Heureka – Ideen satt bei Ashoka

„Social Entrepreneurship“, die soziale Form des Unternehmertum, ist eines der wichtigsten Schlagworte in Zeiten von Finanzkrise, BP-Ölkrise und wohl einigen weiteren Krisen geworden. Wir sprachen mit dem Geschäftsführer von Ashoka Deutschland, Felix Oldenburg. Ashoka ist weltweit das größte Social Entrepreneurship-Unternehmen.
Titelbild
Foto: Ashoka
Epoch Times16. Juni 2010

Epoch Times: Bitte erzählen Sie etwas über Ashoka und Ihre Tätigkeitsbereiche in dem Unternehmen.

Felix Oldenburg: Ja, also ich fang‘ ganz kurz bei mir an, damit Sie wissen, wer hier spricht. Ich habe Philosophie in Tübingen und in Oxford studiert und dann später – und während dieser Zeit auch – als Unternehmer gearbeitet. Ich war dann bei McKinsey und habe in Georgetown, Washington Nonprofit Management  studiert. Nach einigen anderen Posten bin ich seit einem Jahr Chef von Ashoka in Deutschland.

Bei Ashoka fühle ich mich sehr wohl, weil ich zunehmend verstehe, was eigentlich auf der Welt passiert, welche Rolle dabei Social-Entrepreneurs haben und auch welche Einflussmöglichkeiten wir dafür haben. Ashoka wurde vor 30 Jahren von Bill Drayton gegründet. Mit ihm  hab‘ ich das biografische Detail gemeinsam, dass wir beide bei McKinsey waren. Er hat sich Ende der 1970er-Jahre eine Frage gestellt, die viele in der Welt umgetrieben hat, nämlich: „Wie gestaltet man eigentlich großflächige gesellschaftliche Veränderungen?“

Epoch Times: Welche Erkenntnisse hat er dabei gewonnen?

Oldenburg: Bill Drayton ist in der Welt herumgereist und hat Menschen interviewt, die großflächigen Wandel gestaltet haben. Zum Beispiel Menschen, die Ghandi erlebt haben oder ganz frühe Zeiten von Muhammed Yunus. Bill Drayton hat verstanden, dass es entscheidend ist, diese Menschen, die große Innovationen haben und die großflächig gesellschaftliche Veränderungen bewirken können, in der frühen Phase ihrer Entwicklung zu finden. In der Phase, in der es sich noch entscheidet, ob sie aus ihren Innovationen etwas machen können oder ob sie lokal bleiben. Wenn wir diese Menschen in der frühen Phase finden und direkt unterstützen könnten – sowohl finanziell als auch mit einem Netzwerk von Gleichgesinnten, dann würden wir die Wahrscheinlichkeit für Wandel von unten nach oben radikal erhöhen. Dann hätten wir viel mehr Menschen, Social-Entrepreneurs, die die Ressourcen haben, ihre großen Innovationen in die Welt zu tragen – und das ist die Grundidee von Ashoka.

Um Ihnen mal ein Beispiel zu geben: Fabio Rosa, ein Ashoka-Fellow aus Brasilien, arbeitet schon seit 15 Jahren daran, die hinteren Amazonasdörfer zu elektrifizieren, weil dies sich für den Staatskonzern nicht lohnt. Es ist ein enorm großes Entwicklungsthema. Keine westliche Idee hat bisher es ermöglicht, dies finanzierbar zu machen. Seine Idee ist eine Kombination von Gleichstromsolarzellen mit lokalen Backup-Batterien. Dies wurde realisiert durch eine  Mikrofinanzierung und hat mittlerweile nicht nur Millionen Menschen Licht durch Strom gebracht, sondern ist mittlerweile zum Standard für die Elektrifizierung in den sogenannten Ostprojektländern geworden – also Ländern, die über keine Stromnetze verfügen […]. Oder ein Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum: Andreas Heinecke mit dem „Dialog im Dunkeln“, der mittlerweile in zwölf Ländern Blinde in Dunkelausstellungen, die in absoluter Dunkelheit stattfinden, als Trainer einsetzt, um den Sehenden zu vermitteln, wie es sich anfühlt blind zu sein.

Epoch Times: Sehr interessant.

Oldenburg: Das sind die Ideen, die in einer frühen Phase von Ashoka gefunden wurden. Dann hat Ashoka investiert, und sie sind groß geworden. Das ist die Grundidee von Ashoka: Wir suchen die Ideen in einer frühen Phase und geben ihnen eine Chance, groß zu werden. Nicht jede Idee wird groß werden. Es ist ein Risikoportfolio. Wir haben weltweit schon 2.500 Ashoka-Fellows in knapp 70 Ländern gewählt. Das ist natürlich ein Portfolio von Social-Entrepreneurs, wo nicht jede einzelne Innovation kontinental wirksam wird. Aber da sind eben ganz ganz viele, Hunderte von Innovationen dabei, die mittlerweile die Praxis im jeweiligen Feld verändert haben.

Epoch Times: Kann man sagen, wie groß das Investitionsvolumen ist, das Ashoka in Deutschland und weltweit einsetzt?

Oldenburg: Ja, das Budget im Jahr sind weltweit etwa 40 Millionen US-Dollar. Das kommt dadurch zustande, dass wir auf der ganzen Welt den Ashoka-Fellows über drei Jahre ein Lebenshaltungs-Stipendium bezahlen. Wir liefern also anders als die meisten Investoren keine Projektfinanzierung. Wir geben kein Geld in das Projekt, sondern wir ermöglichen es der Person hinter der Idee, sich für die drei Jahre durch das Lebenshaltungs-Stipendium zu 100 Prozent auf ihre Arbeit zu konzentrieren.  Im Bereich Venture-Capital und Venture-Philanthropie hat sich herausgestellt, dass es die verlässlichste Investition in eine Idee ist, den Menschen hinter der Idee zu stärken […]. Das ist unser Fördermodus. Natürlich haben Ashoka-Fellows, die zum Beispiel in Indien arbeiten, andere Lebenshaltungskosten und somit ein sehr anderes Stipendienniveau als ein Fellow, der in Westeuropa arbeitet.

Epoch Times: Sind Sie ein starker Verfechter des Unternehmertums und nicht des Shareholder-Value-Ansatzes von börsennotierten Aktiengesellschaften? Ich meine, wenn man bei McKinsey gearbeitet hat, hat man ursprünglich wahrscheinlich eine Einstellung Pro-Shareholder-Value. Hat sich da bei Ihnen mal ein Wandel eingestellt oder gab es da ein Schlüsselerlebnis für Sie? Oder sind die beiden Ansätze für Sie gar nicht so widersprüchlich?

Oldenburg: Da hat sich natürlich bei mir ein grundlegender Wandel eingestellt. Ich habe gedacht, dass gesellschaftliche Probleme dafür da sind, vom Staat gelöst zu werden. Die Unternehmen erwirtschaften den Wohlstand dafür und wir Bürger wählen alle vier Jahre. Die meisten Menschen in unserer westlichen Gesellschaft denken zurzeit auch so. Aber seit ich bei Ashoka arbeite, hat sich der Wandel dahingehend eingestellt, dass ich mich das erste Mal frage: Woher kommen eigentlich die großen Innovationen, die unsere Gesellschaft transformieren? Und die kommen eben von außergewöhnlichen Individuen, die einfach mal eine gute Idee hatten. Diesen Menschen die Umsetzungsressourcen in die Hand zu geben und ihnen zu vertrauen die Innovation umzusetzen, das tun wir viel zu wenig. Wenn wir ein Problem sehen, warten wir immer darauf, dass der Staat das löst. Aber woher bekommt der seine Ideen? Wo sind die Erfolgsbeispiele und die Prototypen dafür, wie wir unsere Gesellschaft entwickeln wollen?

„Es darf keine Zweifel über die ethische und moralische Integrität und Motivation geben.“

Epoch Times: Veränderung per se muss ja nicht unbedingt etwas Gutes sein. Alle zwei Jahre wird in vielen Unternehmen zum Beispiel die Top-Management-Riege ausgetauscht. Dann gibt es wieder Veränderung, aber es gibt keine Stabilität beziehungsweise man weiß nicht, wo die langfristige Strategie sein soll. Auf der Basis welcher Regeln oder Prinzipien treffen Sie denn Ihre Entscheidung, wer ein Ashoka-Fellow wird und wer nicht und welche Veränderung soll denn überhaupt stattfinden? Wo soll das Ganze hinführen, wenn Sie jemand unterstützen, was ist die Zukunftsvision?

Oldenburg: Niemand hat einen Maßstab davon, wie die Zukunft als Ganzes aussieht. Sie setzt sich zusammen aus lauter individuellen Problemlösungen, die morgen schon wieder anders aussehen müssen als heute. Führung bedeutet nicht zu wissen, wie die Welt in zehn Jahren aussieht, sondern diejenigen Lösungen zu sehen, die Antworten sind und die die wichtigen Probleme von heute lösen können. Und das tun wir weltweit. Wir suchen nach Fellows, die folgende Kriterien erfüllen:

1.    Sie müssen eine neue Idee haben, wie man ein gesellschaftliches Problem lösen kann.
2.    Die Idee muss das Potenzial haben, das Problem großflächig zu lösen. Sie darf also nicht nur vor Ort funktionieren.
3.    Die Fellows müssen unternehmerisch handeln, die eigenen Ressourcen organisieren und selber etwas gründen können. Hier dürfen wir keine Zweifel über ihre ethische und moralische Integrität und Motivation haben. Wenn wir solche Menschen finden und sie auf einer weltweiten Plattform von Ideen und Prototypen verbinden und das dynamisch gestalten, dann haben wir ein weltweites Netzwerk, das auf die Probleme unserer Zeit schnell antworten kann. Und zwar nicht so, dass irgendjemand von oben sagt: „Hier geht es lang“, sondern dass wir die Problemlösungskompetenz in unserer Gesellschaft auf der niedrigsten Stufe ansetzen, nämlich bei jedem einzelnen Menschen. Dafür wollen wir Vorbilder schaffen.

Epoch Times: Eine abschließende Frage: Social-Entrepreneurship ist ja mittlerweile ein großes Schlagwort geworden. Was macht Ashoka anders als andere, die in diesem Bereich tätig sind?

Oldenburg: Vor 30 Jahren gab es den Begriff Social-Entrepreneurship noch nicht einmal. Ashoka hat dieses Feld gegründet und heute das weltweit größte Netzwerk von Social-Entrepreneurs. Es gibt auch keine andere Organisation, die in 70 Ländern Social-Entrepreneurs sucht und fördert. Aber diese Personen brauchen ja mehr als nur Ashoka. Sie brauchen mehr als eine Dreijahresfinanzierung einer Person. Sie brauchen Projektinvestitionen, sie brauchen Medienpartner und sie brauchen kraftvolle Verbündete in der ganzen Gesellschaft. Wir sind für jeden einzelnen Akteur dankbar, und inzwischen gibt es ja eine ganz große Szene für Social-Entrepreneurship und Social-Business weltweit – und die ist immer noch nicht groß genug. Ashoka ist eine Plattform für Menschen, die unternehmerisch die Welt verändern wollen und wir freuen uns über jeden, der dazu kommt.

Epoch Times: Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Florian Godovits.

Foto: Ashoka



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