Arbeitsmoral und Attraktivität: Der Kampf der Autohändler um engagierte Mitarbeiter

Die Autohändlerbranche in Deutschland steht vor einer schweren Herausforderung: Der akute Fachkräftemangel bedroht den Bestand vieler Unternehmen. Hinzu kommen die fehlende Arbeitsmoral vieler Mitarbeiter und die sinkende Attraktivität der Branche.
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Autohändlern in Deutschland fehlen gute Mitarbeiter. Symbolbild.Foto: iStock
Von 24. August 2023

Die Autohändlerbranche sucht händeringend nach Fachkräften. Wie in vielen Bereichen in Deutschland leidet auch der Autohandel unter Fachkräftemangel. Im Januar traf sich Bundeskanzler, Olaf Scholz (SPD) zu einem Spitzengespräch mit der Automobilwirtschaft im Kanzleramt. Das Thema kam da dann auch auf den Tisch.

In einem Interview mit dem Fernsehsender MDR brachte damals der Geschäftsführer des Branchenverband Automotive Thüringen, Rico Chmelik, die Herausforderungen seiner Branche auf den Punkt: „Wir können die Menschen nicht backen. Wir können auch über Arbeitsmigration diesen Mangel nicht vollständig kompensieren. Die Frage ist, dass dieser Mangel an Fachkräften die eigentliche Wachstumsbremse wird.“

Durch die Renteneintritte bis 2027 stünden noch weit weniger Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Das werde in den kommenden Jahren durch den Rentenknick fortgesetzt. Dann, so Chmelik, drohe die Gefahr, dass es Unternehmen dann nicht mehr geben werde. Nicht weil das Produkt schlecht ist, sondern weil es keine Menschen mehr gibt, die das Produkt produzieren können. Keine guten Aussichten für eine Branche, die zu den deutschen Schlüsselindustrien zählt. Das sind aber nicht die einzigen Probleme, mit denen die Branche zu kämpfen hat.

Arbeitsmoral lässt zu wünschen übrig

Gerade erst berichtet das Nachrichtenportal „Business Insider“ darüber, dass auch die Arbeitsmoral der noch vorhandenen Mitarbeiter zu wünschen übrig lässt. Das Portal recherchierte eine Zeit lang für eine Artikelserie rund um den deutschen Autohandel. Was dabei herauskam, lässt aufhorchen.

Andreas Schmitt ist im Management eines norddeutschen Jaguar- und Land-Rover-Vertriebspartners (JLR) tätig. Gegenüber „Business Insider“ sagt er: „Begriffe wie Work-Life-Balance kann ich bald nicht mehr hören, und all die Krankmeldungen bei kleinsten Wehwehchen gehen mir auf die Nerven.“

Weiter beklagt der Manager, dass es immer schwieriger werde, engagierte Menschen zu finden, die für den Autohandel „wirklich noch brennen“. Selbst dann, wenn man, um Personal zu finden, deutlich höhere Gehälter zahlen würde, bringe das wenig – „der Markt für Topleute im Autohandel ist wie leergefegt.“

„Von unseren 55 Beschäftigten sind 50 unbrauchbar“

Auch Erwin Huber, ein Mazda- und Stellantis-Partner in Süddeutschland, erzählt gegenüber „Business Insider“ eine Geschichte, die ihn traurig stimmt. Der Unternehmer sucht dringend Freiwillige, die am Samstag ein paar Stunden in seinem Autohaus Dienst machen. Dass ihn das Geld kosten werde, das war Huber klar. Für die Zusatzschicht wollte er daher 250 Euro zahlen. Es fand sich allerdings kein einziger Freiwilliger in seinen Betrieben.

„Die Leute haben 30 Tage Urlaub im Jahr – und dazu 30 Tage Grippe“, sagt Huber wütend. Jetzt wollten die Mitarbeiter auch noch die Vier-Tage-Woche. „Wohin soll denn das noch führen?“, fragt sich der Unternehmer.

Und dann setzt Erwin Huber noch einmal nach: „Von unseren 55 Beschäftigten sind 50 unbrauchbar.“ Auf die Frage, warum er diese Mitarbeiter dann noch beschäftigt, kommt die simple Antwort: „Ich finde nun mal keine anderen Leute.“

Die Erfahrungen vom Unternehmer Huber, dass er keine Leute findet, teilt er mit den meisten Unternehmen in Deutschland. Gerade erst hat das ifo-Institut in München eine Konjunkturumfrage unter 9.000 Unternehmen in Deutschland gemacht. Unter Engpässen an qualifizierten Arbeitskräften litten demnach im Juli 43,1 Prozent der Firmen, nach 42,2 Prozent im April 2023. „Trotz schwächelnder Konjunktur sind viele Unternehmen weiterhin händeringend auf der Suche nach geeigneten Mitarbeitenden“, sagt ifo-Experte Stefan Sauer. Im Juli 2022 war das Allzeithoch von 49,7 Prozent erreicht worden.

Vorzeigebranche verliert an Attraktivität

Noch weitere Aspekte schnüren der Automobilbranche im Moment die Luft ab. Viele Jahrzehnte war sie die deutsche Vorzeigebranche, hat jedoch in den letzten Jahren an Attraktivität verloren. Wenn ein Unternehmen junge Menschen findet, die sich in der Ausbildung gut machen, drängen diese nach Berufsabschluss nicht selten in ein Wirtschaftsstudium.

Hinzu kommt, wie „Business Insider“ schreibt, dass gute Arbeitskräfte – die sogenannten „High-Potentials“ – zur chinesischen Konkurrenz wechseln, die immer stärker auf den deutschen Markt drängt.

Ein weiterer Faktor ist, dass junge Talente sich heute weniger vom altehrwürdigen Automobilhandel angesprochen fühlen und eher in Tätigkeitsfelder wie beispielsweise Künstliche Intelligenz drängen. Dieser Trend steht erst am Anfang.

Der Ingenieurmonitor des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) spiegelt das längst wider. „Insgesamt gab es im ersten Quartal 2023 mit rund 175.600 offenen Stellen auf dem Ingenieurarbeitsmarkt einen neuen Rekordwert eines Quartals seit Beginn der Aufzeichnung im Jahr 2011.“, heißt es im Bericht. „Durch Digitalisierung und Klimaschutz wird der Bedarf an Beschäftigten in Ingenieur- und Informatikberufen deutlich zunehmen“, kommentiert Ingo Rauhaut, Arbeitsmarktexperte des Verbandes den Monitor.

Zustände wie im Profifußball

Die Automobilbranche muss sich schon heute ins Zeug legen, um Mitarbeiter anzuwerben. So bietet die Torpedo-Gruppe, eine große Autohandelskette aus Kaiserslautern, für Serviceberater auf ihrer Website eine Wechselprämie von 5.000 Euro. Abwanderungswillige KfZ-Mechatroniker können sich sogar über eine Prämie von 10.000 Euro freuen.

„Das sind ja schon fast Zustände wie im Profifußball“, kommentiert ein sächsischer Handelspartner der koreanischen Automarke Hyundai die Zustände gegenüber „Business Insider“ scherzhaft. Und er hat mit Augenzwinkern seine ganz eigene Vision von der Zukunft: „Es kommt noch so weit, dass Werkstattmonteure ihre Berater in Vertragsverhandlungen schicken – oder gleich für üppige Saläre nach Saudi-Arabien auswandern.“



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