Sehr gefährliche Wirtschaftslage in China

Pekings Parteivorgaben zu den Abriegelungen in Shanghai führen zu wirtschaftlichen Problemen des Landes. Internationale Unternehmen suchen sich bessere Standorte.
Titelbild
Der Hafen von Shanghai ist der verkehrsreichste Containerhafen der Welt und besteht aus einem Tiefseehafen und einem Flusshafen. Der Hafen ist im Osten mit dem Ostchinesischen Meer und im Süden mit der Hangzhou-Bucht verbunden, der Mündung des Jangtse, des Huangpu (der in den Jangtse mündet) und des Qiantang.Foto: iStock
Von 3. Juni 2022

Wahre Aussagen aus dem Reich der Mitte zu erhalten ist schwierig. Die Nachrichtenhoheit hat die Kommunistische Partei, vor dem 20. Nationalen Kongress der Partei sind schlechte Nachrichten unerwünscht.

Behörden müssen die gute Lage preisen, immer wieder das „Streben nach Fortschritt bei gleichzeitiger Wahrung der Stabilität“ beschwören und die Wachstumsrate des BIP für das Jahr 2022 auf hohe 5,5 Prozent festlegen, berichtet Wang He, politischer Analyst der chinesischsprachigen Epoch Times. Es überrascht in gewissem Sinne, dass die Wirtschaftskrise nicht länger verheimlicht wird – „was darauf hindeutet, dass die derzeitige Wirtschaftslage sehr gefährlich ist“. 

Massiver Einbruch der Wirtschaft 

Laut den statistischen Daten vom 18. April stieg im ersten Quartal das chinesische BIP noch gegenüber dem Vorjahr um 4,8 Prozent (1,3 Prozent gegenüber dem Vormonat).

Ab dem 16. Mai brachen die wichtigsten Wirtschaftsdaten ein, teilweise drehten sie sich ins Minus. Der Gesamtumsatz des Einzelhandels sank im April im Jahresvergleich um 11,1 Prozent und lag -3,5 Prozent unter dem vorherigen Wert. Die Wertschöpfung überregionaler Industrien sank um 2,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Dienstleistungsindex um 6,1 Prozent. Die Daten stammen vom nationalen Statistikamt.

Offiziell wurde bislang nicht erklärt, warum sich die wichtigsten Wirtschaftsdaten so stark umkehrten. Internationale Medien wie das „Wall Street Journal“ sehen es als den Preis an, den China für die Abriegelung von Shanghai zahlt.

Zwar sei Chinas Wirtschaft seit Langem „krank“, sagt Wang He. Strukturelle, institutionelle und historische Probleme seien nicht grundlegend gelöst und das internationale Umfeld verschlechtere sich stetig. Doch „die starke Verschlechterung der chinesischen Wirtschaft seit April ist direkt auf die Schließung von Shanghai zurückzuführen, da Shanghai das Finanz-, Handels-, Schifffahrts- und Wirtschaftszentrum des ganzen Landes und sogar der Welt ist.“

Wang He erklärt auch: „Aus wirtschaftlicher Sicht war es ein törichter und selbstmörderischer Schritt, die Stadt zu schließen.“ Anders gesagt, die derzeitige Wirtschaftskrise sei nicht in erster Linie auf die Wirtschaft selbst zurückzuführen, sondern auf die Politik der KP Chinas.

100.000 Beamte in einem Treffen

So deutlich wagt sich innerhalb Chinas kein Politiker und kein Funktionär zu äußern. Gewisse Anzeichen deuten auf Spannungen hin. Am 25. Mai 2022 kam es zu einem Treffen in einer seltenen Größenordnung: Premierminister Li Keqiang berief eine Dringlichkeitssitzung zur „Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage“ ein und mehr als 100.000 Beamte aus 2.844 Bezirken und Kreisen nahmen daran teil.

Die „Nationale Video- und Telefonkonferenz zur Stabilisierung der Wirtschaft“ nutzte Li Keqiang, um der Nation durch die Blume mitzuteilen, dass Chinas Wirtschaft in ernsten Schwierigkeiten stecke und diese nicht länger vertuscht werden könnten.

Während die von der Kommunistischen Partei Chinas veröffentlichten Wirtschaftsdaten oft suspekt sind, versucht Li Keqiang die tatsächliche Entwicklung anhand einiger Wirtschaftsindikatoren zu ermitteln, die politisch weniger leicht zu beeinflussen sind. Er nutzte beispielsweise den Stromverbrauch, das Frachtaufkommen der Eisenbahn und die Bankkredite für eine frühere wirtschaftliche Analyse in Liaoning.

Nun erklärte er: „Im März, insbesondere seit April, sind Indikatoren wie Beschäftigung, Industrieproduktion, Stromverbrauch und Fracht deutlich gesunken. Die Schwierigkeiten sind in mancher Hinsicht und in gewissem Umfang größer als während der Epidemie 2020.“

Früher wurden diese Indikatoren als „Keqiang-Index“ bezeichnet und waren sehr beliebt. Nachdem Li Keqiang in die Regierung eingetreten war, verschwand der Index. Liaoning ist eine industriereiche Region, die vor allem auch mit Schwerindustrie punktet. Der „Keqiang-Index“ kann daher nicht eins zu eins auf andere Regionen übertragen werden. Allerdings könnte der „Geist des Index“ fortgesetzt werden, meinen andere Wirtschaftler. Die verwässerten (offiziellen) Wirtschaftsdaten müssten mit anderen Indikatoren abgeglichen werden, um mehr über die tatsächliche Lage zu erfahren. Viele kleine und Mittelständische Unternehmen sind in ernsten Schwierigkeiten.

Erste junge Menschen begehren auf

Li Keqiang rief auf dem Treffen dazu auf, mehr zu unternehmen, um im zweiten Quartal ein positives Wirtschaftswachstum sowie einen Rückgang der Arbeitslosenquote zu erreichen. Sonst bestünde akute Gefahr für die Wirtschaft.

Die Arbeitslosenquote liegt bei 16- bis 24-Jährigen offiziell bei 18,2 Prozent – die Unzufriedenheit der jungen Menschen steigt. An einigen Orten kam es zu ersten Protesten von Studenten gegen die COVID-Maßnahmen, beispielsweise an der Tianjin-Universität, der Nankai- und der Peking-Universität, was die Partei sehr beunruhigt.

Sie befürchten neue Studentenunruhen wie die vom 3./4. Juni 1989 auf dem Platz des Himmlischen Friedens, die im Tiananmen-Massaker mit Tausenden Toten endeten. BBC sprach 2017 nach neuen Dokumenten von mindestens 10.000 Toten, die Dunkelziffer ist unbekannt – die Regierung in Peking verbietet sowohl Gedenkveranstaltungen als auch jegliche Diskussionen sowie Forschungen zum 4. Juni. Selbst das Datum unterliegt der Zensur.

Da der 20. Nationalkongress näher rückt, ist die Stabilisierung der Wirtschaft nicht nur ein wirtschaftliches, sondern auch ein wichtiges politisches Problem. Anders als Li Keqiang, der sich Sorgen um die Wirtschaft macht, erwähnte Xi Jinping diese nicht in seinen öffentlichen Reden. Beamte an der Basis seien sich nicht ganz sicher, auf wen sie hören sollen, berichtete Bloomberg am 26. Mai: Xi Jinping betont weiterhin die Notwendigkeit der Null-Fälle-Politik, Li Keqiang drängt auf die Verbesserung der Wirtschaft.

„Wir verlassen uns nicht mehr auf China“

Internationale Investmentbanken sind bereits dabei, ihre wirtschaftlichen Prognosen für China zu ändern. Die UBS meldete am 24. Mai, dass sie wegen der großen Unsicherheiten ihre BIP-Prognose für China von 4,2 auf 2 Prozent gesenkt hat. J.P. Morgan änderte am 23. Mai seine Prognose von 4,3 auf 3,7 Prozent.

Gleichzeitig ziehen sich ausländische Investoren rasant aus China zurück, von März bis zum 20. Mai reduzierten sie ihre Bestände an chinesischen Anleihen um rund 45,03 Milliarden US-Dollar. Das letzte große US-amerikanische Unternehmen Airbnb hat sein Geschäft in China geschlossen, 150.000 Angebote an Mietwohnungen wurden gelöscht. 

Experten vermuten, dass diese Verlagerung der industriellen Fertigung ein langfristiger Trend ist. Die Null-Fälle-Politik habe die Verlagerung beschleunigt. 

Chinas Exporte sind im ersten Quartal deutlich zurückgegangen. Im April stiegen die Exporte zwar um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch es waren 10,8 Prozentpunkte weniger als im März. Gleichzeitig nahmen die Exportaufträge aus anderen südostasiatischen Ländern – vor allem Vietnam – massiv zu.

Größere Unternehmen hätten die Möglichkeiten, Fabriken in Vietnam und anderswo zu bauen und ihre Produktionskapazitäten schrittweise zu verlagern. „Sie alle erwägen, die Lieferkette wieder in Gang zu bringen. Wir verlassen uns nicht mehr auf China“, sagt Gao Weibang, Unternehmer in Taiwan. 

Vietnam im Blickpunkt

Vietnam stellt nach China das interessanteste ausländische Investitionsziel für taiwanesische Geschäftsleute dar. Derzeit arbeiten mehr als 4.000 taiwanesische Geschäftsleute in Vietnam. 

Die Arbeitskosten sind in Vietnam mittlerweile, verglichen mit China, um die Hälfte niedriger. Zu den Vorteilen zählen auch billigerer Strom und eine reibungslosere Abwicklung der Exporte. Die Steuersätze ähneln denen von China.

Große Unternehmen wie Foxconn – die Taiwaner betreiben im chinesischen Zhengzhou die weltweit größte Produktionsstätte für iPhones – suchen andere Lösungen. Foxconn versucht weiteren Abriegelungen zuvorzukommen und stellt nun zwei Monate im Voraus Arbeiter ein. Gefürchtet wird ein Arbeitskräftemangel in der zweiten Jahreshälfte bei der Produktion des neuen iPhone 14.

Die Muttergesellschaft von Foxconn, die Hon Hai Group, beschleunigt unterdessen die Investitionen in ihr Werk in Shinnah in Indien. Eine Verdopplung der Mitarbeiterzahl wird erwartet. Außerdem ist geplant, in die Produktion von Halbleitern in Indien zu investieren und eine 12-Zoll-Waferfabrik in Malaysia für die Herstellung von Automobilchips zu errichten.

Viele neue „Werkbänke“

China habe – verglichen mit anderen Ländern – Fertigungsvorteile beim Bau großer Schiffe, im Schwermaschinenbau, bei Fernsehern und Kühlschränken der unteren und mittleren Preisklasse und bei Textilien der mittleren Preisklasse und anderem, so Davy Jun Huang, ein in den Vereinigten Staaten ansässiger Wirtschaftswissenschaftler, gegenüber der Epoch Times. 

Da in Zukunft vermutlich immer mehr Unternehmen nach Südostasien abwandern werden, werde der Clustereffekt bei der Ausbildung von Talenten, bei Investitionen, Technologie und Infrastruktur die ehemals begünstigten Branchen Chinas unter zunehmenden Wettbewerbsdruck setzen.

Huang rechnet damit, dass die Unternehmen aus Shenzhen und Shanghai teilweise langfristig nach Vietnam abwandern. Vergleicht man das gesamte Exportvolumen von Vietnam und Shenzhen (China), dann zeigt sich, dass Vietnam bereits vor der chinesischen Metropolregion liegt. Shenzhen exportierte im März Produkte für etwa 17,8 Milliarden US-Dollar, Vietnam für 34 Milliarden.

Die vietnamesische Wirtschaft boomt. Für dieses Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 6,5 Prozent prognostiziert. Vietnam könne einen beträchtlichen Teil der chinesischen Produktionskapazität ersetzen, 20 bis 25 Prozent, so Huang. 

Vietnam ist nicht das einzige Land, in das Unternehmen abwandern. In Asien dürften auch andere asiatische Länder Chinas Rolle als „Werkbank der Welt“ übernehmen, darunter Indien und andere südostasiatische Länder. Amerika könnte auf Mexiko zurückgreifen, Europa auf Osteuropa. Neue Lieferketten, die China umgehen, sind abzusehen.

Auch das ist etwas, was Pekings Machtanspruch und führende Rolle schmälert. Die Lockdowns in Shanghai dürften die Situation beschleunigt haben. Für die Wirtschaft Chinas ist das keine angenehme Aussicht.



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