„Too big to fail“ – Fall Credit Suisse stellt Stabilität von Banksystem infrage

Die Schweizer Bank Credit Suisse hat ihr wertvollster Kapital verspielt: Vertrauen.
Die Schweizer Bank Credit Suisse hat ihr wertvollster Kapital verspielt: Vertrauen.Foto: Ennio Leanza/KEYSTONE/dpa
Epoch Times21. März 2023

Die Schweizer Problembank Credit Suisse war „too big to fail“ – zu groß, um in Konkurs zu gehen. Deshalb hat sich die Regierung in Bern vehement für eine Übernahme des Geldinstituts durch die Konkurrenzbank UBS eingesetzt. Eine neue Finanzkrise scheint nun zunächst abgewendet. Doch Unsicherheiten rund um als systemrelevant eingestufte Banken bleiben.

Was sind systemrelevante Banken?

Der Begriff geht auf die Finanzkrise 2008 infolge der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers zurück. Die G20-Länder richteten damals den Finanzstabilitätsrat (Englisch: Financial Stability Board – FSB) als globales Kontrollorgan ein. Der FSB gibt seit 2011 die Liste der als systemrelevant eingestuften Banken heraus und aktualisiert sie jährlich.

Die dort aufgeführten Großbanken werden als so groß angesehen, dass ihr Zusammenbruch verheerende Folgen für das gesamte Finanzsystem, die Realwirtschaft, Unternehmen und Haushalte haben würde. Sie müssen deshalb verschärfte Anforderungen erfüllen und etwa größere Kapitalpuffer vorhalten und unterliegen einer strengeren Aufsicht.

Zuletzt enthielt die Liste 30 Banken, darunter JPMorgan Chase und Bank of America aus den USA, Barclays aus Großbritannien, BNP Paribas aus Frankreich, Spaniens Santander oder die niederländische ING. Als einziges deutsches Institut ist die Deutsche Bank als systemrelevant gelistet. Die Commerzbank galt bis 2012 als „too big to fail“.

Der Fall Credit Suisse

Die zweitgrößte eidgenössische Bank gilt wie auch die UBS als systemrelevant, aber wird seit zwei Jahren von Skandalen erschüttert. Unter anderem soll sie Geldwäsche ermöglicht und bei der Abwicklung von Geschäften Krimineller und umstrittener oder korrupter Politiker und Beamter geholfen haben. Es folgten massive Verluste, schwindendes Vertrauen von Kunden und Anlegern und schließlich Finanzierungsprobleme.

Existenzbedrohend war dies zunächst nicht, doch vor knapp zwei Wochen brach in den USA die verhältnismäßig kleine, aber für US-Techfirmen bedeutende Silicon Valley Bank zusammen, was den gesamten Banksektor erschütterte. Die Ankündigung der Saudi National Bank – größter Aktionär der Credit Suisse – kein weiteres Kapital mehr in die Bank zu investieren, sorgte für weitere Panik. Die Schweizer Regierung drang auf eine vorsorgliche Lösung.

Kritik

Der Zusammenschluss zweier Banken, die beide bereits als „too big to fail“ galten, ist umstritten. Die Bilanzsummer der UBS wird nach der Übernahme der Credit Suisse das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz übersteigen. Dadurch „vervielfacht“ sich das Risiko, warnt etwa Thierry Philipponnat von der unabhängigen Organisation Finance Watch. Er kritisiert zudem grundsätzlich, dass Banken der Anreiz fehle, verantwortungsvoll zu wirtschaften, weil sie wissen, dass sie in jedem Fall gerettet werden.

Dies gilt nicht nur für die Großen. Philipponat verweist auf den Fall der Silicon Valley Bank und der Signature Bank in diesem Monat: Beide sind verhältnismäßig klein, aber für bestimmte Sektoren der US-Wirtschaft von zentraler Bedeutung, was die Behörden dazu veranlasste, einzuspringen. Das Problem bestehe darin, dass „heute alle Banken systemrelevant geworden sind“ und die Behörden sich gezwungen sähen, einzugreifen, sagt der Experte.

Die Wirksamkeit der zahlreichen Maßnahmen zur Absicherung des Bankensektors seit 2008 ist vor diesem Hintergrund fraglich. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronique Riches-Flores etwa bezweifelt, dass es sich mittel- bis langfristig um ein tragfähiges System handelt.

„Ein Funke kann schnell eine Kettenreaktion auslösen, die niemand vorhersehen kann“, sagt sie. So habe die Credit Suisse alle Solvenzkriterien erfüllt und dennoch mussten die Behörden eingreifen – wegen allgemeiner Unsicherheit infolge des Zusammenbruchs von US-Banken ohne jegliche Verbindungen zur Credit Suisse. (afp/dl)



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