Stromkosten: Neue EU-Strategie gegen Preisschocks
Nach monatelangen zähen Verhandlungen haben sich die EU-Staaten am Dienstag, 17.10., auf einen Entwurf für eine Strommarktreform geeinigt. Dies berichtet die Nachrichtenplattform „Euractiv“. Um diese umzusetzen, ist noch eine Einigung mit dem EU-Parlament erforderlich. Vor allem Deutschland und Frankreich hatten durch anhaltende Meinungsverschiedenheiten über die Marktordnung eine Einigung verzögert.
Das Kernanliegen der Reform ist die Stabilisierung der Strompreise in Europa. Das Merit-Order-System zur Preisbildung auf dem Strommarkt, das im Vorjahr extreme Verwerfungen ausgelöst hatte, soll erhalten bleiben. Im März 2023 kam es erstmals zur Erörterung eines Vorschlages, wie es möglich wäre, europäischen Verbrauchern auch in Krisenzeiten Preisstabilität zu ermöglichen.
Strommarktreform soll Spielraum für künftige „Preisbremsen“ sichern
Im Wesentlichen sollen langfristige Bezugsverträge und der Ausbau erneuerbarer Energien diese Stabilität sicherstellen. Die Strommarktreform sollte entsprechend darauf einen Schwerpunkt legen. Um dem Merit-Order-System im Krisenfall gegensteuern zu können, sollen die Mitgliedstaaten auf zweiseitige sogenannte Differenzkontrakte („Contracts for Difference“; CfD) setzen.
Dabei vereinbart der Staat mit den Betreibern von Anlagen zur Stromerzeugung eine Art Garantiepreis. Ist der Marktpreis niedriger, erstattet er diesen die Differenz aus eigenen Haushaltsmitteln. Auf diese Weise sichert er den Stromerzeugern sichere Einnahmen.
Ist der Strompreis jedoch höher, bezahlt der Betreiber die Differenzsumme an den Staat. Dieser kann die Einnahmen für Maßnahmen wie „Strompreisbremsen“ nutzen. Über diese grundsätzliche Vorgehensweise herrschte unter allen Mitgliedstaaten Konsens. Deutschland akzeptierte sogar zähneknirschend, dass CfDs auch zur Förderung neuer Kernkraftwerke verwendet werden können. Immerhin gelten diese laut EU-Taxonomie als nachhaltige Energieträger.
Frankreich hätte seiner Industrie dauerhafte Wettbewerbsvorteile sichern können
Deutschland hatte allerdings Einwände gegen die Forderung der Franzosen, die Kontrakte auch auf die Verlängerung der Laufzeit bestehender KKWs anzuwenden. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) sprach von einem „XXL-Industriestrompreis“, den dies Frankreich hätte ermöglichen können.
Grund dafür ist der monopolisierte Strommarkt in Frankreich, auf dem der staatseigene Energiekonzern EDF die Angebotsseite dominiert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck befürchtete, dass der Staat mit EDF – und damit im Grunde sich selbst – einen so niedrigen Garantiepreis vereinbaren könnte, dass ihm so stetige Einnahmen erwüchsen.
Die Rede war von marktfremden Preisen wie 6 bis 7 Cent je Kilowattstunde. Aus diesen hätte Frankreich in weiterer Folge die Industrie dauerhaft subventionieren können. Daraus hätte ein breit angelegtes System der Wettbewerbsverzerrung erwachsen können.
Frankreich warf Deutschland „Wettbewerbsverzerrung durch russisches Gas“ vor
Derzeit garantiert Frankreich über den bestehenden Fördermechanismus ARENH energieintensiven Unternehmen den sehr niedrigen Preis von 4,2 Cent je Kilowattstunde. Dieser gilt für 100 Terawattstunden und damit etwas mehr als 20 Prozent des landesweiten Stromverbrauchs. Bis Ende 2025 soll der Mechanismus in Kraft bleiben.
Hätte sich Frankreich bei der Strommarktreform durchgesetzt, wäre das Fördervolumen Experten zufolge auf bis zu 350 Terawattstunden angewachsen. In Paris reagierte man auf deutsche Bedenken bezüglich der Wettbewerbskonformität dieser Konstruktion mit Unverständnis. Deutschland habe sich, so eine weitverbreitete Kritik, selbst jahrelang durch billiges Gas aus Russland Vorteile verschafft.
Am Ende teilte jedoch eine Mehrzahl der EU-Staaten die Bedenken bezüglich des Wettbewerbs. Die nunmehrige Position würde Frankreich auch CfDs zur Förderung der Erweiterung oder Laufzeitverlängerung bestehender Anlagen verschaffen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Investitionssumme „erheblich“ ist.
Habeck zufrieden mit dem erzielten Kompromiss zur Strommarktreform
Zudem muss Frankreich regelmäßig gegenüber der EU-Kommission nachweisen, dass der Garantiepreis die tatsächlichen Kosten der Anlage angemessen abbilde. Die Einnahmen aus den Differenzkontrakten müssten zudem an die Endkunden verteilt werden. Dies könne in Form direkter Preisstützung oder von Investitionen zur Senkung der Stromkosten geschehen.
Für die Verbraucher selbst soll sich durch die Strommarktreform wenig ändern. Sie sollen weiterhin zwischen Festpreisverträgen und solchen mit dynamischer Anpassung wählen können. Inwieweit das EU-Parlament mitzieht, ist bisher nicht eindeutig abzusehen. Im Sommer hatte dieses seine Verhandlungsposition formuliert. CfDs für bestehende KKWs soll es demnach nur für jenen Teil geben, der auf neue Investitionen entfällt.
Minister Habeck zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden mit der Einigung zur Strommarktreform:
Trotz großer Belastungen ist es uns gemeinsam gelungen, in einer der größten Stromkrisen der europäischen Geschichte eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten. Mit dem neuen Strommarktdesign stärken wir das Stromsystem weiter.“
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