Top-Ökonomen kritisieren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank scharf

"Wenn die EZB anfängt, ihre Geldpolitik davon abhängig zu machen, ob in irgendeinem Mitgliedsstaat gerade Wahlen sind, verstößt sie gegen ihr Mandat und gefährdet die Unabhängigkeit der Geldpolitik", so Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts.
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EZB-Chef Mario Draghi.Foto: JOHN THYS/AFP/Getty Images
Epoch Times11. Dezember 2016

Führende deutsche Ökonomen haben die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) scharf kritisiert: Mit der zunehmenden Politisierung der Entscheidungen würden die Euro-Hüter in unzulässiger Weise ihren Auftrag ausweiten.

„Wenn die EZB anfängt, ihre Geldpolitik davon abhängig zu machen, ob in irgendeinem Mitgliedsstaat gerade Wahlen sind, verstößt sie gegen ihr Mandat und gefährdet die Unabhängigkeit der Geldpolitik“, sagte Clemens Fuest, Chef des Ifo-Instituts, der „Welt am Sonntag“.

EZB-Präsident Mario Draghi hatte die Verlängerung der Anleihekäufe um neun Monate am Donnerstag nicht nur mit der zu niedrigen Teuerung in der Euro-Zone begründet, sondern auch mit politischen Erwägungen.

„Schauen Sie sich nur den Wahlkalender für das kommende Jahr an. Das allein ist schon eine Quelle von Unsicherheit“, erklärte Draghi. Genau diese Rücksichtnahme aber missfällt den Ökonomen. „Grundsätzlich sollte die Notenbank ihre Geldpolitik nicht am Wahlkalender orientieren“, sagte Volker Wieland, Professor für Geldpolitik und Mitglied im Sachverständigenrat der Zeitung. Der Wirtschaftsweise kritisierte insbesondere die einseitige Ausrichtung der EZB beim Anleihekaufprogramm.

Die EZB betone, dass die Entwicklung schlechter als erwartet ausfallen könne, und Aufkäufe deshalb wieder erhöht werden könnten, während sie eine möglicherweise besser als erwartete Entwicklung ausschließe. „Diese Bewertung der vorliegenden Unsicherheiten und Risiken ist zu asymmetrisch“, sagte Wieland.

Für ein Risiko hält der Ökonom einen unerwartet schnellen Anstieg der Verbraucherpreise. Das Mandat der EZB sieht lediglich vor, sich um stabile Preise zu bemühen. Um das zu erreichen, ist die Währungsbehörde formal mit mehr politischer Unabhängigkeit ausgestattet worden als die Bundesbank es beispielsweise jemals war.

Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte zu Wochenbeginn davor gewarnt, sich als Zentralbank zu sehr politisieren zu lassen. „Wenn die Notenbank immer wieder für die Politik in die Bresche springt oder gar versucht, auf demokratische Prozesse Einfluss zu nehmen, führt das zu einer Politisierung, die ihre Unabhängigkeit gefährdet.“ Auch dass eine lockere Geldpolitik der Politik Zeit verschafft, sei bestenfalls ein Nebeneffekt, dürfe aber nicht das Ziel geldpolitischer Entscheidungen sein. (dts)



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