Eine Klima-Medien-Einheitsfront

Die Organisation Covering Climate Now bringt Medien und Institutionen dazu, einheitlich über den Klimawandel zu berichten: Mit Workshops, Themenwochen, Leitfäden und privater Beratung für 460 Partner aus 57 Ländern.
Titelbild
Einige Partner von Covering Climate Now: Deutsche Welle, taz, Correctiv, Stern, RESET international, Spektrum der Wissenschaft, TU Berlin – ebenso wie die Nachrichtenagenturen Reuters, Bloomberg, AFP und die Bildagentur Getty Images.Foto: iStock
Von 12. Juni 2022

„Wir helfen unseren Medienkollegen, die entscheidende Geschichte unserer Zeit mit der Strenge und Dringlichkeit zu behandeln, die sie verdient.“ Das Ziel der Organisation Covering Climate Now (CCNow) ist klar formuliert.

Und um ihrer Bedeutung Nachdruck zu verleihen, wartet sie mit Zahlen auf. Mehr als 460 Nachrichten- und Medienpartner aus 57 Ländern haben sich CCNow angeschlossen, zwei Milliarden Leser – also mehr als ein Viertel der Weltbevölkerung – informieren sich so über den Klimawandel, seine Folgen und die Bemühungen, ihm entgegenzuwirken.

Deutsche Medien und Institutionen finden sich ebenso im Netzwerk der Organisation. Stern, taz, Deutsche Welle, Spektrum der Wissenschaft oder die „klimareporter“ sind ebenso dabei wie die Technische Universität Berlin. Sie sind beitragsfreie Mitglieder, wie viele Journalisten rund um den Globus. CCNow führt sie alle zusammen, damit sie einheitlich über den Klimawandel berichten – so, wie ihn die Organisation versteht.

Versagen der selbstgefälligen Medien

Doch zunächst zur Entstehungsgeschichte: CCNow wurde 2019 von den Medien „Columbia Journalism Review“ (CJR) und „The Nation“ in Zusammenarbeit mit dem britischen Guardian und dem ältesten Radiosender New Yorks, WNYC, gegründet.

Die treibenden Kräfte waren die Journalisten Mark Hertsgaard und Kyle Pope. Letzterer ist auch Herausgeber des Magazins CJR, in dem etwa zum Zeitpunkt der Gründung ein Artikel mit der Überschrift „Die Medien sind selbstgefällig, während die Welt brennt“ erschien, der in gewisser Weise die Oberflächlichkeit der Journalisten rügte.

So hätten Medien über einen Zeitraum von 18 Monaten 40 Mal mehr über die Familie um Glamour-Sternchen Kim Kardashian berichtet als über die Versauerung der Ozeane aufgrund steigender Temperaturen in den Weltmeeren. Dieses „journalistische Versagen“ habe zu einer „katastrophalen Ignoranz in der Öffentlichkeit geführt, die es Politikern und Unternehmen wiederum ermöglicht hat, sich dem Handeln zu entziehen“, heißt es weiter.

Mit der Gründung von CCNow sollte der Fokus auf das vermeintlich größte Problem der Menschheit gerichtet werden. Es gehe dabei nicht um das Schüren von Ängsten, sondern um die Verbreitung wissenschaftlicher Fakten.

Die drei größten Nachrichtenagenturen sind mit im Boot

Zu den Medienpartnern von CCNow gehören zum Beispiel auch die drei weltgrößten Nachrichtenagenturen Reuters, Bloomberg und Agence France Presse (afp). Sie stellen Inhalte für Tausende anderer Nachrichtenredaktionen zur Verfügung.

Mit im Boot sind die meisten öffentlichen Radiosender in den USA, viele Magazine und Zeitschriften. Vertreten sind die größten Namen der Nachrichtenbranche und einige der kleinsten, „denn diese Geschichte braucht alle“, heißt es auf dem Internetauftritt von CCNow. Die Organisation preist sich als weltgrößte Medienkooperation an.

Damit CCNow seine Geschichte schreiben kann, braucht die Organisation vor allem Journalisten. Diese werden von der Organisation mit einer Fülle von Angeboten gelockt. Mit einer gehörigen Portion Drama bietet sie sich als Unterstützer an, den Redaktionen dabei zu helfen, „die ganze Klimageschichte zu erzählen – von den herzzerreißenden Gefahren bis zu den vernünftigen Lösungen“. Briefings und Tipps sollen dazu beitragen, dass „über alle Aspekte der Klimageschichte“ berichtet wird.

Kompetenz und Vernetzung sollen Webinare bieten, „private Beratungen“ gehören ebenso zum Angebot wie bereits fertiggestellte Artikel und redaktionelle Geschichten rund um den Klimawandel sowie Maßnahmen dagegen. Dabei geht es stets darum, dass fossile Brennstoffe die Klimakrise ebenso anfeuern wie billige elektrische Energie, die Nutzung von Erdgas, Heizen oder Flugreisen. 

Es stellt sich die Frage nach der Finanzierung

CCNow ist der amerikanischen Non-Profit Organisation Fund for Constitutional Government (FCG) angegliedert. Diese 1974 gegründete gemeinnützige Organisation hat es sich zum Ziel gesetzt, „die amerikanische Regierung für die Verfassung zu sensibilisieren und das Interesse an der Überwachung der Regierungsgeschäfte zu wecken“.

Gründer war der Unternehmer und Philanthrop Stewart Rawlings Mott (1937-2008). Seine Stiftung, die Stewart R. Mott Foundation, gehört aktuell zu den Geldgebern von CCNow. Geld fließt auch aus diversen Quellen der Rockefellers, der Park Foundation und einigen anderen in die Kassen der Organisation.

FCG gehört in den USA zu den sogenannten 501(c) (3)-Organisationen, die als Förderer von Wissenschaft, sozialen Zwecken und vielem mehr von der Steuerpflicht befreit sind. Spender wiederum zahlen weniger Einkommensteuern, wenn sie Einrichtungen dieser Kategorie unterstützen.

Vom 27.6. bis 1.7. geht es um „Lebensmittel und Wasser“

Eine Methode, um die Journalisten zu binden und eine dynamische Gemeinschaft zu präsentieren, die sich dem Kampf gegen den Klimawandel verpflichtet fühlt, sind die sogenannten Berichterstattungswochen.

Bereits zum sechsten Mal seit der Gründung vor drei Jahren widmet sich CCNow gemeinsam mit ihren Partnern ausführlich einem Thema. Bisher waren Klimapolitik, Lösungen oder das Leben mit dem Klimanotstand unter den Themen.

Vom 27. Juni bis 1. Juli 2022 stehen Lebensmittel und Wasser im Mittelpunkt. Nahrung und Wasser habe man diesmal als Thema gewählt, „weil der Klimawandel bereits einen enormen Tribut von den Ernährungssystemen der Welt fordert“. Umweltkatastrophen und Temperaturschwankungen hätten Ernten vernichtet, steigende Meeresspiegel führten dazu, dass Böden in Küstenregionen versalzten. Die Folgen für die Landwirte und die globale Nahrungsmittelversorgung lägen auf der Hand, ebenso wie die für Hunger, Sicherheit und Lebensmittelkosten.

„Wie in der Klimageschichte üblich, werden diejenigen, die ohnehin benachteiligt sind, am schlimmsten getroffen“, heißt es in der Beschreibung des Projekts weiter. Doch könnten auch die Lebensmittelproduktion und die Veränderung von „Verzehrpraktiken“ zur Eindämmung des Klimawandels beitragen.

Derzeit sei die Nahrungsmittelproduktion für etwa ein Drittel der jährlichen Treibhausgasemissionen der Menschheit verantwortlich. Welcher Weg auch immer eingeschlagen werde, um den Ausstoß von Schadstoffen zu reduzieren, das Überdenken der Ernährung müsse ein Teil davon sein. Dies lasse Raum für innovative Ideen, von klimafreundlichen Pflanzen und rationalisierten Lieferketten bis hin zu Direktsaat, regenerativer Landwirtschaft, Alternativen zum Fleischkonsum und Reduzierung von Lebensmittelverschwendung sowie „die bewährten landwirtschaftlichen Praktiken indigener Völker weltweit“.

Jeder könne mitmachen, wirbt CCNow. So seien manche Lösungen ganz einfach. Es genüge, einen Blick auf die Einkaufslisten zu werfen, um Mahlzeiten zu „optimieren“, die in der heimischen Küche zubereitet würden. 

„Tatsachen haben keine zwei Seiten“

Journalisten sind eingeladen, sich mit ihren Ideen an der Berichterstattung zu beteiligen und entsprechend zu berichten. Damit sie den Narrativen von CCNow folgen können, gibt es einen Leitfaden, bestehend aus zehn Punkten.

Zur „empfohlenen Vorgehensweise“ gehört etwa, dass der Journalist der Wissenschaft grundsätzlich positiv gegenübersteht. „Tatsachen haben keine zwei Seiten“, heißt es in der Auflistung. Journalisten müssten „mit der gleichen Klarheit über den Klimawandel schreiben wie die Wissenschaftler, die seit Jahrzehnten Alarm schlagen“.

Vor allem in den USA hätten die Medien zu lange die Klimawissenschaft – trotz eines „überwältigenden, globalen Konsenses“ – den Skeptikern und Leugnern der Veränderungen gegenübergestellt. Den „Verleumdern“ Plattformen zu bieten, „um unsere Geschichten auszubalancieren“, führe die Öffentlichkeit in die Irre.

Äußerten sich Regierungen kritisch gegenüber den vermeintlichen klimatischen Veränderungen, müssten Journalisten durch „verantwortungsbewusste“ Arbeit deutlich machen, dass diese Standpunkte „kontrafaktisch, wenn nicht sogar in böser Absicht verwurzelt sind. 

Auch sollten zu viele Fachausdrücke und „Insider-Geschwätz“ in der Berichterstattung vermieden werden. Stattdessen sollten Journalisten „einfache Analogien“ verwenden, wenn sie etwa erklären, wie die globale Erwärmung zu den Waldbränden in Australien beitragen.

Klimaleugnern solle man keine Plattform bieten. Es gebe kein Argument mehr gegen die Klimawissenschaft, und wenn man diese akzeptiere, akzeptiere man auch „den dringenden Bedarf an schnellen, energischen Maßnahmen“.

Der Abschluss des zehn Punkte umfassenden Leitfadens lässt ebenfalls keine Diskussion zu: „Kommentare, die vom wissenschaftlichen Konsens ablenken oder Klimaaktivismus lächerlich machen, gehören nicht in eine seriöse Nachrichtenagentur.“



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