Bundesregierung subventioniert Intel mit 9,9 Milliarden Euro – Ökonomen skeptisch

Der US-Chiphersteller Intel beabsichtigt, für 17 Milliarden Euro ein Werk nahe Magdeburg zu bauen. Über die Höhe der Subventionen war es in den vergangenen Wochen zu Diskussionen gekommen. Nun scheint man sich mit der Bundesregierung geeinigt zu haben.
Magdeburg hat den Zuschlag für die milliardenschwere Chipfabrik des US-Konzerns Intel bekommen.
Die Bundesregierung scheint dem Konzern Intel jetzt doch höhere Subventionen geben zu wollen.Foto: Ralf Hirschberger/dpa
Von 17. Juni 2023

Es soll die größte ausländische Investition nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Deutschland werden: Für 17 Milliarden Euro möchte der amerikanische Chiphersteller Intel ein Werk vor den Toren Magdeburgs bauen. Kurzzeitig schien dieses Vorhaben dann in den Sternen zu stehen. Die Bundesregierung wollte über die zugesagten 6,8 Milliarden Euro Subventionen hinaus keinen weiteren Cent mehr in die Hand nehmen.

Der US-Konzern hatte aber zum Schluss 10 Milliarden Euro an Subventionen gefordert. Begründet hatte Intel seine Forderung mit den gestiegenen Bau- und Energiekosten.

Investition von strategischer Bedeutung

Während Bundesfinanzminister Christin Lindner (FDP) sehr früh deutlich machte, dass er wenig Neigung habe, sich auf einen milliardenschweren Subventionswettlauf einzulassen, bekam Intel Unterstützung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und der Landesregierung von Sachsen-Anhalt um den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU). Die Investition, so hieß es aus dem Wirtschaftsministerium, sei für Deutschland und Europa von strategischer Bedeutung.

Im Gespräch mit der „Financial Times“ erklärte Habecks Staatssekretär Michael Kellner, dass es im europäischen Interesse liege, eine Unabhängigkeit auf dem Gebiet der Halbleiterproduktion zu erlangen. Da während des Ukraine-Krieges schnell deutlich wurde, wie Deutschland bezüglich Energie von Russland abhängig ist, dürfe so etwas bei den Halbleitern nicht noch einmal passieren. So würde ein Angriff Chinas auf Taiwan, wo ein großer Teil der höchstentwickelten Halbleiter produziert wird, zur Folge haben, dass weite Teile der Produktion in Europa lahmgelegt wären.

Christian Lindner überzeugten die Argumente allerdings nicht. In einem Interview mit der „Financial Times“ machte er unmissverständlich klar, dass er den nun angezogenen Subventionsforderungen von Intel sehr kritisch gegenüberstehe. Er sei dabei, den Bundeshaushalt zu konsolidieren und nicht auszuweiten. „Im Haushalt ist kein Geld mehr übrig“, so die bündige Antwort des deutschen Finanzministers.

Ökonomen teilen Skepsis

Tatsächlich ist Skepsis bei den Intel-Plänen angebracht. So schreibt etwa das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (an der Saale) mit Blick auf den Standort in Magdeburg:

„Magdeburg ist nicht strukturschwach – aber für das, was da nun entsteht, ist die Struktur zu schwach: Die Landeshauptstadt hat weder einen internationalen Flughafen noch einen ICE-Anschluss. Es muss also viel passieren: Das Werksgelände muss gut und schnell erreichbar sein, insbesondere mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für die Beschäftigten und deren Familien fehlen noch Schulen, Wohnungen, Freizeitangebote, Integrations- und Sprachkurse.“

Ob sich diese Infrastruktur so schnell aufbauen lässt, muss tatsächlich bezweifelt werden. Institut-Chef Reint Gropp ist daher skeptisch, ob sich die Subventionen am Ende für das Land auszahlen.

Auch der Chef des ifo Instituts, Clemens Fuest, ist skeptisch, was die Subventionen betrifft. Gegenüber der „Tagesschau“  verweist er auf die Milliardenzahlungen in Dresden und im Saarland. In Dresden wird ein Werk des Chipherstellers Infineon mit mindestens einer Milliarde an öffentlichen Mitteln unterstützt.

Der Bau der geplanten Fabrik des US-Herstellers Wolfspeed im saarländischen Ensdorf soll insgesamt 2,75 Milliarden Euro kosten. Der Chef des Unternehmens aus North Carolina, Gregg Lowe, hat deutlich gemacht, dass er mindestens 20 Prozent der Investitionssumme an öffentlichen Mitteln erwarte.

In Ensdorf baut der US-Chiproduzent Wolfspeed in Kooperation mit dem Autozulieferer ZF ein Werk zur Produktion von Chips aus Siliziumkarbid. Diese seien besonders in der Autoindustrie gefragt.

Laut Fuest würden all diese Geldsummen die Abhängigkeit Europas von Halbleitern aus den USA und Asien nicht wesentlich reduzieren. Derzeit liegt Europas Abhängigkeit von diesen Regionen bei 90 Prozent.

Das Ziel der EU bestehe darin, diese Abhängigkeit bis 2030 lediglich um zehn Prozent zu verringern. Auch wenn dieses Ziel erreicht würde, betont der Ökonom Fuest, hätte Europa nicht viel gewonnen, da eine in Europa ansässige Chipindustrie weiterhin von Rohstoffen abhängig wäre, die erst importiert werden müssten.

Überdies stellt es aus ordnungspolitischer Sicht eine fragwürdige Entscheidung dar, Arbeitsplätze in Dresden beispielsweise mit einer Million Euro Steuergeldern zu subventionieren. Klüger wäre es laut dem IFO-Chef, das Geld für die Forschung in Deutschland einzusetzen und weiterzuentwickeln.

Ein weiterer Aspekt, der Ökonomen Sorgen bereitet, ist die Tatsache, dass Milliardensummen nun hauptsächlich zur Förderung von Unternehmen verwendet werden sollen, die ihren Hauptsitz im Ausland haben. Erfahrungen zeigen jedoch, dass Unternehmen in Krisenzeiten dazu tendieren, zuerst ihre Kapazitäten im Ausland zu reduzieren und nicht auf ihren jeweiligen Heimatmärkten.

Vereinbarung unterzeichnet

Diesen Bedenken zum Trotz scheint sich das Bundeswirtschaftsministerium jedoch am Ende durchgesetzt zu haben. Am Montag trifft Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Chef des US-Chipkonzerns Intel, Pat Gelsinger, im Kanzleramt. Dabei solle eine entsprechende Vereinbarung über weitere Fördermittel unterzeichnet werden, berichtet das „Handelsblatt“.

Demnach wolle der Bund den US-Konzern Intel mit insgesamt 9,9 Milliarden Euro aus Steuergeldern fördern. Damit scheint die Ansiedlung des US-Chipherstellers in Magdeburg jetzt finanziell gesichert. Das „Handelsblatt“ beruft sich hier auf Informationen aus Regierungskreisen.

Die zusätzlichen Mittel für Intel werden nicht aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Dafür soll ein Sondervermögen aus dem Verantwortungsbereich von Wirtschaftsminister Habeck genutzt werden. Das habe am Ende dann auch zur Lösung des Konflikts mit dem Finanzministerium beigetragen.

Unterdessen kündigte Intel gestern den Bau eines neuen Werks in Polen an. In Breslau würden 4,6 Milliarden Dollar in eine Chip-Fabrik investiert, so Intel-Chef Pat Gelsinger. Dort sollen dann auch Chips getestet und montiert werden – auch die dann in Magdeburg hergestellten Produkte.



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