Ökonom Stelter: Deutschland auf dem Weg zum „Armenhaus Europas“
Mit düsteren Einschätzungen hat sich der Star-Ökonom Daniel Stelter auf einem YouTube-Kanal zu Wort gemeldet. Gegenüber einer Anlageplattform warnt der langjährige frühere Unternehmensberater der Boston Consulting Group (BCG) vor Deutschland als künftigem „Armenhaus Europas“.
Die Abwanderung bedeutender Wirtschaftsunternehmen und ganzer Branchen aus Deutschland habe ein Ausmaß erreicht, das diese Entwicklung als wahrscheinlich erscheinen lasse. Hart ins Gericht geht Stelter unter anderem mit dem Plan von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, einen „Industriestrompreis“ zu entwerfen.
„In Deutschland bleibt nur, wer auf Subventionen angewiesen ist“
Habeck plant auf diese Weise, durch einen subventionierten Strompreis die Kosten für energieintensive Unternehmen künstlich gering zu halten. Seine Erwartung besteht darin, dass es auf diese Weise gelingen werde, die Abwanderung aufgrund hoher Energiekosten zu beenden.
Stelter hält gerade das für einen Trugschluss. Auf Dauer lasse sich durch Subventionen nicht verbergen, dass man strukturell gegenüber Standorten wie den USA nicht mehr konkurrenzfähig sei. Dies gelte selbst für vermeintliche Zukunftshoffnungen wie den „grünen Stahl“, der auf der Grundlage von Wasserstoff hergestellt werde.
In Deutschland blieben Hersteller von grünem Stahl nur dann, wenn sie auf die Subventionen angewiesen seien, gab Stelter zu bedenken. Nur wer wirtschaftlich um sein Überleben kämpfe, lasse sich das erforderliche Geld zum wirtschaftlichen Arbeiten vom deutschen Staat erstatten. Wer auch ohne die Subventionen auf dem Markt überlebensfähig sei, gehe dorthin, wo die Energiepreise von sich aus günstig seien.
Intel wird Europa nicht priorisieren
Während sich die Politik im Bund und im Land Sachsen-Anhalt über die Ansiedlung der Intel-Chipfabrik in Magdeburg als Erfolg ihrer Standortpolitik freuten, sieht Stelter dazu keinen Anlass. Der Preis dafür seien Förderungen im Ausmaß von zehn Milliarden Euro – das entspräche drei Millionen für jeden geschaffenen Arbeitsplatz.
Der Gedanke, Halbleiterproduktion im eigenen Land anzustreben, sei zwar nachvollziehbar, so Stelter. Doch von einer Sicherung der Produktion für Deutschland könne keine Rede sein. Es gebe keine Exportverbotsklausel für die hier gefertigten Chips. Diese gingen deshalb weiterhin auf den Weltmarkt und stünden nicht zwingend zur Behebung einer europäischen Mangellage zur Verfügung.
Es wäre, so Stelter, zielführender gewesen, das Geld stattdessen in Bildung und Infrastruktur zu investieren. Ohne einen grundlegenden Wandel in Bereichen wie Energiekosten, Steuern, Bildung, Infrastruktur und Bürokratie werde Abwanderung zum Regelfall. Der Abstieg Deutschlands zum „Armenhaus Europas“ sei vorgezeichnet.
Deutschland fällt bei den Investitionen zurück
Das Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) bestätigt die Warnungen. In einer Untersuchung, über die das „Handelsblatt“ berichtet, könnte Deutschland dauerhaft Schlusslicht im Bereich der Investitionen werden. Dabei habe die Einrichtung vor allem Anlageinvestitionen im Blick – also solche in Maschinen, Gebäude und Technologie.
Lediglich ein Plus von 2,2 Prozent sei in diesem Bereich bis Ende 2024 zu erwarten – gemessen am Jahr 2019, dem letzten Normalitätsjahr vor Corona und Ukraine-Krieg. Demgegenüber sollen die Investitionen in Großbritannien im gleichen Zeitraum um 7,2 und in den USA um 3,7 Prozent wachsen. Sogar das wie Deutschland überalterte Japan liege mit 4,2 Prozent deutlich voran.
„Deutschland droht in eine andauernde Investitionsschwäche zu laufen“, warnt Klaus-Jürgen Gern, Leiter des Forschungsbereichs „Weltkonjunktur“ am IfW.
Anstieg von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit zu erwarten
Auch Matthias Geissbühler, Anlagechef von Raiffeisen Schweiz, äußert in einem Marktbericht Skepsis bezüglich der wirtschaftlichen Aussichten für Deutschland. Das Land befinde sich in einer Rezession, und auch für das Gesamtjahr sei eine Schrumpfung zu erwarten.
Unternehmen und Haushalte hielten bei hoher Inflation und erheblichen Energiekosten ihr Geld zurück. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit dies sichtbar machten und zusätzlich auf die Nachfrage drückten.
Anlegern empfiehlt der Experte, ihr Geld breit zu streuen. Attraktiv seien Edelmetalle, schweizerische Immobilienfonds und Aktien der Bereiche Nahrungsmittel, Gesundheit oder Konsumgüter. Zu achten sei auch auf solide Bilanzen und Krisenbeständigkeit. Von Hochzinsanlagen sei hingegen abzuraten, weil die Kreditaufschläge die erhöhten Rezessionsrisiken zu wenig reflektierten.
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