jüngere Menschen zwischen 18 und 34 Jahren waren deutlich interessierter daran, einmal Laborfleisch und Insekten zu probieren, als Befragte ab 55.

Gesünder als Fleisch? – Herstellungsmethode von Laborfleisch

In-vitro-Fleischherstellung arbeitet mit den Stammzellen des Tieres, die in Bioreaktoren zu Fleisch anwachsen. Die wie Hackfleisch aussehende Masse wird dann zu Nuggets oder Würsten verarbeitet. Wenn sie wie ein Steak oder Filet Mignon aussehen soll, wird die Masse mittels neuster 3D-Drucktechnologie in Form gebracht.

Pionier ist der amerikanische Hersteller „Eat Just“, der seit 2020 in Singapur Labor-Hühnerfleisch an Restaurants verkauft. Es ist davon auszugehen, dass auch hierzulande die Gastronomie der erste Absatzmarkt für Kulturfleisch sein wird. Nach Meinung einiger Experten soll Laborfleisch herkömmliches Fleisch innerhalb der nächsten acht bis zehn Jahre preislich unterbieten und als Supermarktprodukt angeboten werden können.

Das Versprechen der Hersteller, dass Laborfleisch gegenüber der Tiermast gesünder sei und ohne Tierleid auskomme, ist noch nicht erfüllt. Der wissenschaftliche Nachweis über gesundheitsförderliche Aspekte des Kulturfleisches fehlt bisher.

Die Herstellung des Kulturfleisches ist ohne Tiere nicht möglich: Aus dem Muskelgewebe des lebenden Tieres werden die Stammzellen gewonnen, das notwendige Wachstumsserum stammt aus dem Blut lebender Föten.

Laborfleisch-Herstellung. Foto: Abbildung: Bartz/Stockmar (Lizenz-Infos), Lizenz: CC-BY 4.0, https://www.boell.de/de/2018/01/10/fleischatlas-2018-grafiken-und-lizenzbestimmungen

Zu den Investoren der Fleischersatztechnologie gehören unter anderem Microsoft-Gründer Bill Gates, Cargill, einer der größten Futtermittelhersteller der Welt und Richard Branson, Gründer der „Virgin Group“.

Branson erklärte gegenüber dem Magazin Bloomberg im Jahr 2017: „Ich glaube, dass wir in etwa 30 Jahren keine Tiere mehr töten müssen und dass das gesamte Fleisch entweder ‚clean‘ oder pflanzenbasiert sein wird.“ Das Fleisch werde dabei gleich schmecken wie herkömmliches Fleisch, aber viel gesünder sein, so der Unternehmer.

Planwirtschaft des „New Green Deal“

Nicht nur die Landwirte, auch Juristen und Ökonomen stehen den Zielvorgaben des Green Deals skeptisch gegenüber.

Sie kritisieren das Vorhaben der EU-Kommission, den post-pandemischen Wiederaufbau der Wirtschaft mit einer „grünen“ Investitions-, Wettbewerbs-, Währungs- und Finanzpolitik zu betreiben, anstatt sich auf ein einfaches und transparentes Instrument der CO₂-Bepreisung zu konzentrieren. Wenn alle Bereiche dem Klimaschutz untergeordnet werden, „dann fördert die staatliche Planwirtschaft Kleinteiligkeit und Fehlsteuerung“, so die Experten.

Die Zunft der Landwirte sieht die globale Ernährungssicherheit und das Überleben der Bauern unter dem Green Deal gefährdet. Ihnen zufolge würden die von Brüssel geplanten Umstrukturierungen keine Besserstellung für die einfachen Bauern und Landwirte bringen. Es sei weiterhin nicht möglich, kostendeckend zu produzieren.

Nicht nur in Deutschland, auch in anderen europäischen Gruppen aus dem Agrarsektor wird beklagt, dass die Landwirte bei der Ausgestaltung des landwirtschaftlichen Systems nicht mitreden dürfen. Die Landwirte fordern ein faires Agrarsystem, die Deckelung der Produktionskosten und die Einbeziehung der Bauern in die Klimastrategien.

„Farm to Fork“-Methode schadet Landwirtschaft

Die Forschungsabteilung des US-Landwirtschaftsministeriums (ERS) hat die wirtschaftlichen und finanziellen Auswirkungen der angestrebten „Vom Hof auf den Tisch“ („Farm to Fork“) -Methode durchgerechnet. Dabei stellte sich heraus, dass die europäische Landwirtschaft wegen der Maßnahmen insgesamt schlechter fahren würde als bisher.

So würde sich die Lebensmittelproduktion um bis zu 12 Prozent verkleinern. Die Einkommen der Bauern reduzierten sich um weitere 16 Prozent. Wegen der eingeschränkten Landnutzung und dem reduzierten Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ergäbe sich ein Rückgang bei den Ölsaaten (-61 Prozent), Weizen (-49 Prozent) und anderen Kulturen (-44 Prozent).

Durch die Verknappung und dem daraus resultierenden verschärften Wettbewerb um Agrar-Rohstoffe, würden die Preise für Lebensmittel steigen und die Haushalte der Verbraucher belasten. Je nach Szenario könnte dies die Versorgungssicherheit von weiteren 22 bis 185 Millionen Menschen in Mitleidenschaft ziehen.



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