Arbeitskräftemangel setzt deutschen Unternehmen trotz Konjunkturschwäche zu

Trotz schwacher Konjunktur belastet der anhaltende Arbeitskräftemangel deutsche Unternehmen stark. Das führt schon heute zu Einbußen bei der Produktion in vielen Unternehmen. Mit einer Verbesserung der Situation ist aber nicht zu rechnen.
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Fachkräftemangel führt bei Unternehmen zu Produktivitätseinbußen.Foto: Patrick Pleul/zb/dpa/Symbolbild/dpa
Von 26. August 2023

Trotz der schwächelnden Konjunktur in Deutschland setzt der Arbeitskräftemangel Unternehmen weiter massiv zu. Das ergab eine Studie der The Stepstone Group. Für diese Studie wurden 10.000 Menschen befragt, darunter etwa 2.800 Führungskräfte und HR-Verantwortliche.

Weil derzeit den Unternehmen Personal fehlt, melden 76 Prozent der befragten Unternehmen Einbußen bei ihrer Produktivität. Das sind 16 Prozent mehr als vor der Corona-Pandemie.

Arbeitskräftemangel kann dramatische wirtschaftliche Folgen haben

„Diese Zahlen sind alarmierend, sollten uns aber nicht mehr überraschen“, sagt The-Stepstone Group-Arbeitsmarktexperte, Dr. Tobias Zimmermann. Der Mensch sei unangefochtener Wettbewerbsfaktor Nummer eins. „Unternehmen, die mit gezielten Maßnahmen zur Gewinnung von Mitarbeitenden und dem Einsatz innovativer Technologien bereits erfolgreich gegensteuern, sichern sich einen langfristigen Vorsprung am Markt, der nur schwer einzuholen sein wird“, prognostiziert Zimmermann. Nun müsse das aber den Unternehmen mehrheitlich gelingen. „Sonst wird der Arbeitskräftemangel dramatische wirtschaftliche Folgen haben“, so der Arbeitsmarktexperte.

Am meisten treffen die Produktivitätseinbußen laut der Befragung den Öffentlichen Dienst und die Gesundheitsbranche sowie das Sozialwesen. So haben im Öffentlichen Dienst 88 Prozent der Befragten Einbußen bei der Bereitstellung ihrer Produkte und Dienstleistungen angegeben. In der Gesundheitsbranche und im Sozialwesen beklagten diesen Zustand 83 Prozent. Dramatisch ist es aber auch im Groß- und Einzelhandel. Hier müssen 80 Prozent der befragten Unternehmen Produktivitätseinbußen verkraften.

Ein Drittel der Befragten gibt an, dass sie innerhalb der letzten drei Monate mehr Personal eingestellt haben. Trotzdem haben sie mit Produktivitätseinbrüchen zu kämpfen. 35 Prozent der Befragten planen daher in den nächsten drei Monaten Personal einzustellen. Im Öffentlichen Dienst liegt der Anteil sogar höher. Hier beabsichtigt fast jeder zweite Arbeitgeber (48 Prozent) Neueinstellungen.

Situation verschärft sich in den kommenden Jahren

Was auf den ersten Blick wie die Lösung klingt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als große Herausforderung. 90 Prozent der Unternehmen beklagen, dass sie Schwierigkeiten haben, überhaupt geeignete Kandidaten ausfindig zu machen. „Wir sehen bereits jetzt die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, wenn Jobs unbesetzt bleiben“, sagt Zimmermann. „Das Matching der richtigen Kandidaten mit den passenden Jobs und Unternehmen wird in Zukunft der Spielentscheider werden.“

Unternehmer werden sich darauf einstellen müssen, dass sich der Arbeitskräftemangel in den kommenden Jahren noch verschärft. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hatte im Mai prognostiziert, dass bis 2060 das Potenzial von Arbeitskräften voraussichtlich von 45,7 Millionen auf 40,4 Millionen schrumpfen wird. Dabei wurden Faktoren wie demografischer Wandel, Geburtenrate, Zu- und Abwanderung berücksichtigt. „Die Ergebnisse zeigen, dass den Betrieben in den nächsten Jahrzehnten deutlich weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden“, sagte IAB-Ökonom Enzo Weber.

Künstliche Intelligenz wird Arbeitsmarkt umwälzen

Arbeitsmarktexperte Tobias Zimmermann rät ebenfalls, dass Unternehmen diesen Umstand im Blick haben sollten und schon jetzt Maßnahmen gegen Produktivitätsverluste ergreifen sollten. „Langfristig wird es immer weniger Arbeitskräfte geben. Gleichzeitig wird KI den Arbeitsmarkt umwälzen. Deshalb ist es umso wichtiger, Prozesse zu automatisieren, wo sie den Menschen entlasten können“, betont Zimmermann.

Zwar hat die The-Stepstone-Group-Studie ergeben, dass schon heute in fast jedem zweiten Unternehmen Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt, um Prozesse zu automatisieren, Tobias Zimmermann sieht aber noch Luft nach oben bei den Unternehmen. Die Unternehmen würden das Potenzial der Technologie noch längst nicht ausnutzen.

„Gerade bei zeitaufwändigen administrativen Tätigkeiten kann KI unterstützen“, betont der Experte. Investitionen in leistungsstarke Technologien, die mit den menschlichen Fähigkeiten Hand in Hand gingen, würden sich zukünftig auszahlen. Ganz auf Menschen verzichten könne man aber auch trotz KI nicht. So werden nach wie vor Menschen in den Bereichen gebraucht, die nicht automatisiert werden können oder auch auf keinen Fall sollten.

Als Beispiele für solche Bereiche nennt Zimmermann die Pflege oder die Kinderbetreuung. Aber auch in kreativen Bereichen oder bei sozialen Interaktionen sieht Zimmermann wenig Möglichkeiten, den Menschen hier zukünftig zu ersetzen. „Wir sollten die Menschen befähigen und weiterbilden, KI dort einzusetzen, wo sie ihnen hilft“, so das Fazit von Tobias Zimmermann.



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