Sicherheitsstandards nicht erfüllt – 45 Millionen Artikel aus dem Verkehr gezogen

Wenn Verbraucher Online-Schnäppchen finden und zugreifen, sollten sie sich nicht zu früh freuen. Immer wieder stellt sich heraus, dass die Produkte Mindeststandards in Sachen Sicherheit nicht erfüllen.
Eine verbrannte Funksteckdose - die Bundesnetzagentur hat den Verkauf der Geräte untersagt, weil eine thermische Schutzfunktion fehlt und es zum Brand der Geräte kommen kann.
Eine verbrannte Funksteckdose - die Bundesnetzagentur hat den Verkauf der Geräte untersagt, weil eine thermische Schutzfunktion fehlt und es zum Brand der Geräte kommen kann.Foto: Marius Becker/dpa
Epoch Times27. August 2023

Eine Drohne mit messerscharfen Rotorblättern, Balkon-Solaranlagen mit Interferenzen zu anderer Elektronik und aufgeblähte Akkus, die bald Feuer fangen könnten: Solche gefährlichen und illegalen Elektroprodukte sind in Deutschland zuletzt in deutlich größeren Mengen im Internet angeboten worden als zuvor.

Wie die Bundesnetzagentur auf dpa-Anfrage mitteilte, wurden im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 1.358 Artikel auf Onlineplattformen auf behördliche Anordnung entfernt. Die Produkte hatten eine Stückzahl von etwa 45 Millionen. Im gesamten Vorjahr waren es 2.629 entfernte Angebote mit einer Stückzahl von rund 13 Millionen gewesen.

Onlinehandel verschärft Problematik

Ein Grund für den Anstieg wurde nicht genannt. Die Zahlen schwanken Jahr für Jahr, 2021 wurden 1.936 Angebote mit einer Stückzahl von insgesamt 21 Millionen beseitigt. Die unterschiedlichen Werte gehen auch darauf zurück, dass in manchen Jahren Elektronikartikel auffallen, die in einer großen Stückzahl auf Lager liegen, und es in anderen Jahren Produkte sind mit nur relativ geringen Verkaufsvolumen.

Mit der steigenden Bedeutung des Online-Handels hat sich auch das Problem verbotener Produkte verschärft“, sagt Tobias Alm, Marktüberwacher der Netzagentur.

„Den Verbrauchern empfehlen wir, beim Online-Shopping wachsam zu sein und Angebote von sehr billigen Produkten kritisch zu prüfen.“ Der Preis sollte im Vergleich zu Konkurrenzprodukten plausibel sein. Häufig fehlt bei den Elektroartikeln das CE-Zeichen, mit dem der Hersteller erklärt, dass alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden. Eine Garantie für die Sicherheit eines Produkts ist das Kennzeichen aber nicht.

Viele Produkte aus China

Ein Käufer sollte misstrauisch werden, wenn dem Produkt keine deutschsprachige Bedienungsanleitung inklusive Nutzungs- und Warnhinweisen beigelegt ist. Ein weiterer Tipp ist, sich bei Verbraucherzentralen über den Verkäufer zu informieren.

Ein Großteil der aus dem Verkehr gezogenen Produkte kommt aus China. Die Produkte entsprechen nicht den EU-Sicherheitsstandards, daher gelten sie als gefährlich und müssen vom Markt genommen werden. Im Internet sind sie aber trotzdem zu kaufen. Zu Testzwecken bestellt die Netzagentur selbst und überprüft die Ware. Bei Mängeln ordnet sie an, dass der Anbieter die Waren vom Markt nimmt und nicht mehr in Deutschland vertreibt.

Bei vielen Produkten besteht nach Angaben der Behörde Verletzungs- oder sogar Lebensgefahr. Falsch verbaute Elektrogeräte können Stromschläge auslösen, Funksteckdosen werden zu heiß und entzünden sich, da der Überlastungsschutz fehlt. Funkkopfhörer und sogar LED-Scheinwerfer wiederum funken auf der falschen Frequenz und stören dadurch die Kommunikation von Polizei und Rettungsdiensten.

Unsichere Beauty-Bürsten und per se illegale Störsender

Unter den Geräten, die die Bundesnetzagentur vom Markt nimmt, sind auch unsichere Beauty-Bürsten und per se illegale Störsender. Diese Störsender werden auch „Jammer“ genannt. Sie werden beispielsweise dazu eingesetzt, um Spielautomaten zu manipulieren oder Autos zu stehlen. Mithilfe solcher Sender werden zum Beispiel Signale von Autofernbedienungen kopiert und GPS-Signale von Pkw unterbrochen.

Auch der Zoll zieht immer wieder Bestellungen aus dem Ausland oder Urlaubsmitbringsel aus dem Verkehr – dies in Zusammenarbeit mit der Netzagentur. 2023 habe der Zoll im ersten Halbjahr 2.613 Meldungen über verdächtige Warensendungen mit einer Stückzahl von 0,69 Millionen erstellt. Im gesamten Vorjahr waren es 4.765 Meldungen mit einer Stückzahl von 0,72 Millionen.

Der Handelsverband Deutschland bewertet die große Menge an unsicheren Produkten aus China und anderen Staaten als inakzeptabel. Der Vizehauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stephan Tromp, weist darauf hin, dass die heimischen Handelsunternehmen viel Geld für die Einhaltung aller Gesetze und Regelungen ausgeben. Die chinesischen Anbieter hingegen hielten die hiesigen Sicherheits-, Umwelt- und Verbraucherschutzvorgaben nicht ein und verschafften sich „einen Preisvorteil, der auf Rechtsbrüchen fußt“. „Da kann von einem fairen Wettbewerb keine Rede mehr sein“, so Tromp.

Appell an die Politik: Mehr Tempo

„Der Markt braucht wirksame Leitplanken, die das Spielfeld markieren, in dem der Wettbewerb stattfindet“, sagt der Verbandsvertreter. Die Politik müsse mit aller Entschlossenheit für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen und die Gesetze und Verordnungen durchsetzen, forderte Tromp. Bisher täte die Politik zu wenig. Dass die EU den Wegfall der 150-Euro-Freigrenze am Zoll im Jahr 2028 anstrebe, sei zwar ein „Schritt zu mehr Fairness im Wettbewerb zwischen EU- und Nicht-EU-Händlern“, sagt Tromp. Es sei aber bedauerlich, dass diese Maßnahme erst in fünf Jahren greife.

Ein Sprecher des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel Deutschland betont ebenfalls die Wichtigkeit, dass europäische Verkaufsvorschriften durchgesetzt werden, damit alle gleiche Wettbewerbsbedingungen haben. Er weist darauf hin, dass Handelsplattformen bereits viel leisteten, um die Sicherheit zu erhöhen, beispielsweise mit eigenen Systemen, mit denen nicht rechtskonforme Produkte aus dem Angebot genommen werden. (dpa/red)



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