Star-Ökonom Sinn warnt vor Inflations-Explosion
Der Wirtschaftsökonom Hans Werner Sinn bezeichnet die derzeitige Wirtschaftslage als „dramatisch“. Die Inflation – alias Geldentwertung – lag in Europa Jahrzehnte lang unter zwei Prozent. Doch nun überstieg sie bereits die Fünf-Prozent-Marke. Hans Werner Sinn war von 1999 bis 2016 Präsident des ifo-Instituts in München und gilt heute als Star-Ökonom.
In dem am Mittwoch erschienenen Podcast von „The Pioneer“ verdeutlicht Sinn den Grund für die derzeitigen Preissteigerungen. Das Hauptproblem seien die weltweiten Lieferengpässe von verschiedenen Rohstoffen und Vorprodukten. „Die Firmen des verarbeitenden Gewerbes beklagen zu zwei Dritteln, dass sie nicht genug Material bekämen. Eine ähnliche Situation haben wir in der Vergangenheit noch nie gesehen“, stellte Sinn fest.
„Da ist noch was in der Pipeline“
Außerdem wirft Sinn auch einen kritischen Blick auf die gewerblichen Erzeugerpreise. Dabei handelt es sich um die Preise für Zwischenprodukte im Handel. Diese seien „um sage und schreibe 24 Prozent binnen Jahresfrist angestiegen“. Das ist laut Sinn der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen.
Die Folgen für den weiteren Fortgang der Preisentwicklung seien demnach gravierend und würden von nahezu allen Experten unterschätzt: „Dieser Anstieg der Erzeugerpreise hat sich noch gar nicht in die Konsumentenpreise übertragen. Das bedeutet: Da ist noch was in der Pipeline“, befürchtet der Experte. Die Verbraucher müssten demnach in naher Zukunft mit weiteren Preissteigerungen rechnen.
Sinn fordert EZB zum Handeln auf
In der Wirtschaft ist in der Regel alles klar strukturiert und organisiert. So gibt es auch für solche Preisschwankungen, wie wir sie derzeit erleben, Einrichtungen, die auf solche Veränderungen regulierend reagieren müssen.
Es ist die Aufgabe der Notenbank – so steht es im Maastrichter Vertrag – für Preisstabilität zu sorgen. Andere Aufgaben sind absolut sekundär. Die EZB muss also handeln“, sagt der Star-Ökonom.
Jüngst forderten bereits weitere Experten von der Europäischen Zentralbank ein schnelles Handeln. So etwa der Sparkassenpräsident Helmut Schleweis.
Polen und Belgien reagierten inzwischen selbst auf die starken Preissteigerungen. So senkte Polen die Mehrwertsteuer auf grundlegende Lebensmittel und Sprit, während die belgische Regierung seinen Bürgern die Last der stark gestiegenen Strompreise mit einem Geldgeschenk dämpfte.
Prognosen
Wie wird sich die Teuerungsrate in der Euro-Zone in nächster Zeit entwickeln? Die Inflation wird nicht allein durch steigende Energie- oder Lebensmittelpreise erzeugt. Die Kerninflationsrate schließt diese beide Komponenten aus, da diese in stärkerem Maße Schwankungen unterworfen sind. In den USA ist sie nach neuesten Einschätzungen auf 5,9 Prozent gestiegen. Das ist der höchste Stand seit 1982.
Es scheint zwei entscheidende Faktoren für die derzeitige Aufwärtsentwicklung zu geben: Zum einen kosten die wichtigen Energieträger Öl und Erdgas inzwischen deutlich mehr als noch vor einem Jahr. Vor allem die geopolitischen Spannungen der Ukraine-Krise treiben die Preise in die Höhe. Rohöl hat sich in den vergangenen zwölf Monaten um mehr als 50 Prozent verteuert, Erdgas sogar um mehr als 63 Prozent.
Der zweite Faktor ist die Pandemie und ihre Folgen. Viele Lieferketten wurden durch sie nachhaltig gestört. Ganze Branchen kämpfen aktuell mit Ausfällen durch ein zu geringes Angebot an Rohstoffen und Vorprodukten, wie Hans Werner Sinn erörterte. Das geringere Angebot lässt in nahezu allen Bereichen die Preise ansteigen.
Eine Möglichkeit, die Inflation abzufedern, wären deutlich steigende Leitzinsen. Die Teuerung käme wieder zum Erliegen. Allerdings bestünde hierin die Gefahr, dass die Wirtschaft in eine Rezession abrutscht. (mf)
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