Pro Woche entstehen 2.000 E-Auto-Ladestationen in der EU – bis zu 14.000 wären aber nötig

Schon in Deutschland mahnen kritische Stimmen, es gebe zu wenig Ladestationen für die angestrebte Verkehrswende. Noch trister sieht es aber EU-weit aus.
Titelbild
Elektrofahrzeuge auf dem Gelände des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart an Ladestationen.Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von 27. April 2023

Bundesverkehrsminister Volker Wissing musste sich harsche Kritik von Medien und eigenen Kabinettskollegen gefallen lassen, als er das EU-weite Ende des Verbrennermotors verzögert hatte. Am Ende trug Deutschland dieses mit – allerdings mit Ausnahmen für synthetische Kraftstoffe. Dem E-Auto soll in der EU also nicht allein die Zukunft gehören. Möglicherweise ist das mobilitätstechnisch auch kein Nachteil: Derzeit gibt es nämlich für die angestrebte Anzahl an Elektrofahrzeugen entschieden zu wenige Ladestationen.

Experten warnen vor unrealistischen Zielen

Bereits in Deutschland warnen Experten vor unrealistischen Erwartungen an die Verkehrswende. Energiewende-Vordenker Georg Brasseur von der Universität Graz hält es für schlicht nicht machbar, ausreichend grünen Strom dafür zu generieren.

Die Bundesregierung strebt für 2030 ein Ziel von 15 Millionen zugelassenen E-Autos in Deutschland an. Diesen sollen eine Million Ladestationen zur Verfügung stehen. Brasseur hält ein solches Ziel bereits in Industriestaaten für ambitioniert. Noch weniger aussichtsreich sei es jedoch in Schwellenländern.

Im Vorjahr äußerte er gegenüber dem „Standard“:

Ein unkontrollierter Zugang zu allen geplanten Ladestationen würde das Netz zusammenbrechen lassen.“

Ladestationen unterliegen potenziell der Spitzenglättung

Ende November 2022 gab es in Deutschland 72.000 Ladestationen – gegenüber 17.000 ein Jahr zuvor. Das Ziel von einer Million wäre im derzeitigen Ausbautempo jedoch erst im Jahr 2077 erreicht.

Dem Verband der Automobilindustrie (VDA) zufolge sei die Zahl der Autos, die sich einen Ladepunkt teilen müssten, sogar von 14 auf 23 angewachsen. Zudem eigne sich nur ein Viertel aller Ladestationen zum Schnellladen innerhalb von weniger als 30 Minuten.

Im Fall einer zu hohen Stromnachfrage unterliegen Ladesäulen für E-Autos wie auch Wärmepumpen der sogenannten Spitzenglättung. Dies machte die Bundesnetzagentur zu mehreren Gelegenheiten deutlich. Dies würde bedeuten, dass auch die Leistung von Schnellladestationen in Situationen zu großer Stromnachfrage gedrosselt würde.

Osteuropa weist noch kaum Infrastruktur für E-Mobilität auf

Eine jüngst veröffentlichte Analyse der „Welt“ deutet an, dass die Infrastruktur an Ladestationen für E-Autos dabei in Deutschland noch verhältnismäßig dicht sei. Insgesamt verteilten sich nicht weniger als 61 Prozent aller in der EU installierten Ladestationen auf drei Länder: Deutschland, Frankreich und die Niederlande. Die Analyse gründet sich auf Zahlen der „Europäischen Beobachtungsstelle für alternative Kraftstoffe“ der Europäischen Kommission.

Etwa ein Viertel aller Ladesäulen in der gesamten EU befanden sich 2022 in den Niederlanden – etwa 116.000 von 479.505. Deutschland lag 2021 noch an zweiter Stelle, mittlerweile zog Frankreich jedoch daran vorbei. Dort zählte man Ende des Vorjahres etwa 92.000 Ladestationen für E-Autos, hierzulande waren es demgegenüber etwa 84.500.

Der Inselstaat Malta verfügt mit 51 über die zahlenmäßig wenigsten Einheiten. Allerdings zeigt sich ein gravierender Mangel an Lademöglichkeiten für E-Autos vor allem in Osteuropa auch in großen Flächenstaaten. Rumänien, das flächenmäßig sechsmal so groß ist wie die Niederlande, verfügt insgesamt nur über knapp 1.500 Ladestationen. Das sind gerade einmal 0,3 Prozent aller Ladepunkte in der gesamten EU.

In Griechenland sind es 0,2 Prozent. Der Branchenverband VDA macht deutlich, dass allein die Stadt Hamburg über fast doppelt so viele Ladepunkte verfügt wie das Land an der südöstlichen EU-Außengrenze. In den Ländern mit der geringsten Anzahl an Ladestationen ist auch der Anteil an solchen, die sich zum Schnellladen eignen, niedrig.

Verbände: EU unterschätzt ihren Bedarf an Ladestationen

Die EU hält es dennoch für realistisch, bis 2030 mit 30 Millionen Elektroautos die Mobilität aufrechterhalten zu können – die zudem mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren sollen. Schon für 2025 strebt man eine Million Ladestationen auf dem ganzen Kontinent an, bis 2050 drei Millionen.

Um diese Ziele zu erreichen, müssten den eigenen Prüfern zufolge wöchentlich 3.000 neue Ladestationen dazukommen. Der Automobilverband ACEA geht zurzeit von 2.000 neuen Einheiten pro Woche aus.

Der Verband selbst hält die Bedarfsschätzung der EU für deutlich untertrieben. Zusammen mit Verbänden der erneuerbaren Energien machte er eine eigene Rechnung auf: Um die Ziele Brüssels für die CO₂-Reduktion bis 2030 zu erreichen, müssten dann 6,8 Millionen Ladepunkte vorhanden sein. Dafür müssten pro Woche jedoch 14.000 neue entstehen.



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