Trotz harter Sanktionen: Warum der Rubel immer stärker wird

Zu Beginn des Krieges in der Ukraine stürzte der Rubel auf Rekordtief ab. Trotz der westlichen Sanktionen ist der Kurs der russischen Währung aber nun so stark wie seit 2017 nicht mehr. Dies wirft viele Fragen auf.
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Trotz des Zusammenbruchs der russischen Wirtschaft wird der Rubel immer stärker.Foto: ALEXANDER NEMENOV/AFP via Getty Images
Epoch Times17. Mai 2022


Selbst viele Russen trauen ihren Augen an den Wechselstuben in Moskau nicht: Der Rubel wird immer stärker.

Der Ukraine-Krieg, die westlichen Sanktionen, der massenhafte Weggang von Firmen – das alles schwächt die Wirtschaft des Riesenreichs. Das sollte sich eigentlich auch auf den Rubelkurs auswirken. Aber weit gefehlt: Bekam man Anfang März kurz nach Kriegsbeginn 145 Rubel oder mehr für einen Euro, gibt es aktuell nur noch 65. Der aktuelle Auftrieb wirft viele Fragen auf.

„Der starke Rubel ist kein Zeichen von Stärke“, hält der Chefvolkswirt Moritz Kramer bei der Landesbank Baden-Württemberg LBBW fest. Zwar sei die russische Währung zu Beginn des Krieges ins Bodenlose gestürzt. „Der Zusammenbruch der russischen Wirtschaft und ein unmittelbar bevorstehender Zahlungsausfall schienen vorgezeichnet.“ Doch der Rubel ist so stark wie seit langem nicht mehr. Sein Kurs gegenüber dem Euro und dem US-Dollar hat nicht nur das Vorkriegsniveau erreicht, sondern ist so hoch wie zuletzt 2017.

Preisexplosionen trotz starken Rubels

Für die Menschen im flächenmäßig größten Land der Erde scheint es dennoch kaum Vorteile zu geben. Nach dem Rubel-Crash im März wurden vor allem die Preise für Importwaren wie Käse oder Alkohol aus dem Westen dem hohen Wechselkurs angepasst. Aus einer Flasche Champagner für 2.900 Rubel wurde eine für 4.900 Rubel. Rückangepasst an den starken Rubel wurden die Preise aber nicht. Die Folge: Der Champus, der vor dem Krieg umgerechnet 34 Euro kostete, liegt jetzt bei über 75 Euro.

Aber nicht nur Luxusprodukte haben sich verteuert. Viele Russen klagen über Preisexplosionen bei Lebensmitteln. Seit Jahresbeginn sind einige Waren um 50 bis 70 Prozent teurer geworden – Kohl etwa um 60 Prozent, Möhren um 61 Prozent und Zucker um 50 Prozent, wie die nationale Statistikbehörde Rosstat errechnet hat. Die Boulevard-Zeitung „Moskowski Komsomolez“ etwa forderte, es müsse Geld fließen aus dem Staatshaushalt – 10.000 Rubel pro Jahr und Bedürftigen, damit sich die Menschen Lebensmittel aus heimischer Produktion kaufen könnten.

Ein starker Rubel nützt also vielen Verbrauchern wenig, weil alles teurer ist. Er hilft aber vor allem, die Inflation in Grenzen zu halten, damit Waren nicht noch teurer werden. „Wenn der Rubel nicht so stark wäre, läge die Inflation nicht bei 20 Prozent, sondern bei 30 bis 40 Prozent“, sagt der russische Ökonom Sergej Suwerow der Internetzeitung Meduza. Zugleich macht er deutlich, dass der aktuelle Kurs „kein marktwirtschaftlicher“ sei.

Rekordüberschuss bei der Handelsbilanz

Der Rubel werde „künstlich“ gestärkt durch eine ganze Reihe von Maßnahmen, darunter auch Beschränkungen des Devisenverkehrs durch die Zentralbank. Geholfen habe nicht zuletzt die massive Anhebung der Zinsen, weshalb viele Bürger Ersparnisse in Rubel und nicht in Devisen anlegten. Der Leitzins liegt aktuell bei 14 Prozent. Noch Ende Februar hatte die Zentralbank den Zins drastisch um 10,5 Punkte auf 20 Prozent angehoben. Viele Banken bieten seither fette Jahreszinsen, oft mit um die zehn Prozent für Rubelanlagen, für Euro- oder Dollaranlagen gibt es dagegen fast nichts.

Als Hauptgrund für die Stärke gilt allerdings ein Rekordüberschuss bei der Handelsbilanz. Russland nimmt durch den Export etwa von Öl und Gas Milliarden an Devisen ein, die gar nicht ausgegeben werden können. Weil der Import vieler westlicher Waren weggebrochen ist, sitzt das Land auf seinen Euro- und Dollareinnahmen. Auch deshalb verfügte der russische Präsident Wladimir Putin zum 1. April die Umstellung der Gaszahlungen für die Europäer auf Rubel. Russland könne sich für die Devisen nichts kaufen, meinte der Kremlchef.

Rubel ist losgelöst von Wirtschaft

Ökonomen haben ausgerechnet, dass Russland auch wegen der hohen Energiepreise zum Jahresende einen Überschuss von 250 Milliarden Dollar haben könnte. Gebraucht werden aber Rubel für den Haushalt, wie der Investitionsstratege Suwerow sagt. Durch die Geldpolitik habe sich die russische Währung inzwischen vollkommen losgelöst von der Wirtschaft. „Wenn die Wirtschaft im freien Fall ist und der Rubel-Kurs stärker wird, dann ist das nicht richtig“, sagt er. Russlands Bruttoinlandsprodukt wird nach Einschätzung der Zentralbank in diesem Jahr um 8 bis 10 Prozent sinken. Zuvor war sie von einem Wirtschaftswachstum von 2 bis 3 Prozent ausgegangen.

Es sei schwer zu sagen, welcher Kurs im Moment der „gerechte“ sei, meint Suwerow. Es gebe viele Einflussfaktoren. Auch das Einfrieren der russischen Devisenreserven im Westen sollte aus seiner Sicht zu einer massiven Schwächung der Währung führen. Zwar lässt die Zentralbank nun wieder höhere Devisenausfuhren zu – statt 10.000 Dollar nun das Fünffache. Aber die Zügel der Währungshüter bleiben straff.

Sollten allerdings weitere russische Banken mit Sanktionen belegt werden, könnte das den Export zerstören und der Währung massiv schaden, sagt Suwerow. Auch Chefvolkswirt Kramer von der LBBW in Stuttgart sieht das: „Solange Russland exportiert, bleibt der Rubel stark.“

Der russische Präsident hat westlichen Ländern wiederum bescheinigt, mit den gegen Moskau verhängten Sanktionen ihren eigenen Volkswirtschaften zu schaden. Die westlichen Länder versetzten mit den Sanktionen „ihren eigenen nationalen Interessen, ihren eigenen Volkswirtschaften und dem Wohlstand ihrer eigenen Bürger einen viel härteren Schlag“ als Russland, sagte Putin. Deutlich werde dies insbesondere durch die hohen Inflationsraten in Europa, „die in einigen Ländern fast 20 Prozent beträgt“. (dpa/afp/red)



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